Einem der Gründungsväter der Vereinigten Staaten von Amerika

Erörterung zum Thema Neuanfang/ -orientierung

von  loslosch

Eripuit caelo fulmen sceptrumque tyrannis (Eintrag auf einer Büste Benjamin Franklins. Verfasser: A. R. J. Turgot, 1727 bis 1781, französischer Minister). Dem Himmel entriss er den Blitz und das Zepter den Tyrannen.

Vermutlich hat Turgot den Ausspruch in veränderter Form vom römischen Dichter und Astrologen Manilius (1. Jh. n. Chr.; Astronomica) übernommen. Dieses Aper­çu lässt nur unvollkommen erahnen, von welch genialischer Größe Franklin (1706 bis 1790) war. Eine vorweggenommene Tellerwäscher-Karriere: vom Drucker, Schriftsetzer, anonymen Artikelschreiber (Pseudonym Dogood, etwa Tut-Gutes) über den Hobby-Naturforscher zum Diplomaten, Staatsmann und Gründungsvater der USA.

Dabei ist die eine Hälfte der Sentenz ins Heroische gesteigert: Das Mutterland Großbritannien hatte sich bereits Mitte des 18. Jhs. zu einer Quasi-Demokratie entwickelt. Der königliche Stab war kein Symbol der Allmacht mehr. Die andere Hälfte trifft es. Als J. W. Goethe noch in den Windeln lag, experimentierte Franklin mit den Naturkräften. Ihm gelang um 1750 als erstem der experimentelle Nachweis, dass Blitze elektrische Spannungen entladen. Die lauten Donnerschläge führte er allein auf diesen Vorgang des Entladens zurück und nicht wie seine Zeitgenossen auf Kollisionen von Meteoren, die als terrestrische Produkte von Gaskondensationen missdeutet wurden. Der betagte Goethe ging noch nach 1820, in den Zahmen Xenien, von der heute skurril anmutenden Naturlehre aus. Beide, Franklin wie Goethe, waren im Nebenberuf leidenschaftliche Naturforscher. Der eine zupackender Praktikus, der andere ein ästhetisierender Wortkünstler. Ein Gedicht Goethes erschien 1827 unter dem Titel "Den Vereinigten Staaten" (bekannte Startzeile: "Amerika, du hast es besser ..."). Unfreiwillig trifft es den Kern: Die Kolonisatoren im fernen Amerika sahen sich in einer anderen Lebenswelt mit starken Außenreizen und dem Zwang zu ständiger Neuorientierung. Sowas legt ungeahnte Kräfte frei.

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Kommentare zu diesem Text


 TrekanBelluvitsh (07.02.14)
(...)und das Zepter den Tyrannen
Vielleicht sagt das ja nur etwas über die häusliche Ordnung in der Familie Franklin aus. Dann wäre als Thema aber eher 'Männer/Frauen' angebracht.

 loslosch meinte dazu am 07.02.14:
zur klarstellung (für den historiker):

"Die jüngere Forschung stellt dagegen heraus, dass es sich bei Franklins Beziehungen zu Frauen nicht um „Affairen“ handelte, sondern vielmehr um platonische Verhältnisse, in denen Franklin zumeist die Rolle des älteren und damit lebenserfahreneren Mentors spielte. Auf diese Weise baute sich Franklin, der viele Jahre fernab seiner eigenen Familie verbrachte, jedes Mal eine neue und perfektere Ersatzfamilie auf, was sich unter anderem darin widerspiegelte, dass ihn viele seiner – zumeist jüngeren – Briefpartnerinnen als „mon cher papa“ oder „father“ titulierten." (Wiki, nach Jan Lewis: Sex and the Married Man: Benjamin Franklin’s Families, in: Larry Tise, Benjamin Franklin and Women, University Park, PA 2000, S. 67–82, hier S. 81)

 TrekanBelluvitsh antwortete darauf am 07.02.14:
Also hat er doch den (weiblichen) Tyrannen das Zepter entrissen! Und das tat er ganz geschickt, in dem er sie ernst genommen hat.
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