Das Malheur im Flieger

Erzählung zum Thema Allzu Menschliches

von  Jorge

Es war eigentlich rein zufällig, dass ich sie traf.
Wir hatten die gleiche Reihe im Flieger und waren nur durch den Mittelgang getrennt.
Blondes welliges Haar umspielte ihre zarten Schultern. In den kurzen Momenten, wo sich unsere Blicke trafen, strahlte sie ein gewinnendes Lächeln aus.
Unser Flugziel war Manchester. Ich wollte meinen alten Doktorvater besuchen.
Eine Flugbegleiterin suchte verzweifelt etwas aus ihrem fahrbaren Bord Shop anzubieten.
Das Ehepaar vor mir hatte Tomatensaft bestellt.
Etwas linkisch befüllte sie zwei Becher mit diesem Getränk und es kam, wie es kommen musste.
Das rote, leicht klebrige Getränk ergoss sich über mein helles Leinensakko.
Bevor die Stewardess überhaupt handeln konnte, tupfte mich die erwähnte Gangnachbarin mit einem grünlichen Vliestuch ab.
Alles war weg, wie durch ein Zauber.

Als Kompensation der Airline für dieses Malheur gab es eine Flasche Sekt.
Ich musste wohl dankbar und fragend zugleich geguckt haben.
Nun erklärte sich die Blondine: Mein Name ist Jane Kathrin Lauterbach.  Ich forsche auf dem Gebiet hoch-saugfähiger Vliesstoffe. Dieser Zwischenfall kommt mir entgegen.
Selten genug gibt es solche Gelegenheit zur Praxiserprobung.
Wieder sah ich dieses gewinnende Lächeln und sie zückte eine Visitenkarte, wie ich es sonst nur von japanischen Geschäftspartnern gewohnt war:

Dr. Jane Kathrin Lauterbach
Forschungsbereichsleiterin – Universität Osaka


Später traf ich sie in der Mensa und wir vereinbarten für den Abend ein gemeinsames Dinner. Das Abendessen war vorzüglich und nach meinem Geschmack. Jani, wie ich sie mittlerweile nennen durfte, wählte etwas vegetarisches, das zumindest auch gut aussah.

Sie zeigte mir auf ihrem Tablet etwas über die Struktur dieser Materialien, an denen sie mit einem großen Team forschte. In diesen Textilien sind lebende Organismen integriert.
„Angefangen hat alles mit der Erforschung von Ameisen in Ohio“
Ich bemerkte etwas dilettantisch, dass ich nur Ameisenhaufen aus den Wäldern um Berlin kenne. Nun lachte sie sogar und wurde dann doch wieder ernst.
„Ostberlin oder  Westberlin?“ fragte sie.
Ohne auszuweichen wiederholte ich meine Bemerkung „aus den Wäldern um Berlin“, nun lachte sie wieder und räumte ein, manchmal sehr stereotyp etwas zu hinterfragen.
Auch sie habe Berliner Wurzeln.

Lange hatten wir kaum Kontakt miteinander. Bis wir letzte Woche skypten. Ich lernte ihre ganze Familie am Bildschirm kennen und wir vereinbarten einen gemeinsamen Konzertbesuch.

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Kommentare zu diesem Text


 AZU20 (27.08.14)
Und was ist aus dem Fließstoff geworden? Kann man ihn kaufen? Schöne Geschichte. LG

 Jorge meinte dazu am 27.08.14:
Vielen Dank Armin fürs Lesen und Nachfragen. Der Vliesstoff wurde als Weltpatent angemeldet.
Die Protagonistin forscht nun im Auftrag einer großen medizinischen Akademie.
LG

 AZU20 antwortete darauf am 27.08.14:
Da bin ich aber gespannt. LG

 Lluviagata (27.08.14)
Ich denke, du meinst ein Vliestuch, lieber Jorge, oder? Selbst das Goldene ist ein Vlies. Ein Fließ ist ein Bach. ;)

Ansonsten ist es eine schöne Geschichte; eine, wie sie eben das Leben so schreibt!

Gern gelesen, Jorge!

Liebe Grüße
Llu ♥

 Jorge schrieb daraufhin am 27.08.14:
Vielen Dank Llu für den Korrekturhinweis.
Ich habe es gleich geändert.
Liebe Grüsse
Jorge
HermaPhrodita (49)
(27.08.14)
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 Jorge äußerte darauf am 27.08.14:
Gern trink ich mit dir diesen Saft. Viel lieber als ihn mir aus dem Sakko zu schütteln.
Mein besonderer Dank gilt deinem Klick auf Favotext.
So etwas verleiht mir manchmal Flügel.
Herzliche Grüsse

Jorge
Aha (53) ergänzte dazu am 19.08.19:
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 Jorge meinte dazu am 19.08.19:
Wie schön nach Jahren wieder einen lieben Kommentar zum Text zu finden. Recht herzlichen Dank dafür

LG
Jorge

 Ganna (27.08.14)
...solche Begebenheiten machen das Leben schön...

LG Ganna

 Jorge meinte dazu am 27.08.14:
Vielen Dank Ganna für deinen Kommentar.

Liebe Grüsse
Jorge
Graeculus (69)
(27.08.14)
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 Jorge meinte dazu am 27.08.14:
Hallo Graeculus, diese Idee zum Text gefällt mir auch.
Es macht die ganze kleine Erzählung doch authentischer, stimmts?

saludos
Jorge

 TassoTuwas (27.08.14)
Dem Einen sein Malheur ist dem (der) Anderen Forscherglück.
Schöne Geschichte!
LG TT

 Jorge meinte dazu am 27.08.14:
Dir Tasso vielen Dank fürs Lesen und Kommentieren.
Liebe Grüsse

Jorge

 EkkehartMittelberg (27.08.14)
Fesselnd erzählt, Jorge. Mir ist aufgefallen, dass sich viele interessante Begegnungen im Leben dadurch ergeben, dass irgendetwas Unangenehmes passiert, das einer der Partner in Ordnung bringen kann.

LG
Ekki

 Jorge meinte dazu am 28.08.14:
So wird es sein, Ekki.
Danke für deinen Kommentar.
Liebe Grüße
Jorge

 susidie (29.08.14)
Der Konzertbesuch würde mich interessieren....:) Ich bin aber auch immer zuuuuuuuu neugierig....tztztz
Sonnige saludos, Su :)

 Jorge meinte dazu am 29.08.14:
Ich werde deine berechtigte Neugier befriedigen. Dabei werde ich auch erwähnen, wo und was wir hinterher tranken und aßen.
Liebe Grüsse
Jorge
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