Die rechte Sicht der Dinge

Glosse zum Thema Ansichtssache

von  loslosch

Paupertas est, non quae pauca possidet, sed quae multa non possidet (Seneca, um die Zeitenwende bis 65 n. Chr.; Epistulae morales). Armut ist: Nicht wie wenig einer besitzt, sondern wie viel er nicht besitzt. Oder: Armut ist nicht, wenig zu haben, sondern vieles nicht zu haben.

Das bekanntermaßen zur Hälfte gefüllte Glas. Ist es halb voll oder halb leer? Auf die Perspektive kommt es an. Das sprachlich vorzügliche Beispiel Senecas enthält die weitere Komponente aus einem anderen deutschen Sprichwort: Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß. Die glanzvolle antike Sentenz ist untergegangen. Vielleicht weil sie sprachlich als zu sehr verdichtet empfunden wird.

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Kommentare zu diesem Text


 TrekanBelluvitsh (07.09.14)
Genau genommen nimmt Seneca da die gesellschaftlichen Bedingungen mir ins Boot - ob er es wollte oder nicht.

 loslosch meinte dazu am 07.09.14:
ich denke, er sieht hier mehr die psychologisierende innenschau.

 Regina (07.09.14)
Ich weiß nicht, wie Armut zu Senecas Zeiten ausgesehen hat, heute sieht sie bei uns oft recht seltsam aus: MAn bekommt Karten für eine Ballettveranstaltung geschenkt, Pralinen als Werbegeschenk und gewinnt einen Luxusurlaub im Ausland. Aber die Stromrechnung zahlen, Grundnahrungsmittel erstehen und den Kindern Winterschuhe kaufen, das macht Probleme.

 loslosch antwortete darauf am 07.09.14:
auf elementare notsituationen ist der spruch wohl nicht ausgerichtet. wobei solche situationen von den lebensumständen zivilatorisch wie kulturell abhängen.

 tigujo (07.09.14)
.
Ganz fein
Freut mich, diese Sicht der Dinge gelesen zu haben.
Danke für den Schmaus.

tigujo

 loslosch schrieb daraufhin am 07.09.14:
man(n) muss durch die hölle gegangen sein, um den spruch zu verstehen. lo

 niemand (07.09.14)
Geistig (innerlich) besitzt, oder materiell (äußerlich) besitzt? Wer materiell wenig besitzt, kann reicher sein als der Reiche, bar jeden materiellen Balastes wird ihm innere Freiheit reichlich gegeben, nur muss er erst mal so weit innerlich kommen, um dieses als Reichtum zu begreifen.
In dieser Gesellschaft wird alles aufs Materielle reduziert und hat man es nicht (oder nicht das was Andere haben) wird man arm gerufen. Alles eine Sache der Werte. LG Irene

 loslosch äußerte darauf am 07.09.14:
der ausspruch lässt beide lesarten zu. mir imponiert er.

 Didi.Costaire (07.09.14)
So wie du Senecas These ausführst, scheint sie in heutige Armutsberichte einzufließen, in denen die Armut jeweils ins Verhältnis zur jeweiligen Bevölkerung gesetzt wird.
Viele Grüße, Dirk

 loslosch ergänzte dazu am 07.09.14:
weit gefehlt! und das geben meine rekomms auch nicht her.
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