Fremd im Nahverkehr

Erzählung zum Thema Andere Kulturen

von  eiskimo

Ich saß im Vorortzug, musste meine halbe Stunde Pendler-Routine hinter mich bringen. Da kam ein junger Mann direkt zu dem Sitzplatz mir gegenüber und  setzte sich.  Dunkler Teint, schwarze Haare, die weißen Ohrstöpsel und das Kabel zu seinem Smartphone unter der Jacke hoben sich deutlich ab. Das ist kein Landsmann, war mir klar. Er begann, kaum installiert, in Richtung des Kabels zu sprechen. Ich zuckte zusammen, weil ich zuerst dachte, der junge Mann wollte mir etwas sagen. Nein, weit gefehlt. Und dann sah ich es auch, ein winziges Mikrophon, das im Kabel integriert war und  ihn mit einem Gegenüber irgendwo im Off verband. Ich hörte eine mir völlig fremde Sprache, die recht  melodisch klang, aber auch einige sehr harte Konsonanten beinhaltete. Rede-Gegenrede folgten in unerbittlicher Dichte.  Ich konnte einfach nicht nicht zuhören, zumal der Dialog plötzliche Lacher bereithielt, die mich sofort wieder aufhorchen ließen. Selber bin ich eher von der schweigsamen Sorte, wähle meine Worte langsam. Der Gegenüber dagegen hatte einen gesegneten Redeschwall. Was dramaturgisch besonders spannungsfördernd war: Er streute in für mich völlig willkürlich erscheinender Abfolge deutsche Begriffe ein. Da hörte ich zum Beispiel haargenau heraus „Frau Winkelmann´“, kurz danach „Job-Zenter“ und dann „Wilhelmstraße“. War die Person im Off eine Frau? Handelte es sich um ein Wohnungsproblem?  Meine Fantasie war geweckt, ließ mich fast geradezu angespannt meinem Mitreisenden folgen. Wie gesagt: Ich hatte eine halbe Stunde Zugfahrt zu absolvieren. Sollte dieses „absurde Theater“ tatsächlich so lange andauern?  Ein bisschen genervt war ich schon, aber nicht nur die nicht endende Wortfolge, auch das Mienenspiel des jungen Mannes waren einfach beeindruckend – manchmal verträumt, sinnierend, manchmal besorgt oder gar verstimmt. Großes Kino im muffigen Bundesbahn-Abteil.
Was diese Vorstellung dann aber jäh unterbrach, war eine junge Frau, die sich just neben mich setzte. Sie holte ihr Smartphone heraus und diesmal wurde ich Zeuge eines gänzlich unverschlüsselten Codes. „Ja, ich bin jetzt im Zug“, kam es ganz platt. „Kannste mich abholen?“  Und kurz darauf: „Nee, mach ´ne Pizza heiß!“
Wie froh war ich, als die Frau sich wieder erhob, einen anderen Platz suchte  und ich meine Lauscher wieder ganz auf den geheimnisvollen Fremden ausrichten konnte – der textete nämlich unbeeindruckt weiter.  Um nicht gänzlich in der Rolle des unbeteiligten Zufallsopfers zu verharren, beschloss ich, ein bisschen mitzuspielen in dieser Telefonkonferenz. Als wieder einer dieser plötzlichen Lacher kam, lächelte ich prompt auch …. versuchsweise. Aber der Dampfplauderer hatte dafür keinerlei Antenne. Auch mein betont interessierter Blick, den ich mit wechselnder Kopfhaltung inszenierte,  wurde nicht wahrgenommen – der Mann war einfach in seinem Gedankenaustausch total gefangen. Fast schien es mir auch, als wäre er zuletzt spürbar lauter geworden. Naja... Nachdem ich integrationsmäßig sozusagen abgeblitzt war,  schlüpfte ich nun wieder raus aus meiner Mitspieler-Rolle, zurück in die des zur Diskretion erzogenen Mitteleuropäers, der – verdammt noch mal – im Zug nicht zugetextet werden wollte. Missbilligendes Kopfschütteln, Augen verdrehen, tief und vernehmlich Luft holen, ja, ich spielte alle meine pantomimischen „Ich bin genervt“-Reaktionen durch....  Ohne Wirkung. Aber immerhin verging so die Zugfahrt etwas schneller. Als ich schließlich kurz vor dem Zielbahnhof aufstand, erhob sich auch der junge Mann. Gemeinsam stiegen wir aus.  Gemeinsam gingen wir auch in Richtung Ausgang.  Und was tat er dann: Er redete noch immer!


Anmerkung von eiskimo:

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Kommentare zu diesem Text


 Isaban (11.02.18)
Hallo eiskimo,

die Anmekung würde ich ersatzlos streichen - und das nicht nur, weil ich selbst auch kein Smartphone habe und noch mehrere Personen kennen, die diese Dinger aucxh nicht wirklich als lebensnotwendig ansehen - sie ist einfach überflüssig, hat mit dem Text nur extrem peripher zu tun und wirkt ausgespeochen horstig.

Der Text kann für sich selbst sprechen und schafft das auch ganz gut. Ich reich dir mal die längste Praline der Welt - ist für dich.

LG Isaban

 eiskimo meinte dazu am 11.02.18:
Danke! Für kluge Kommentare mitsamt Schoko-Dressing bin ich immer zu haben. Anmerkung ist gestrichen.
LG Eiskimo

 princess antwortete darauf am 11.02.18:
Und wenn du jetzt noch die Ankündigung "Anmerkung von eiskimo" streichst, dann könnte der Text komplett für sich wirken. Die längsten Pralinen sind mir gerade ausgegangen, aber die runden Köstlichkeiten, in denen viel Spaß steckt, schicke ich dir gerne rüber.

 eiskimo schrieb daraufhin am 11.02.18:
Wie geht das? Ich gehe auf bearbeiten, kann dann aber die entsprechende Zeile gar nicht aufrufen geschweige löschen. Die Pralinen nehme ich trotzdem dankend an
lG Eiskimo

 princess äußerte darauf am 11.02.18:
Gute Frage! Ich habe gerade bei einem meiner Texte mit Anmerkung geguckt, da ist die Anmerkung relativ weit oben (also nicht am Ende des Textes wie hier in der Ansicht) angezeigt. Wahrscheinlich musst du nur den Punkt löschen, der ja hier auch noch sichtbar ist. Falls du es denn willst.

LG princess

 Dieter_Rotmund (11.02.18)
Gerne gelesen, im Text sind aber einige Schlampigkeiten (z.B. fehlende Leerzeichen) und Stilschwächen ("zu dem Sitz"). Könnte auch ingesamt etwas dichter/kürzer sein, finde ich.
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