Chris hat es geschafft. Fester Vertrag bei einem renommierten Maschinenbauer und …. Shanghai. Shanghai ist ein Whirlpool des chinesischen Staatskapitalismus, Business rund um die Uhr, aber air conditioned, Designer-Büro, 45. Stock mit Blick auf gigantische Hafenanlagen und hunderte Containerschiffe.
Chris hat sich längst an dieses quirlige Panorama gewöhnt, an die Meetings mit seinen chinesischen, australischen, malaysischen oder auch vietnamesischen Kollegen, die Lunch-Pause im Spezialitäten-Lokal gegenüber, wo man hofft, einmal mit dem Marketing-Chef oder gar dem CEO für ganz Asien an einen Tisch zu kommen. Eng getaktet sein Tagesablauf, immer auf Empfang das firmeneigene Iphone, das kein Wochenende und keinen Dienstschluss kennt. Asien brummt sieben Tage die Woche, 24 Stunden am Tag.
Chris kriegt diese Verfügbarkeit reichlich belohnt – 15 Tausend Euro könnte er zu Hause in Deutschland nicht verdienen. Ach, zu Hause, im altmodischen Deutschland..... Seine Frau Conny ist inzwischen nachgekommen, nach einem halben Jahr Skype-Leben. Sie hat ihren Beruf als Bankangestellte dran gegeben, hoffte, in Shanghai einen Job zu bekommen im deutschen Kindergarten oder auch als Nachhilfelehrerin– aber es gibt für sie keine Arbeitserlaubnis.
Und was bei Chris hier die berufliche Erfüllung ist, das wird für Conny inzwischen zum Albtraum, jeden Tag mehr. Denn auch mit einem Premium-Gehalt ist Langeweile Langeweile. Langeweile morgens, Langeweile abends. Denn Chris muss reisen, hat Meetings, geht auf Baustellen... und sie, Conny, bleibt wie abgestellt in einem – zugegeben – luxuriösen Appartement in einem neu gebauten Compound weit draußen. Dabei hätte Conny gerne Kinder, würde sich gerne gesellschaftlich engagieren, Kontakte pflegen quer durch alle Schichten und ….ihr Leben gestalten. Aber ohne Chinesisch-Kenntnisse, ohne soziales Netz.....
Natürlich versucht Chris seiner Frau dieses Leben im fremden China erträglich zu machen – manchmal, am Wochenende, wenn nicht doch wieder wichtige Konferenzen,Termine oder einfach nur Ausschlafen anstehen. Er spürt auch, dass es gärt in diesem ihrem Leben. Noch hat es den ganz großen Knall nicht gegeben. Noch versucht Conny auch, das Spiel mitzuspielen. Aber der Entschluss, die Reißleine zu ziehen, reift in ihr unausweichlich heran – ein Tag mit besonders erdrückender Hitze, ein sentimentaler Anruf von zu Hause, Chris, der sich nicht meldet – irgend so etwas könnte das Fass zum Überlaufen bringen. Jederzeit. Der Gedanke hat sich längst eingefressen in ihr ganzes Sein: Wie kommt sie nur weg, raus aus dieser verkehrten Welt?
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