Sklaverei abschaffen

Erörterung zum Thema Gefangen

von  eiskimo

War sie denn nicht längst abgeschafft, die Sklaverei? -  Im Prinzip ja, aber sie hat sich durch die Hintertür in vielerlei Gestalt wieder eingeschlichen.
Manche beginnen den Tag schon mit einem sklavischen Blick auf die Badezimmer-Waage, die Röllchen an ihrem Bauch und die Kalorientabelle in ihrem Kopf.... Seufz!  Die Religion des perfekten Körpers treibt sie unerbittlich.
Andere opfern sich für das allein zu erziehende Kind. Und das quäkt herrisch, will jetzt von Taxi-Mama zur Schule gebracht und dann in vorauseilendem Gehorsam für den heute so lästigen Sportunterricht entschuldigt werden. Das chronisch schlechte Gewissen treibt Mama zu reflexhafter  Unterwerfung....
Und dann gibt es die total Vernetzten: Die Firma hat die Rufbereitschaft im stets verfügbaren Intranet aktiviert; das Smartphone brummt untertänig bei jeder eingehenden Quängel-Mail. Wochenende? Gibt es nicht. Aber wenigstens sitzt die elektronische Fußfessel jetzt  gut zugänglich schon am Handgelenk...
Nicht zu übersehen die Opferbereitschaft Vieler in Puncto Mobilität: Das Armaturenbrett im Auto signalisiert mit einem penetrant-grellen Blinker, dass der Werkstatt-Termin überfällig ist. Fehlende Bremsflüssigkeit, zu geringer Reifendruck, defekte Einparkhilfe und das nicht vollzogene Update der Bordelektronik drohen mit sofortiger Stilllegung des Fahrzeugs. Ach, ja! Einmal pro Woche das volle Programm in der Waschstraße – sonst wäre der Wiederverkaufswert des noblen Fahrzeug hin...
Bleibt das Diktat von Make-Up und angesagtem Dress-Code::  Was? In den Klamotten – total old fashioned,ja, peinlich! - kannst du doch nicht aus dem Haus gehen! Deine Brille, deine Haare, deine Schuhe, überhaupt dein ganzer Spießer-Look...das ist ja zum Fremdschämen!
Ja, die Konventionen engen viele krakenmäßig ein! Die ganze Erziehung lastet auf ihnen mit dem Zwang zu sozialem Aufstieg, zu Kinderglück, dem Häuschen im Grünen, zu satter Wohlanständigkeit.... Schrecklich, immer diese Fremdbestimmung!
Am schlimmsten trifft es dabei jene, die es immer allen recht machen wollen. Ihrer Mama, dem Papa, den Lehrern, ihrem Trainer oder Guru....  Eine Zeitlang ist die Unterwerfung, das Sich Brave Einfügen ja ganz kommod. Aber urplötzlich kommt sie dann, die Erkenntnis, eigentlich ein völlig fremdes, ein falsches Leben zu führen.
(...)
Den nächsten Schritt kann dann nur einer tun, der schon nicht mehr Sklave ist.

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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (02.07.20)
Nett.

 eiskimo meinte dazu am 02.07.20:
Find ich auch!

 Dieter_Rotmund antwortete darauf am 02.07.20:
Nun ja, wieder etwas zu moralisch. Grundsätzlich aber ein interessanter Gedanke. Wie selbstbestimmt ist mein Leben tatsächlich. Da lügen sich viele selbst in die Tasche, und auch ich frage mich manchmal: Muss und will ich das jetzt wirklich machen?

 eiskimo schrieb daraufhin am 02.07.20:
Manchem Diktat unterwirft man sich auch, weil es einem hilft, die Langeweile zu überspielen. Nix zu tun? Dann putz ich halt die Fenster, poliere das Auto, mähe den Rasen...

 AZU20 (02.07.20)
Versuchen sollte man es, aber es wird schwierig. LG

 EkkehartMittelberg (02.07.20)
Man wird zum Spartacus des Alltags, wenn man den Aufstand gegen sich selbst probt.
LG
Ekki

 eiskimo äußerte darauf am 02.07.20:
Schöne Anleihe aus dem Helden-Epos. Aber ein Römer zu sein, das hatte auch einiges für sich...
lG
Eiskimo

Antwort geändert am 02.07.2020 um 11:52 Uhr
Stelzie (55)
(02.07.20)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 eiskimo ergänzte dazu am 02.07.20:
Der Ausbruch beginnt mit dem ersten Ritz am vordersten Gitterstab. Dann hat man nämlich schon gedanklich gewonnen.
Oder um Dein Beispiel zu nehmen: Der Rasen kann bis zur Fensterbank hoch wachsen, wenn es meiner Freiheit dient!
lG
Eiskimo

 DanceWith1Life (02.07.20)
Matrix, für jeden der den Film kennt, reicht das als Kommentar, lustig, kommt jetzt plötzliche Botschaft im Büro, oder ....

Ich bin noch am überlegen, bis kommod stimmig, dann wird es unausgegoren, die vielen kleinen Wehwehchen werden nicht erwähnt, die ein solches Leben mit sich brachte, ganz zu schweigen, von den ständigen Irritationen, das hätte für Notwendigkeit gesorgt, und fehlt dem letzten Absatz ein wenig, meiner Meinung nach.

 eiskimo meinte dazu am 02.07.20:
Ich kenne Matrix nicht. Aber dass ich hinter "kommod", d.h. mit dem letzten Absatz "unausgegoren" bin, da ist was dran. Ich schaue mal, wie ich das ändere.
Danke für Deine Kritik.
Eiskimo

 AchterZwerg (03.07.20)
Lieber Eiskimo,
die Frage nach einem selbstbestimmten Leben stellt sich in der Tat jeden Tag neu.
Und das Problem wird durch den (verständlichen) Wunsch nach einer Nachbesserung der bundesdeutschen Digitalisierung nicht geringer. In mancherlei Hinsicht kommt dies auch einer Art der Unterwerfung gleich - gerade im Zusammenhang mit dem Sabbellumbe ...
Und schon Adorno wusste: "Es gibt kein richtiges Leben im falschen." Gut, dass ich dieses wieder einmal zum Besten geben durfte.

Gruß
der8.

 eiskimo meinte dazu am 03.07.20:
Bis eben schien mir alles klar. Jeder hat lichte Momente im Leben, wo er klar erkennt, dass er die Weichenstellung selber vornehmen muss. Aber Dein Adorno bringt mich zum Grübeln.
Was ist, wenn man einmal auf dem falschen Dampfer sitzt?
fragend grüßt
Eiskimo

 AchterZwerg meinte dazu am 04.07.20:
Adorno & ich möchten deine Frage gern beantworten:
Es gibt keinen falschen Dampfer im falschen Leben.
Also ist der Dampfer richtig und dein Leben falsch.
Logo, nä?

Extrem stolze Grüße :)
der8.
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