bringst Frühling Du die Liebe mit?

Tagebuch zum Thema Aufmerksamkeit

von  Augustus

Dieser Text ist Teil der Serie  Tagebuch
und doch wage ich mich manchmal aus der Passivität heraus, die mein Wesen ist. Ich gehe meinen Weg ohne mich um andere zu bekümmern. Ich war schläfrig im Herzen, wie ein eingerollter Igel und doch will es der Zufall, dass ich auf eine junge Frau aufmerksam gemacht werde. Da ich in den letzten Monaten nur gezeichnet und gelesen habe, so fällt mir das Schreiben viel schwieriger als gewöhnlich, die Gedanken kongruent qualitativ zu den Worten zu halten. Du wirst mir’s verzeihen, dass ich so wenig aufs Detail eingehe, weil ich unruhig bin und Dir bloß eine Skizze darbieten möchte, welche junge Frau mich seit Tagen beschäftigt. Und du wirst über das Lachen und mich lächerlich machen, wie ich Dich kenne, Mephisto. Natürlich ist es ein sonderbares Gefühl einem Eskapismus zu erliegen, wenn dieser einem angenehmen Menschen gilt. Ich fahre so oft Zug, dass mir die Menschen wie Geister vorkommen, sie ziehen an mir vorüber, kurz sichtbar und bald unsichtbar und verschwinden wieder in die Luft wie sie gekommen sind in die Luft.    Diese junge Frau stand mit ihrem Fahrrad am Bahnhof, während ich die Treppenstufen hochging und bald links einbog, wo sie stand. Ich erinnerte mich an sie, wenngleich ich sie nur einmal bisher gesehen hatte. Ich verplemperte meine Zeit die Plakaten zu beschauen und in den sonnigen Himmel zu gucken als der Zug kam. Alle Wartenden stiegen ein, ich auch und setzte mich in den Abteil, wo die Fahrräder sonst abgestellt werden, neben der Toilette, die gewöhnlicherweise übelerregenden Duft verströmt – heute jedoch nicht. Die junge Frau setzte sich auf einen Sitz der Viererstize mir gegenüber. Ich schaute statt sie anzusehen ihr Fahrrad an. Das Fahrrad ist durchaus alt und an ihm wurde nichts ausgetauscht. Weder die Reifen noch die Bremsen noch das Licht. Sie muss gewiss treu und anhänglich sein. Ein Gepäckstück war an der rechten Seite des Hinterrades angebracht. Genug! Der Zug fuhr los und ich schaute die ganze Zeit durchs Fenster hinaus in die vorbeirasenden Gebäude und Wiesen und Bäume. Doch dann geschah es beim Aussteigen! Ich stand auf als meine Haltstelle angesagt wurde und begab mich zur Tür. Dabei blickte ich sie von links an, um ihr Gesicht mir ganz genau anzugucken. Der Zug fuhr nun etwas langsamer – als ihre Augen plötzlich mich ebenso erhaschten – und mir fiel auf und ich werde es nicht vergessen, wie ihre  dunklen braunen Augen im Vorbeifahren im nächsten Augenblick von der Sonne gestreift wurden und das Sonnenlicht in sie einfiel, dass die harte braune Farbe der warmen helle Farbe wich. Ein kurzes Zucken von ihren Mundwinkeln formte sich zu einem Lächeln, das ich in der Faszination der Farbenabstufungen in ihren Augen, vergaß zu erwidern. Diese ihre willkommene herzliche Donation nahm ich gerne entgegen sowohl als auch der Künstler in mir befriedigt wurde, dass die äußere Natur so schön ihre innere Seele preisgab. Seitdem spannen die Gedanken an sie mich fest, wie denn Wanten einen Mast eines Schiffes spannen, das bereit ist aus dem stillen Hafen in neue Abenteuer zu segeln.
Heute sah ich sie erneut. Das gleiche Spiel wieder im Zug. Allein diesmal setzte sie sich rechts neben mich ein paar Sitze weiter. Sie rührte sich nicht und war mehr steif als sie sein sollte. Sie zog ihre Jacke aus und ein weißes T-Shirt kam unten hervor. Während der Zugfahrt schauten wir unsere Spiegelbilder an im Fenster gegenüber, die im Schatten der vorübersausenden Hintergründe aufblitzten.   
Endlich wollte ich glauben, ihre  Augen deutlich nach meinem Spiegelbild ausgerichtet gesehen zu haben! 
Und dann drehte ich mich um  und sah sie so von der Seite an, während sie keinen Mucks von sich gab: und ich wollte wieder glauben, dass ihr Herz höher und schneller in der Brust geschlagen habe als ich mein Blick frech und länger als er sollte an ihr haftete.
Der Zug hielt an und ich stieg vergnügt aus.

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