Der Wunschstein

Kurzgeschichte zum Thema Frieden

von  Buchstabenkrieger

Die Bettleuchte schimmerte, offenbarte Bennys Anstrengung. Er schluckte ein paarmal und sah seinen Vater aus müden Augen an. „Erzählst du mir noch eine Geschichte?“
Peter rückte mit dem Stuhl näher heran und zog die Bettdecke höher. „Nicht, dass du frierst. Hast du noch Schmerzen?“
„Ist besser geworden. Wann … kann ich nach Hause?“
„Schon bald.“
Peter, der eine milde Wärme in seiner Jackentasche verspürte, wechselte einen stummen Blick mit seiner Frau, die mit zitternder Unterlippe neben ihm saß. Dann begann er: „Eines Nachts, vor vielen, vielen Jahren, wurde ein kleiner Junge plötzlich wach. Verstohlen lugte er hinter dem Vorhang aus dem Fenster, glaubte zuerst, es finge wieder an. Die Flieger. Die Bomben. Doch was er sah, war etwas kleines Helles, das vom Himmel fiel und mitten im Feld landete. Der Junge erinnerte sich, dass man bei Sternschnuppen einen Wunsch frei hatte. Er zog seinen Morgenmantel an und schlich über den Flur. Vor dem Elternschlafzimmer blieb der Junge stehen und blickte noch einmal durch den Türspalt. Seine Mama war wieder erschöpft auf einem Stuhl eingeschlafen. Vor dem Bett seines schwachen Vaters, der nach Jahren aus der Ferne heimgekehrt war.“
Peter blinzelte eine Träne fort und streichelte Benny über die blasse Wange. „Auf dem verdorrten Acker fand der Junge eine Kuhle, aus der es qualmte. Aufgeregt schob er verbrannte Erde beiseite. Der glitzernde Stein war so heiß wie eine gekochte Kartoffel. Kurz schaute sich der Junge um und packte seinen Fund in ein Taschentuch. In seinem Zimmer wickelte er den Stein behutsam aus. Der Junge wunderte sich, keine Hitze zu spüren. Er nahm den Stein in die Hand, schloss die Augen und wiederholte leise seinen Wunsch. Der Stein wurde kälter, funkelte nur noch matt.“
Peter schluckte. Bloß das Summen der Apparate durchbrach die Stille. Die Wärme an seiner Brust wurde intensiver.
Prüfend steckte er seine Hand in die Jackentasche, schaute auf die Wanduhr, dann auf seine Armbanduhr und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Vornübergebeugt saß er da, die Hände ineinander verkrampft. Langsamer als zuvor sprach er weiter. „Der Junge steckte den Stein in eine Blechdose, in der er sonst Murmeln aufbewahrte, und verbarg sie im Schrank. Am nächsten Morgen holte er den Stein heraus. Er war kalt und dunkel.“
Peter trocknete sich die Hände an der Hose ab, nahm die Flasche und ließ Benny am Strohhalm saugen. Statt des
Mundes war nur ein dunkler Strich auszumachen. „Genau ein Jahr nach dem Fund wurde der Junge durch ein grelles Licht wach, das durch die Schranktür funkelte. Der Stein glitzerte und wurde in seiner Hand immer wärmer. Als er für einen Moment so hell wie in der ersten Nacht war, wiederholte der Junge den Wunsch. Und so geschah es Jahr für Jahr. Seiner Mutter verschwieg er alles.“
„Was … hat er sich gewünscht, Papa?“
„Das, was viele seit Jahrzehnten für selbstverständlich halten.“
Ein Lächeln umspielte Bennys Gesicht.
Heimlich holte Peter etwas aus der Jackentasche, hielt es versteckt in der Hand und schaute wieder auf die Uhr. „Kurz bevor der Junge im hohen Alter verstarb, weihte er seinen Sohn in das Geheimnis ein und übergab ihm die Dose.“
Peter verlagerte das Gewicht von einem Bein auf das andere und fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen. „Sein Sohn musste schwören, weiterhin den einen Wunsch …“
Plötzlich tönten die Apparate lauter. Die Lämpchen leuchteten eines nach dem anderen auf.
„Papa …“ Bennys Hände erschlafften. Seine Augen fielen zu.
Peters Blut hämmerte durch die Adern. Er sprang auf und öffnete den Deckel der Dose. Im Zimmer wurde es hell.
Peter blinzelte; dann verengten sich seine Augen. Mit schmerzverzerrtem Gesicht starrte er den heißen Stein an und nahm ihn in die Hand. Peter holte tief Luft, schlug ein Kreuz und drehte sich um.
Seine Frau schüttelte den Kopf.

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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (05.08.19)
Das ist mir persönlich zu kitschig, sorry.

 Buchstabenkrieger meinte dazu am 05.08.19:
Hallo Dieter_Rotmund,

danke fürs lesen und deine Meinung.

Das ist mir persönlich zu kitschig, sorry.

... und dabei habe ich den Text schon mehrmals durch die Entkitschungsmaschine laufen lassen ...

LG, Buchstabenkrieger

 LottaManguetti (05.08.19)
Ein klein wenig habe ich Schwierigkeiten, dem Zusammenhang im Text zu folgen. Vielleicht liegt das an einigen umständlichen Passagen bzw. fehlenden Erklärungen (kurze reichten).

Am Ende
"Im Zimmer würde es hell"?
Wurde?
"Peter ... und drehte sich letztmalig um"
Letztmalig? Er ging. Oder?

Das sind beispielsweise Dinge, die es mir erschweren, dem Faden in der Geschichte zu folgen.

Aber sonst: Gut!

Lotta

Kommentar geändert am 05.08.2019 um 10:13 Uhr

 Buchstabenkrieger antwortete darauf am 05.08.19:
Hallo LottaManguetti,

danke für deine Zeit und deinen Kommentar.

"würde" war ein Schreibfehler. Ist nun auf "wurde" geändert.

"letztmalig" sollte bedeuten, dass er sich zum letzen Mal umdreht, bevor er mit dem Stein hantiert. Ist nun gestrichen; geht auch ohne.

Danke auch für die Empfehlung.

LG, Buchstabenkrieger
Stelzie (55)
(05.08.19)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Buchstabenkrieger schrieb daraufhin am 05.08.19:
Hallo Stelzie,

freut mich sehr, dass dir die Geschichte gefallen hat .

Vielen Dank für deinen Kommentar und die Empfehlung.

LG, Buchstabenkrieger

 Isaban (07.08.19)
Hallo Buchstabenkrieger,

die Zusammenhänge müssten hier (insbesondere am Schluss) für den (natürlich außenstehenden) Leser (dem die Geschichte, die in deinem Kopf entstand, nicht so selbstverständlich ist, wie dir) etwas deutlicher dargestellt werden. Falls Peter sich jedes Jahr Frieden wünschte, so wird das leider nur beim gewählten Thema sichtbar. Der Text sollte für sich sprechen, was er aber nach den "lauten Apparaten" noch nicht so ganz schafft.

LG, Isaban

 Buchstabenkrieger äußerte darauf am 07.08.19:
Hallo Isaban,

Falls Peter sich jedes Jahr Frieden wünschte, so wird das leider nur beim gewählten Thema sichtbar.
Peter hat sich bisher jedes Jahr, wenn der Stein "aktiv" wurde, Frieden gewünscht.
Nun, wo seinem Sohn das letzte Stündchen schlägt, muss er sich allerdings entscheiden, ob das Leben seines Sohns wichtiger ist als Frieden.
So meine Intention.

Ich denke über deinen Hinweis nach und melde mich nochmal.

Vielen Dank und
LG, Buchstabenkrieger

 Isaban ergänzte dazu am 08.08.19:
Deine Intention war mir (durch das gewählte Thema) schon klar, lieber Buchstabenkrieger, nur schafft der Text es (ohne das externe Hilfsmittel des unterhalb des Titels lesbaren gewählten Themas) noch nicht so ganz, das auch für Außenstehende gut rüberzubringen.

LG, Isaban

 Buchstabenkrieger meinte dazu am 08.08.19:
Liebe Isaban,

danke für deine erneute Rückmeldung.

Okay, verstehe, dass in deinen Augen das Thema "Frieden" wohl nicht so deutlich wird. Es ist zwar eines der Schlagworte, aber kommt explizit nicht im Text vor.
Einen kleinen Hinweis gibt lediglich die Aussage "„Das, was viele seit Jahrzehnten für selbstverständlich halten.“ Soweit der Textinhalt.

Nun ist es aber so, dass der Text für eine Veranstaltung zum Thema Frieden geschrieben und dort auch vorgetragen wurde. Das wird der Grund sein, dass ich den Frieden nicht noch mal herausgestellt habe. Hm, ... was nun?, frage ich mich.

Momentan bin ich ein wenig ratlos, wie ich aus diesem Schlamassel herauskomme. Ist es überhaupt ein Schlamassel oder wäre es nur Feinschliff?Immerhin ist hier bei KV das Thema geschlagwortet und beim Vorlesen sowieso bekannt (gewesen).

Ich werde noch einige Zeit grübeln. Danke für deine Denkanstöße,

LG, Buchstabenkrieger
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