Wieso ließ Gott es zu, dass Kain seinen Bruder Abel tötete?

Essay zum Thema Schuld

von  Bluebird

Und der HERR sah gnädig an Abel und sein Opfer, 5 aber Kain und sein Opfer sah er nicht gnädig an. Da ergrimmte Kain sehr und senkte finster seinen Blick. 6 Da sprach der HERR zu Kain: Warum ergrimmst du? Und warum senkst du deinen Blick? 7 Ist's nicht so: Wenn du fromm bist, so kannst du frei den Blick erheben. Bist du aber nicht fromm, so lauert die Sünde vor der Tür, und nach dir hat sie Verlangen; du aber herrsche über sie. 8 Da sprach Kain zu seinem Bruder Abel: Lass uns aufs Feld gehen! Und es begab sich, als sie auf dem Felde waren, erhob sich Kain wider seinen Bruder Abel und schlug ihn tot. (1. Mose 4)

Wenn man der Bibel Glauben schenken möchte, so erkannte Gott ganz offensichtlich die Mordgedanken Kains, ließ es aber bei einer Warnung bewenden. Was natürlich die Frage aufwirft: Wieso hat ER es nicht verhindert? Zumal Abel ja anscheinend auch ein Gott wohlgefälliges Leben führte!
    Wird uns an dieser Geschichte - die ja direkt nach den Schöpfungsberichten und nach dem Sündenfall kommt - vielleicht demonstriert, welch großem Raum a) dem freien Willen eingeräumt wird und b) wie wir ihn auch zum Bösen hin missbrauchen können, aber es eigentlich nicht soll(t)en?
    Wird hier in diesem Extrembeginn uns nicht quasi vor Augen geführt, dass ein Leben jenseits von Eden auch Mord- und Totschlag bedeuten kann? Aber das Gott dennoch auch den Menschen - bei aller Gewährung eines freien Willens - nicht ferne ist? Sieht was sie planen und tun?

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Frühere bzw. ältere Kommentare zu diesem Text


 Graeculus (15.01.20)
Wie frei ist der menschliche Wille, wenn Gott schon weiß, wie wir entscheiden werden?
Wenn wir wirklich einen freien Willen haben, dann ist Gott nicht allwissend.

 Graeculus meinte dazu am 15.01.20:
Gerne läse ich von Dir einmal etwas über die Noah-Geschichte: Gott bringt alle Tiere - mit Ausnahme der Wassertiere - um, weil die Menschen so viele Sünden begangen haben.

Gut, wenn man ein Kabeljau, schlecht, wenn man ein Eichhörnchen ist!

Das Thema wäre dann wohl: Gottes Gerechtigkeit.

Antwort geändert am 15.01.2020 um 17:13 Uhr

 Bluebird antwortete darauf am 15.01.20:
Diese "Logik" hat mir noch nie eingeleuchtet ... warum sollte Gott nicht gleichzeitig wissen , wie sich alles entwickeln wird, aber dennoch unvoreingenommen und gegenwärtig auf unserere freie Entscheidung reagieren, so als hätte Er es nicht gewusst ... wir Menschen können das eigentlich nicht, aber für Gott sollte das doch eigentlich kein Problem sein, oder?

 Graeculus schrieb daraufhin am 15.01.20:
Nun, ein freier Wille, so seine Definition, ist undeterminiert und damit unvorhersehbar. Das setzt der Allwissenheit, die ja in der Kenntnis aller Determinanten besteht, eine Grenze.

Dennoch gefällt mir die Idee gut - sie ist praktisch.
Sollte ich einmal vor Gericht stehen, weil ich von einem Mordplan gewußt und nichts unternommen habe (das Strafgesetzbuch äußert sich sehr eindeutig zum Thema Mitwisserschaft), dann werde ich einfach sagen: Ich hatte großen Respekt vor dem freien Willen des Menschen.

Auch für die Polizei, die sich so große Mühe gibt, Telephone & E-Mails & Internet-Chats zu überwachen, um Verbrechenspläne aufzudecken und zu verhindern, wäre es eine große Arbeitserleichterung: nichts tun, den freien Willen achten.

 Bluebird äußerte darauf am 15.01.20:
Sorry, aber ich glaube, dass du hier etwas ganz Wesentliches missverstehst: "Gott kann und sollte man nicht mit menschlichen Maßstäben zu verstehen und zu beurteilen versuchen!"

Wir mit unserem limitierten "Spatzenhirn" sollten die Dimensionen göttlichen Seins und Handelns begreifen können? Das ist absurd! Schau dir einfach nur mal die Dimensionen des Weltalls an. Und wir sollen den beurteilen können, der das alles geschaffen hat?
Wir haben ganz offensichtlich einen freien Willen, uns für Gutes oder Böses entscheiden zu können ... wie frei der wirklich ist, welche Faktoren da alle mit hineinspielen, bleibt irgendwo eine offene Frage ... ( aus "Schuld und Sühne"):
Plötzlich wird im klar, wie weit sein Mordplan in ihm schon herangereift ist: »Nach der betreffenden Sache!« rief er und sprang von der Bank auf. »Aber wird die denn stattfinden? Wird sie wirklich stattfinden?«

Ziellos läuft er durch Petersburg, trinkt einen Branntwein und legt sich in ein Gebüsch schlafen. Er träumt in erschreckender Deutlichkeit, wie ein Kutscherpferd mutwillig zu Tode gebracht wird .... überall Blut. Als er aufwacht, wird ihm in völliger Klarheit bewusst, dass seine Skrupel zu groß sind: Nein, ich werde es nicht aushalten, ich werde es nicht aushalten! Und wenn auch in all diesen Berechnungen kein einziger zweifelhafter Punkt ist; und wenn auch alles, was ich mir in diesem Monate zurechtgelegt habe, klar wie der Tag und richtig wie das Einmaleins ist. O Gott! Ich werde mich ja doch nicht dazu entschließen! Ich werde es nicht aushalten können, nein! . . . Warum . . . warum habe ich nur bis jetzt . . .« ...
Er fühlte, daß er diese schreckliche Last, die ihn so lange bedrückt hatte, nunmehr abgeworfen habe, und es wurde ihm auf einmal leicht und friedlich ums Herz. ›O Gott‹ betete er, ›zeige mir meinen Weg, und ich entsage diesem unseligen Plane!‹

Noch einmal schien ihn eine gute Macht an sein Gewissen appelliert zu haben, ihm zuzurufen: "Kehr um!" Aber so schnell läßt der Teufel einen nicht vom Haken. Anstatt nun auf direktem Wege nach Hause zu gehen, nimmt er - aus einer Laune heraus - einen Umweg über den Heumarkt, wo er plötzlich die jüngere Schwester der Pfandleiherin in einem Gespräch mit einem Händler sieht. Er bekommt mit, wie sie sich mit ihm für den kommenden Abend um 19 Uhr verabredete. Sein anfängliches Staunen ging allmählich in Schrecken über, und Kälte lief ihm über den Rücken. Er hatte erfahren, plötzlich und ganz unerwartet erfahren, daß morgen, genau um sieben Uhr abends, Lisaweta, die Schwester der Alten und deren einzige Wohnungsgenossin, nicht zu Hause sein werde und daß also die Alte genau um sieben Uhr abends allein zu Hause war.

Bis zu seiner Wohnung hatte er nur noch wenige Schritte zu gehen. Er kam nach Hause wie ein zum Tode Verurteilter. Er überlegte nichts und war auch völlig außerstande, etwas zu überlegen; aber in seinem ganzen innersten Wesen fühlte er plötzlich, daß er jetzt keine Freiheit der Überlegung, keinen eigenen Willen mehr besitze und daß auf einmal alles endgültig entschieden sei.

 Graeculus ergänzte dazu am 15.01.20:
Immer wenn es logisch heikel wird, sagen Gläubige etwas wie "Gottes Wege sind unerforschlich".
Spricht etwas für Gott, dann wird die Logik gerne in Anspruch genommen; spricht etwas dagegen, dann sind Gottes Wege eben unerforschlich, und die Logik wird verabschiedet.
Noch drastischer ein Kirchenvater: Credo quia absurdum. - Ich glaube, weil es absurd ist.

"Man merkt die Absicht und ist verstimmt."
Die Logik ist keine Hure. Vornehmer: keine Dienstmagd der Theologie.

Und einen freien Willen haben wir nicht "ganz offensichtlich", sondern die Sache ist sehr umstritten. Was umstritten ist, kann nicht ganz offensichtlich sein. Auch das ist Logik.

 Bluebird meinte dazu am 15.01.20:
Machen wir es doch mal ganz praktisch ... es klingelt an deiner Türe:. Hast du die (grundsätzliche) Entscheidungsfreiheit sie zu öffnen oder geschlossen zu halten?

 Graeculus meinte dazu am 15.01.20:
Es geht mir nicht darum, ob ich an Willensfreiheit glaube oder ob Du daran glaubst, sondern darum, daß Du behauptet hast, es sei ganz offensichtlich, daß wir einen freien Willen besäßen. Das ist es, was ich bestreite. Und das kann ich begründen, indem ich 'Gegner' des freien Willens - von Arthur Schopenhauer bis Wolf Singer - benenne und Dich darauf hinweise, daß schon Kant das Problem für extrem schwierig gehalten hat und ein philosophisches Standardwerk zum Thema (Peter Bieri: Ellbogenfreiheit) zu einem sehr differenzierten und vorsichtigen Urteil gelangt.
Es wäre außerdem günstig, die Fragestellung so zu präzisieren, wie Schopenhauer ("Über die Freiheit des Willens") es getan hat, nämlich zu unterscheiden zwischen der Frage, ob wir tun können, was wir wollen (Handlungsfreiheit), und der Frage, ob wir wollen können, was wir wollen (Entscheidungsfreiheit).

Eigentlich wird aber die Behauptung, wir hätten offensichtlich einen freien Willen, schon durch das folgende - Entschuldigung: längere - Zitat von Schopenhauer widerlegt - und zwar ganz unabhängig davon, ob er mit seiner Argumentation recht hat oder nicht, denn das ist eben nicht offensichtlich.
[Wir] wollen uns einen Menschen denken, der, etwan auf der Gasse stehend, zu sich sagte: „Es ist 6 Uhr Abends, die Tagesarbeit ist beendigt. Ich kann jetzt einen Spatziergang machen; oder ich kann in den Klub gehn; ich kann auch auf den Thurm steigen, die Sonne untergehn zu sehn; ich kann auch ins Theater gehn; ich kann auch diesen, oder aber jenen Freund besuchen; ja, ich kann auch zum Thor hinauslaufen, in die weite Welt, und nie wiederkommen. Das Alles steht allein bei mir, ich habe völlige Freiheit dazu; thue jedoch davon jetzt nichts, sondern gehe eben so freiwillig nach Hause, zu meiner Frau.“ Das ist gerade so, als wenn das Wasser spräche: „Ich kann hohe Wellen schlagen (ja! nämlich im Meer und Sturm), ich kann reißend hinabeilen (ja! nämlich im Bette des Strohms), ich kann schäumend und sprudelnd hinabstürzen (ja! nämlich im Wasserfall), ich kann frei als Strahl in die Luft steigen (ja! nämlich im Springbrunnen), ich kann endlich gar verkochen und verschwinden (ja! bei 80° Wärme ); thue jedoch von dem Allen jetzt nichts, sondern bleibe freiwillig, ruhig und klar im spiegelnden Teiche.“ Wie das Wasser jenes Alles nur dann kann, wann die bestimmenden Ursachen zum Einen oder zum Andern eintreten; eben so kann jener Mensch was er zu können wähnt, nicht anders, als unter der selben Bedingung. Bis die Ursachen eintreten, ist es ihm unmöglich: dann aber muß er es, so gut wie das Wasser, sobald es in die entsprechenden Umstände versetzt ist. [...]
Ich kann thun was ich will: ich kann, wenn ich will, Alles was ich habe den Armen geben und dadurch selbst einer werden, - wenn ich will! - Aber ich vermag nicht, es zu wollen; weil die entgegenstehenden Motive viel zu viel Gewalt über mich haben, als daß ich es könnte. Hingegen wenn ich einen andern Charakter hätte, und zwar in dem Maaße, daß ich ein Heiliger wäre, dann würde ich es wollen können; dann aber würde ich auch nicht umhin können, es zu wollen, würde es also thun müssen. [...]
Es ist durchaus weder Metapher noch Hyperbel, sondern ganz trockene und buchstäbliche Wahrheit, daß, so wenig eine Kugel auf dem Billiard in Bewegung gerathen kann, ehe sie einen Stoß erhält, eben so wenig ein Mensch von seinem Stuhle aufstehn kann, ehe ein Motiv ihn weg zieht oder treibt: dann aber ist sein Aufstehn so nothwendig und unausbleiblich, wie das Rollen der Kugel nach dem Stoß. Und zu erwarten, daß Einer etwas thue, wozu ihn durchaus kein Interesse auffordert, ist wie erwarten, daß ein Stück Holz sich zu mir bewege, ohne einen Strick, der es zöge. Wer etwan dergleichen behauptend, in einer Gesellschaft hartnäckigen Widerspruch erführe, würde am kürzesten aus der Sache kommen, wenn er, durch einen Dritten, plötzlich mit lauter und ernster Stimme rufen ließe: „Das Gebälk stürzt ein!“ wodurch die Widersprecher zu der Einsicht gelangen würden, daß ein Motiv eben so mächtig ist, die Leute zum Hause hinaus zu werfen, wie die handfeste mechanische Ursache.

 Graeculus meinte dazu am 15.01.20:
Übrigens, aber nur am Rande: Schopenhauer beantwortet auch Deine Frage. Du kannst die Tür öffnen, wenn Du das willst, Du kannst auch das Läuten ignorieren, wenn Du das willst, aber Du kannst nicht wählen, ob Du dies willst oder jenes. Das hängt von Deinem Charakter, Deiner Stimmung und anderen Umständen ab, wie z.B. dem, ob Du gerade mit Deiner Geliebten ein sehr heikles Telephonat über Eure Beziehung führst, oder dem, ob Du gerade krank im Bett liegst.

Und ob das so stimmt, das ist das Problem der Willensfreiheit - und seine Lösung ist nun wirklich alles andere als offensichtlich.

 AchterZwerg (15.01.20)
Mir zeigt dieser erste Mord vor allem den scharfen Übergang vom Menschen-/Tieropfer zu einer sittlich verträglicheren Form der Opfergabe an.

Mit freundlichen Grüßen
der8.

 Graeculus meinte dazu am 15.01.20:
Das war dann bei Abraham und Isaak - ein tolles Ding, übrigens.
God said to Abraham, "kill me a son!"
Abe said, "Man, you must puttin' me on."
(Mann, du verarschst mich ja wohl!)

 AchterZwerg meinte dazu am 15.01.20:
:)
Aber trotzdem wagte es der (1. Ackerbauer) Kain zum ersten Mal dem alleinigen Gott die Früchte des Feldes darzubieten, indes der Nomade Abel ein Lamm opferte.
Dass der Gott Blut sehen wollte, ändert ja nix daran, dass eine (große!) Veränderung eingetreten war.

Gruß
der8.

 Graeculus meinte dazu am 15.01.20:
"dem alleinigen Gott"? Seinem Gott.
Die jüdische Religion war - etwa bis zum babylonischen Exil - nicht monotheistisch, sondern monolatristisch, d.h. sie hat die Existenz anderer Götter nicht geleugnet, aber darauf bestanden, daß das jüdische Volk nur einem Gott dienen dürfe - seinem Gott. Die anderen Völker hatten eben andere Götter.
Daran kann man erkennen, daß das Buch Genesis zu den späteren, vielleicht sogar den spätesten Büchern des AT gehört.
Die redaktionelle, kanonische Ausgestaltung in Thora und Tanach ist dann noch späteren Datums.

(Aber das ist, merke ich gerade, hier gar nicht so wichtig.)

 AchterZwerg meinte dazu am 16.01.20:
Ethnologen "deuten" einige Dinge anders als Gläubige. Und anders als du.
Aber das ist hier in der Tat nicht so wichtig.
Cora (29)
(15.01.20)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Graeculus meinte dazu am 15.01.20:
Wenn Gott von mir ein bestimmtes Verhalten verlangt, mir aber gleichzeitig einen freien Willen gegeben hat, dann muß er mir seinen Wunsch/Befehl schon - wohl oder übel - begründen; sonst tue ich das nicht.
Falls er mir dafür wegen Gottesmißachtung mit Strafe droht, dann antworte ich: "Aha. So viel zum Thema freier Wille!"

Oder neigst Du zu blindem Gehorsam, sobald nur jemand sagt: "He! Ich bin ein höheres Wesen!"

Antwort geändert am 15.01.2020 um 23:11 Uhr

 Graeculus meinte dazu am 15.01.20:
Nachtrag: Jemand, der Menschen mit Strafe und/oder Belohnung winkt, zeigt damit, daß er von keinem freien Willen ausgeht, denn er versucht, eine Determinante bzw. ein Motiv zu setzen - stärker als die Lust auf das Böse.
Und die von Gott gesetzte Determinante - ewige Hölle oder ewiger Himmel - ist ja die stärkste überhaupt mögliche ... jedenfalls für den, der das glaubt ... was wiederum von anderen Determinanten abhängt.
Cora (29) meinte dazu am 15.01.20:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Graeculus meinte dazu am 16.01.20:
1. Was den Aspekt der Belohnung und Bestrafung angeht, so empfehle ich einen Blick in die Bibel - den Bezugspunkt von Bluebird, über dessen Text bzw. Gedanken wir hier ja reden, oder?

2. Die Gebote Gottes finden ihre Begründung in den Beziehungen zw. den Menschen und zur Natur. Aha. Kannst Du mir das mal anhand des 1. Gebotes erläutern?
Nicht sei dir andere Gottheit mir ins Angesicht.
Nicht mache dir Schnitzgebild, und alle Gestalt, die im Himmel oben, die auf Erden unten, die im Wasser unter der Erde ist, neige dich ihnen nicht, diene ihnen nicht, denn ICH dein Gott bin ein eifersüchtiger Gottherr, zuordnend Fehler von Vätern ihnen an Söhnen, am dritten und vierten Glied, denen die mich hassen, aber Huld tuend ins tausendste denen die mich lieben, denen die meine Gebote wahren.
Bei dieser Gelegenheit könntest Du auch auf den Aspekt von Belohnung und Bestrafung näher eingehen.

3. Die Denkfigur des sich hypothetisch auf etwas Einlassens (Gedankenexperiment: Was wäre, wenn ...?) erscheint Dir unlogisch? Dann kannst Du natürlich einen großen Teil der Literatur und Philosophie in die Tonne stecken.
Für mich gilt: Selbstverständlich darf ich mir als Atheist vorstellen, was wäre, wenn es Gott gäbe. Daran, so stelle ich fest, wäre allerlei unlogisch.
Cora (29) meinte dazu am 16.01.20:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Graeculus meinte dazu am 16.01.20:
Du stellst die Behauptung auf, der Sinn religiöser Gebote bestehe in der Regulierung des Verhältnisses Mensch - Mensch sowie Mensch - Natur. Ich frage, wie zu diesem Konzept das 1. (immerhin das 1.!) Gebot paßt, wo ja - wie überhaupt in den drei ersten Geboten - von dem Verhältnis Mensch - Gott die Rede ist. Du verweigerst mir, einem Atheisten, die Antwort.
Eine bemerkenswerte Art der Gesprächsführung.
So kann man sicht gut gegen Kritik immunisieren.
Cora (29) meinte dazu am 16.01.20:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.
Serafina (36)
(16.01.20)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Graeculus meinte dazu am 16.01.20:
Du übergehst dabei mein Problem: Es besteht darin, daß es ein allwissendes Wesen ist, das uns die Freiheit der Wahl läßt. Deshalb meine Analogie zum Strafgesetzbuch, das die Mitwisserschaft (ohne etwas gegen den Plan zur Tat unternommen zu haben) für strafbar erklärt.
Wieso ist Gott da seiner Verantwortung enthoben?
Serafina (36) meinte dazu am 16.01.20:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Graeculus meinte dazu am 16.01.20:
Das nimmt Gott die Allwissenheit. Und es paßt nicht zu dem, was Bluebird geschrieben hat und worauf sich meine Gedanken beziehen:
Wenn man der Bibel Glauben schenken möchte, so erkannte Gott ganz offensichtlich die Mordgedanken Kains, ließ es aber bei einer Warnung bewenden.
Cora (29) meinte dazu am 16.01.20:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.
Serafina (36) meinte dazu am 16.01.20:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.
Serafina (36) meinte dazu am 16.01.20:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Graeculus meinte dazu am 16.01.20:
Gespannt bin ich, ob Bluebird sich zu solchen Annahmen über Gott äußern wird, und wenn ja, wie.
Biblisch ist das nicht.
Jüdisch-biblisch (also auf Thora und Tanach bezogen) ist hingegen, daß G"tt (Name nicht auszusprechen!) gute und böse Eigenschaften hat. Das finde ich in den Texten gut wieder.

 Graeculus meinte dazu am 16.01.20:
Ich möchte Dich, Cora, noch auf das Verfahren des sog. indirekten Beweises aufmerksam machen.

Ein indirekter Beweis geht folgendermaßen vor:

- These: X existiert nicht.
- indirekter Beweis: Nehmen wir an, daß X existiert. Dann ergeben sich logische Unmöglichkeiten.
- Schlußfolgerung: Also existiert X nicht. q.e.d.

Dieses Beweisverfahren wird allgemein akzeptiert und findet z.B. in der Mathematik häufig Verwendung. Beispiel: Die Menge der natürlichen Zahlen ist unendlich. Dafür wird angenommen, daß sie endlich sei, dies aber zu Widersprüchen führt.

Dann wundert es Dich vielleicht weniger, wenn ich als Atheist innerhalb einer Argumentation von der Existenz Gottes ausgehe.
Cora (29) meinte dazu am 16.01.20:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Graeculus meinte dazu am 16.01.20:
Zum 'freien Willen': Ich stelle einmal die Summary des Berichts über das berühmte Libet-Experiment aus dem Jahre 1983 ein:
TIME OF CONSCIOUS INTENTION TO ACT
IN RELATION TO ONSET OF CEREBRAL
ACTIVITY (READINESS-POTENTIAL)

(Brain [1983], 106)

SUMMARY

The recordable cerebral activity (readiness-potential, RP) that precedes a freely voluntary, fully endogenous motor act was directly compared with the reportable time (W) for appearance of the subjective experience of ‘wanting’ or intending to act. The onset of cerebral activity clearly preceded by at least several hundred milliseconds the reported time of conscious intention to act. This relationship held even for those series (with ‘type II’ RPs) in which subjects reported that all of the 40 self-initiated movements in the series appeared ‘spontaneously’ and capriciously.
Data were obtained in at least 6 different experimental sessions with each of 5 subjects. In series with type II RPs, onset of the main negative shift in each RP preceded the corresponding mean W value by an average of about 350 ms, and by a minimum of about 150 ms. In series with type I RPs, in which an experience of preplanning occurred in some of the 40 self-initiated acts, onset of RP preceded W by an average of about 800 ms (or by 500 ms, taking onset of RP at 90 per cent of its area).
Reports of W time depended upon the subject’s recall of the spatial ‘clock-position’ of a revolving spot at the time of his initial awareness of wanting or intending to move. Two different modes of recall produced similar values. Subjects distinguished awareness of wanting to move (W) from awareness of actually moving (M). W times were consistently and substantially negative to, in advance of, mean times reported for M and also those for S, the sensation elicited by a task-related skin stimulus delivered at irregular times that were unknown to the subject.
It is concluded that cerebral initiation of a spontaneous, freely voluntary act can begin unconsciously, that is, before there is any (at least recallable) subjective awareness that a ‘decision’ to act has already been initiated cerebrally. This introduces certain constraints on the potentiality for conscious initiation and control of voluntary acts.
Beachte: Die Ausführung der Handlung durch Einleitung des Readiness Potentials beginnt durchschnittlich 350 ms bevor die VP ihre bewußte 'freie Entscheidung' trifft.
Soll man jetzt annehmen, daß die Wirkung zeitlich vor der Ursache liegt? Nein, das Bewußtsein (das Gefühl), jetzt frei zu entscheiden, kann nicht die Ursache der Handlung sein.
Der experimentelle Befund spricht dafür, daß das Gefühl, sich frei zu entscheiden, die Folge eines (350 ms zuvor beginnenden) Ereignisses im Gehirn ist. Bewußtsein ist ein Epiphänomen - wie der Schatten eines Körpers, der sich einbildet, den Körper zu bewegen.
Die meisten Steuerungsvorgänge im Gehirn werden übrigens überhaupt nicht bewußt.

Antwort geändert am 16.01.2020 um 15:50 Uhr
Serafina (36) meinte dazu am 16.01.20:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.
Cora (29) meinte dazu am 16.01.20:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.
Serafina (36) meinte dazu am 16.01.20:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 princess (19.01.20)
Wenn es Gott gibt, wie willst du sein vermeintliches Handeln dann mit deinen menschlichen Möglichkeiten beurteilen?

LG p.

 Dieter Wal meinte dazu am 20.01.20:
@princess: Die in meinen Augen mit Abstand beste Antwort auf diese Frage gibt die sog. "Negative Theologie". Kurz gesagt ist nach ihr Gott grundsätzlich völlig anders, als ihn/sie/es sich sämtliche Menschen jemals vorstellten, erfahren und erfahren werden.

Nichtsdestotrotz halte ich Versuche, sich dem absoluten Sein an sich anzunähern, sei es imaginär, erweise es sich als wirklich erschreckend lebendig, für absolut sinnvoll.

Eine Möglichkeit, unsere rätselhafte Existenz tiefer zu ergründen.

Antwort geändert am 20.01.2020 um 23:30 Uhr

 Dieter Wal (19.01.20)
Klassische "Gutes Kind"-"Böses Kind"-Bruder-Vater-Geschichte. Ähnlich monumental bloß noch im altägyptischen Set-Osiris-Mythos.

Die Rollenverteilung ist hier weniger eindeutig gut oder böse wie bei Set und Osiris. Der Bruder Windhauch (Awäl) ist so lieb wie opferwillig und -fähig, ein völlig mustergültiger Sohn und Zaddik.

Doch wie alle Zaddikim, die leiden müssen, ist er dazu berufen, durch seinen eigenen Bruder Kain geopfert zu werden. Oder heimtückisch ermordet. Kain mordet aus Liebe zu El. Er fühlt sich durch El missachtet. Dabei waren seine Opfergaben nicht geringer als Awäls. Die Geschichte von Abraham und Jitzaks Opferung grüßt von Fern. Und weil Kain aus Liebe sein eigenes Blut, seinen Bruder hinstreckte, schützt ihn El durch sein Zeichen. Niemand darf ihn töten. Er wird durch Els Mal geheiligt.

Eine düstere Geschichte von Eifer, Mord und Heil im Unheil.

Kommentar geändert am 19.01.2020 um 11:15 Uhr
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram