Street fighting man

Kurzgeschichte zum Thema Erinnerung

von  Hartmut

„Man kann doch nicht einfach eine Tür mit einer Kette verschließen“, waren die  Worte des Prof. in Maschinenelemente, als er vor dem Eingang zum Audimax stand und nicht zu seiner Vorlesung hinein kam, genauso wie der junge Maschinenbaustudent. Das Hörsaalgebäude war menschenleer, dafür ging es in der  Aula im Hauptgebäude hoch her. Ho Ho Chi Minh, Ho Ho Chi  Minh Rufe schlugen ihm entgegen, ein Redner mit lange blonden Haaren versuchte  vergeblich sich verständlich zu machen, bis  auch er den Namen des Revolutionärs in diesem hohen Haus hinaus posaunte. „Wir sollten“ war zuletzt seine Forderung , „spontan auf die Straße gehen, um die Forderungen des Vietnamesischen Volkes zu unterstützen!“ Das taten sie , der Chronist mit ihnen  - aus Neugier.
Der 2.Juni 1967
war ein Freitag. Er wurde  zu einem Geburtstag  eingeladen, eine keine Mansardenwohnung in einem nicht so „vornehmen“ Viertel. So gegen Mitternacht nahm der Gastgeber seine Gitarre, ein paar  Akkorde ertönten,  ein Joint machte die Runde -  ein Duft, den man nicht vergisst. 
Dann  sang er leise: 
I once had a girl
Or should I say she once had me
She showed me her room
Isn’t it good Norwegian wood?

She asked me to stay
And she told me to sit anywhere

……….

"It’s time for bed"
She told me she worked
In the morning and started to laugh
I told her I didn’t
And crawled off to sleep in the bath
And when I awoke I was alone
This bird had flown
So I lit a fire
Isn’t it good Norwegian wood?


Es wurde spät oder besser ganz früh, als er den Nachhauseweg antrat, vom ersten Licht des neuen Tages begleitet, wie auch vom Gesang der Vögel.
Spät am  Morgen stellte er das Radio an und hörte, dass  Benno Ohnesorg  bei einer Demonstration gegen den Schah von einem  schießwütigen  Polizisten  erschossen wurde.

Vor der Bundestagswahl 1969 liegen Flugblätter in der Mensa:
„Alle reden vom Wetter, wir nicht! Parlamentswahlen in hoch industrialisierten Klassengesellschaften wie der Bundesrepublik erzeugen den Schein, es könnte die ganze Bevölkerung über ihre Geschichte und ihre Interessen politisch entscheiden. Im Wahlkampf pflegen die herrschenden Klassen Versprechen zu machen.“

Semesteranfang im Herbst. Der Rektor der Hochschule erwähnt in seinem Festvortrag Rilkes Gedicht „Der Panther“. Seine Magnifizenz - so lässt er sich anreden - groß, schlank, weißes Haar, ein attraktiver Mann flüstert ihm seine Freundin zu, spricht davon, dass die Jugend das Recht hätte, die Stäbe zu sprengen, der Entzug der Freiheit wäre auch ein Entzug der Wahrheit. Ein linksliberaler Hochschullehrer streitet für mehr Demokratie.     
Die Wahrheit über ihn kam erst kurz vor seinem Tod ans Licht. Nach dem Krieg hatte er eine neue Identität angenommen. Er, ein Hauptsturmführer, gehörte zum persönlichen Stab des Reichsführers der SS, pries den Rassenwahn. Die Täuschung war perfekt. Intelligent, eloquent und skrupellos nahm er mit neuem Namen die Ehrungen an.
Nach dem Vortrag  gehen sie noch „Zum Griechen“ schräg gegenüber, bestellen Schafskäse mit Oliven für 2,50 DM. Der erste Herbstnebel in diesem Jahr. Sie sucht seine Hand, gehen nach Hause und lieben sich.

“There’s just no place for a street fighting man!”
(Rolling Stones)

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Kommentare zu diesem Text

Graeculus (69)
(10.03.17)
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RedBalloon (58)
(10.03.17)
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 Dieter_Rotmund (11.03.17)
"Sie sucht seine Hand, gehen nach Hause und lieben sich." - diesen Satz verstehe ich nicht. Und wozu diese seltsame Leerzeichensetzung?
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