Die Platzanweiserin

Kurzgeschichte zum Thema Erinnerung

von  Hartmut

Ich bin Luft für sie an diesem Montag im Februar 1958. Gestern hätte sie mich fast rausgeschmissen. Sie stand plötzlich vor mir, kein Wort, ein böser Blick.  Ihre Hand zeigte deutlich dahin, wo der Ausgang war. Ich blieb sitzen. Dann nahm sie meinen Arm. Wenn ich jetzt Widerstand geleistet hätte, wäre ihr Vater gekommen.
Jetzt steht sie mit ihren Klassenkameradinnen  auf dem Schulhof, Ort: Katholische Volksschule  Luisenstraße , 8. Schuljahr, Rockpflicht für Mädchen, Ostern werden wir entlassen.
Sonntagnachmittags  ist sie Platzanweiserin im Kino ihrer Eltern in der Kaiserstraße. Rex heißt es, und  hat den Krieg einigermaßen gut überstanden.  Die ersten Reihen sind  Sperrsitze, Holzsitze  ohne Armlehne, dann kommen die gepolsterten Sitze  und ganz am Ende des Saales die Logenplätze, breiter, roter Samt, Plüsch. Ihr Vater ist  Filmvorführer, die Mutter sitzt hinter einer Glasscheibe mit rundem Türchen und verkauft Eintrittskarten, aufgerollt und perforiert. Sie aber steht fast unsichtbar hinter einem Vorhang, entwertet und dirigiert: Reihe 1 – 5 oder 6- 12. Logenplätze sind in der Jugendvorstellung nicht vorgesehen. Ich bin mit meinen Freunden hier, einer versucht im Halbdunkel des Saales an ihr vorbeizukommen, was nicht gelingt. Ihre Blick, ein Fingerzeig, zurück zur Kasse! Zu einer heftigen Auseinandersetzung kommt es, weil ich zum Wiederholungstäter werde. Erst halte ich mich nicht an ihre Anweisung und setze mich nicht auf den bezahlten Sperrsitz, sondern weiter hinten. Werde zurück gepfiffen, dann aber, zwischen Wochenschau und Hauptfilm, in der Annahme sie würde Hausaufgaben machen, schleiche ich mich wieder zurück. Vergeblich!

Eine Woche später sehen wir uns am Rosenmontag auf dem Neumarkt wieder. Ich als Cowboy, sie als Zigeunerin. Geniere dich nicht, komm in meine Arme, heißt das Kreisspiel. Zwei oder drei Mal kommt sie alleine auf der Suche nach einem Jungen an mir vorbei und dann nimmt sie meinen Arm, zieht mich aus dem Kreis und wir sind plötzlich ein Paar. Die anderen singen: „Komm in meine Arme und reich mir den Abschiedskuss.“ Sie geht noch eine Runde mit mir, bleibt plötzlich stehen und küsst mich.

Viele, viele Jahre später stehe ich an der Bushaltestelle wieder in der Kaiserstraße, die jetzt anders heißt. Das Rex- Kino gibt es schon lange nicht mehr. Mit mir gibt es noch eine junge Frau, ein Mädchen, das flink mit dem Daumen ihr Handy bedient. Sie hat eine so enge Hose an, dass man im Schritt ihre Weiblichkeit erkennt. Der Bus kommt, wir steigen ein, sie greift sofort zum Handy und ich zur Stadtzeitung. Nein, nicht die große Politik interessiert mich, sondern das Lokale und die Rückseite: Todesanzeigen. Das Bild einer älteren Frau betrachte ich, lese ihren Vornamen und das Geburtsdatum. Ja, sie ist es: Der (böse) Blick meiner Platzanweiserin und unvergessen: DER KUSS– mein erster!

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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (14.12.15)
Es fehlen ein paar Kommas, und
" Mit mir gibt es noch eine junge Frau"
ist arg holprig-ungelenk formuliert, finde ich.

Ansonsten aber gerne gelesen!

 Hartmut meinte dazu am 15.12.15:
Gut gelesen, war nur auf dem Brettgymnasium (Volksschule, damals 8 Schuljahre)

 TassoTuwas (14.12.15)
Plüschkino - Rasiersitz - Wochenschau.
Das weckt Erinnerungen!
LG TT
Sätzer (77)
(14.12.15)
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