Von einem Gebet im Garten und viel zu teurer Milch

Anekdote zum Thema Veränderung

von  Bluebird

Illustration zum Text
(von Bluebird)
Es gibt Menschen, das ungewöhnliche Zusammentreffen zweier Ereignisse ausschließlich mit dem Zufall erklären wollen. Man kann ihnen die ungewöhnlichsten Begebenheiten schildern, sie beharren auf ihre einmal gefassten Überzeugung.
    Andere Menschen wie ich dagegen sind immer wieder fasziniert, was da manchmal so geschieht.

Es war im April des Jahres 1988, als ich im Garten eines Freundes über eine am Tage zuvor gehörte Predigt nachdachte. Es ging dabei um Veränderung durch Leiden. Das wir Christen zwar gerne Gott um Veränderung bitten würden, aber ungerne die manchmal dafür notwendige Leiden in Kauf  nehmen wollten. Womit der Prediger durchaus den Nagel auf den Kopf getroffen hatte, wie ich  zugeben musste.
    Nachdem ich Sache nun durchdacht hatte, betete ich: „Herr, verändere mich!“ Augenblicklich schoß mir bei geschlossenen Augen ein Gedanke durch den Kopf: „Bist du denn auch bereit, den Preis zu bezahlen?“ Ich fragte nach: „Was ist denn der Preis?“ „Leiden!“ lautete die prompte Antwort.
    Ich war geschockt! Es machte irgendwie einen Unterschied eine Predigt über Veränderung durch Leiden zu hören, oder auf direktem Wege dazu jetzt herausgefordert zu werden. Aber nun gab es auch kein Zurück mehr. Mutig betete ich: „Ja, Herr. Ich bin bereit!“
    Im nächsten Moment sah ich mich vor meinem inneren Auge in eine Bank hineingehen und an einem Schalter Geld abheben. Wie als wenn eine Filmszene in meinen Kopf eingespielt worden wäre. „Seltsam!“, dachte ich. „Was mag das bedeuten?“

Drei Tage später reiste ich nach Bremen, wo ich in einer Pfingstgemeinde ein dreimonatiges Praktikum begann. Eine willkommene Abwechselung zu dem achtmonatigen Bibelschulalltag zuvor. Endlich wieder einigermaßen "normal" leben.
    Gleich am ersten Arbeitstag wurde ich zu einer älteren Dame gerufen, die eine schwere Augenoperation hinter sich hatte und mit der ich in die Stadt fahren sollte, um etwas Geld abzuheben. Da sie gehbehindert war, überredete ich sie mir eine Bankvollmacht auszustellen.
  Ich war schon wieder auf dem Rückweg mit abgehobenen 1000 DM in einem kleinen Geldtäschchen, als mir plötzlich einfiel, dass ich ja noch eine Packung Milch für die ältere Dame  besorgen sollte.
    Also rein in einen Supermarkt, Geldtäschchen in den Einkaufswagen, Packung Milch und ein paar andere Teile dazu, Anstehen an der Kasse, bezahlen und wieder raus aus dem Supermarkt. Dann der Schock: Das Geldtäschen war verschwunden! ... und sollte auch nie wieder auftauchen!

Fassungslos lag ich auf dem Sofa in meiner Wohnung und dachte nach. Wie hatte das geschehen können? Ganz offensichtlich hatte jemand einen kurzen, unbeobachteten Moment genutzt und sich das Täschchen herausgegriffen. Aber der Einkaufswagen war immer am Mann gewesen. Eigentlich unerklärlich.
  Plötzlich fiel mir die Filmsequenz wieder ein. Ich hatte mich in eine Bank gehen und Geld abheben sehen. Es war als ob ein heller Lichtstrahl in meine düstere Gedankenwelt gefallen wäre. Plötzlich begriff ich mit lupenreiner Klarheit: Dies hatte geschehen müssen! Es war mir vorweg gezeigt worden, womit meine verändernden Leiden beginnen würden.
  Ich war erleichtert, fast glücklich und machte den Fernseher an. Es lief eine Vorabendserie. An sich langweilig, aber ich ließ es laufen. Zwei junge Männer unterhielten sich. Der eine sagte zum Anderen: „Mir ist heute was Schlimmes  passiert!“ Der andere fragte nach: „Ja, was denn?“ „Mir sind vorhin 1000 DM gestohlen worden!“
  Fassungslos starrte ich den Fernseher an. Geschah das gerade wirklich? Oder träumte ich das alles nur? Nein, es war real und für mich eine weitere Bestätigung, dass dieses Ereignis von oben arrangiert worden war.

Natürlich habe ich die 1000 DM ratenweise der älteren Dame zurückgezahlt. Aber es war ein schlechter Start in mein Praktikum, wie der verantwortliche Pastor mir auch deutlich zu verstehen gab.
Ich blieb insgesamt neun Jahre in Bremen (geplant waren fünfzehn Monate ). Es waren wunderbare,  aber auch sehr leidvolle Jahre gewesen, die mich tatsächlich nachhaltig verändert haben. Und dies alles hatte mit einem Gebet im Garten eines Freundes begonnen! 

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Frühere bzw. ältere Kommentare zu diesem Text


 Graeculus (08.09.20)
Oh, dieser Gott! Mal schenkt er Dir einen Bürostuhl, dann wieder läßt er 1000 Mark verschwinden. In summa: ein ziemlich teurer Bürostuhl!

 Willibald meinte dazu am 08.09.20:
Nun, die Gottesgabe vor dem Verlust besteht immerhin aus zwei Bürostühlen/Schwingsesseln. Das mildert einiges. Könnte man denken.

 Bluebird antwortete darauf am 08.09.20:
Die Reihenfolge ist umgekehrt .. das mit den Schwingsessel war Jahre später in Düsseldof ... im Übrigen seht ihr das Ganze viel zu monetär/materiell ... aber schön, dass euch die Schwingsesselgeschichte in Erinnerung geblieben ist

Antwort geändert am 08.09.2020 um 20:17 Uhr

 Graeculus schrieb daraufhin am 09.09.20:
Jahre später ... da sieht man wieder: Gottes Mühlen mahlen langsam.

 Willibald (09.09.20)
Nun, egal, wann diese göttlichen Handlungen waren. Der fürsorgliche Gott erwies sich fürsorglich. Und für die eher konventionellen Leser-Gläubigen schenkte er zwei Schwingsessel. Für die Hiovkenner schenkte er Deprivation. Der Name des Herrn sei gelobt.
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