Von Putin, von Von der Leyen und von einem Dichter, der Politiker wurde

Bericht zum Thema Ruhm

von  eiskimo

Vladimir Putin (69) hatte gestern, am 7. Oktober,  sein Geburtstagsständchen, und die ihm zu Dank Verpflichteten werden es gebührend intoniert haben.  Ursula von der Leyen (63) feiert ihr Wiegenfest heute, einen Tag später. Auch sie wird reichlich Glückwünsche bekommen.
Morgen, am 9. Oktober, könnte man sich vor einem Mann verbeugen, der schon 20 Jahre tot ist. Ein Politiker aus ganz anderem Holz geschnitzt als die beiden vorher genannten: Vielschichtiger, sensibler, charismatischer. Katholik in einem muslimischen Land, mehr Künstler, mehr Philosoph, eine Persönlichkeit ein bisschen wie Martin Luther King – auch schwarz, auch von einem „Traum“ beseelt, auch für das afrikanische Erbe stehend.
Es ist Léopold Sédar Senghor (1906-2001), der 1960 erster Präsident des Senegal wurde und dann 20 Jahre lang dieses gerade in die Unabhängigkeit entlassene Land anführte.
Anders als Algerien, dass sich von der „Mutter Frankreich“ nur durch einen blutigen Krieg lösen konnte, vollzog der Senegal  seine Loslösung geradezu freundschaftlich. Senghor, der in Frankreich studiert und dort sogar als Gymnasiallehrer gearbeitet hatte,  vertrat als sein Programm die „négritude“. Das war jene künstlerische und politische Bewegung, die ein spezifisches „afrikanisches“ Selbstbewusstsein proklamierte.  Ziel war, wie er einmal schrieb: „sich von den Ketten der kulturellen Kolonisierung zu befreien“, allerdings im Dialog, in einem Austausch  und einer „métissage“ der weißen und schwarzen Kulturen.
Konnte das gelingen?  Emanzipation und ein neues Selbstbewusstsein erlangen durch Kulturpolitik?
Senghor, der sich selber immer wieder als Lyriker und Literat betätigt hatte, versuchte es. Er etablierte in einer Manufaktur für Kunstgewerbe die „Schule von Dakar“, um einheimischen Künstlern eine Plattform zu bieten. Ein Höhepunkt seiner Anstrengungen war das „Premier festival mondial des arts nègres“, das 1966 in Dakar stattfand.  In dem von ihm gegründeten Musée dynamique gab es  Ausstellungen über Pablo Picasso, Pierre Soulages oder Marc Chagall.
Das Bild eines künftigen „Eurafrique“, das dieser Philiosoph vertrat, blieb indes ein Traum. Einerseits warfen Kritiker ihrem Präsidenten vor, allzu einseitig „Assimilation“ zu betreiben. Andererseits brachten die in den 70er Jahren  aufkommenden wirtschaftliche Schwierigkeiten seine Ansätze sehr ins Stocken.
Die „Stimme Afrikas – aber ohne Hass“, wie er einmal genannt wurde, hatte trotzdem ein weites Echo. In Deutschland bekam Senghor 1968 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. 1983 wurde er als erster Afrikaner Mitglied der Académie Francaise.
Und was diesen Politiker auch auszeichnete: Er trat Ende 1980 zugunsten des Ministerpräsidenten Abdou Diouf vom Amt zurück.
Die Frage, wie die beiden Kontinente, für die Senghor stand, zu versöhnen sind, diese Frage ist bis heute ungelöst.

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Kommentare zu diesem Text


 toltec-head (08.10.21)
Über Senghor hab ich hier auch mal was geschrieben. Taucht in den öffentlichen Feuilletons nicht mehr auf. Gilt vermutlich als peinlich mit seinem Goethe und Neger-Tam-Tam, wenn nicht sogar als Rassist. Dabei überragend wichtig. Danke für die Erinnerung.

Kommentar geändert am 08.10.2021 um 10:24 Uhr

 eiskimo meinte dazu am 08.10.21:
Finde ich klasse, was Du da schreibst. Und kann nur zustimmen.
Europa verschläft seine Chancen und Aufgaben in Afrika. China ist da wacher ... freilich mit sehr eigenen Interessen.

 EkkehartMittelberg (08.10.21)
Danke für die Aufklärung über diesen bedeutenden Politiker.
LG
Ekki

 eiskimo antwortete darauf am 08.10.21:
Danke meinerseits, auch, dass Du das teilst!
LG
Eiskimo

 Graeculus (08.10.21)
Schon indem er Christ, Katholik gar, war, hat er dieses Ideal gelebt.

 Dieter_Rotmund (08.10.21)
und dort sogar als Gymnasiallehrer gearbeitet

Macht das jemanden zu einem besseren Menschen? Ich denke, nein.
Wobei: Nötigt mir doch erheblich mehr Respekt ein, als wenn er Jurist gewesen wäre...

 eiskimo schrieb daraufhin am 08.10.21:
Schon als Weißer im eigenen Land kein leichter Job.....
Agnete (66)
(09.10.21)
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