Würdest du dir auf dem Flohmarkt was von einer "Drecksbande" kaufen? Nein, vermute ich mal. Hätte ich normalerweise auch nicht, auf diesem Vide-Grenier - so heißen die Märkte in Frankreich. Aber ich fand da einfach nichts für meinen Geschmack: Nur jede Menge Kinderklamotten und noch mehr Kinderspielzeug, das von emsigen Müttern aufgeschichtet worden war.
Dann schon lieber die Drecksbande, auf Französisch „les Enfoirés“ genannt. Dahinter verstecken sich nämlich alle namenhaften französischen Chansongrößen. Und unter diesem sehr umgangssprachlichen Begriff geben sie jedes Jahr eine sehr aufwändig gestaltete Gala, die auf einer sehr stark beworbenen Benefiz-DVD festgehalten wird. Sehr französisch, das Ganze, aber auch sehr gut gemacht. Darum griff ich an einem Stand, der auch ein paar „erwachsene“ Sachen feilbot, kurzerhand zu jener Drecksbanden-DVD, und zwar zu einer Fassung „Best off 1989-2005“.
Ich hatte schon mal von diesen „Enfoirés“ gehört, aber wusste nicht, dass da bereits eine so lange Tradition bestand. Vor allem wusste ich nicht, dass mit dem Erlös der DVD das finanziert wird, was in Deutschland „die Tafel“ heißt. In Frankreich sind das die „Restos du Coeur“, also die Gaststätten des Herzens. Von denen gibt es Tausende, über ganz Frankreich verstreut. Der Comedian Coluche hatte diese „bonne action“ 1985 ins Leben gerufen, ein Jahr vor seinem tödlichen Motorradunfall.
Die Stars der französischen Pop- und Chansonkultur ließen sich seinerzeit nicht lange bitten. Von Charles Aznavour über Patrick Bruel, Francis Cabrel, Jean-Jacques Goldman, Johnny Halliday, Patricia Kaas bis hin zu Michel Sardou und Yannick Noah traten sie da alle auf. Auch populäre Filmschauspieler wie Kad Merad (Les Ch´tis) oder Gérad Jugnot (Die Kinder des Monsieur Matthieu) gingen auf die Bühne, um die besten Songs des Jahres gemeinschaftlich in einer besonderen Choreographie neu zu interpretieren: Live vor vielen Tausend Zuschauern, die dabei voll mitgehen – singend und tanzend.
Ich weiß das jetzt, weil ich meine frisch erworbene DVD gerne und durchaus beeindruckt angeschaut habe. Nicht schlecht, was diese Drecksbande da jedes Jahr neu auf den Markt bringt. Einziger Missklang dabei: Die Not, die mit den Restos du Coeur gelindert werden soll, wird mit den Jahren nicht weniger. Man braucht auch in der Grande Nation immer mehr „benevols“, also freiwillige Helfer und immer mehr dieser „Tafeln“. Darüber können die schönen Chansons der Stars nicht hinwegtäuschen. Immerhin erinnern sie daran.