Das Herrenzimmer

Gedicht zum Thema Vergänglichkeit

von  Quoth

Zwei Stühle, Louis Quinze, ein Vertiko,
drei Bilder und ein Spiegel an der Wand.
Der Läufer stamme wohl aus Isfahan,
vermutete die längst verstorbne Tante.

Drei Bilder und ein Spiegel an der Wand,
ein Sekretär mit wohlverschlossner Klappe,
an ihm schrieb die Verstorbne manchen Brief,
und auf dem Sekretär die alte Uhr.

Den Läufer schmückt ein Wort in fremder Schrift,
und auf der Uhr erhebt ein Adler sich,
zwei Stühle, Louis Quinze, ein Vertiko,
und eine Kaffeetasse, die noch dampft.

Ein Stapel Feldpost ruht vergilbt im Fach,
bei Mariupol vermisst, der sie gesandt.
Die Uhr ist stehn geblieben auf halb zehn,
der Adler setzte wohl zum Rauben an.



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Kommentare zu diesem Text


 Willibald (08.02.22, 20:50)
Oh, die dampfende Kaffeetasse lässt sich lesen als Indiz für jemanden, der gerade noch da war. Das ist die realistische Lesart.
Oder als die Gegenwart der Adlerzeit und des Angriffs.
Magisch aufgehoben im Gedicht der  Zeitlauf.
Schön.

Kommentar geändert am 08.02.2022 um 20:51 Uhr

 Quoth meinte dazu am 08.02.22 um 21:12:
Vielen Dank für "schön", "magisch" und die Empfehlung, lieber Willibald. Gruß Quoth

 Willibald antwortete darauf am 09.02.22 um 14:28:
Wollen wir (hüstel) auch das "aufgehoben" würdigen: negiert/konserviert/auf höhere Ebene gehoben.
greetse 
ww

 Quoth schrieb daraufhin am 09.02.22 um 16:28:
Ja, gerne, wollen wir, alter Dialektiker! Gruß Quoth

 AchterZwerg (09.02.22, 06:16)
Der Adler als Zeitendieb und Bote des Untergangs gefällt ungemein!

Liebe Grüße
der8.

 Quoth äußerte darauf am 09.02.22 um 08:30:
Hallo AchterZwerg, ich habe die letzte Strophe genauer gefasst, aber der Adler ist geblieben. Herzlichen Dank für Kommentar und Empfehlung! Gruß Quoth

 Willibald ergänzte dazu am 09.02.22 um 16:03:
Und die dampfende Tasse auch.

 Lluviagata (19.02.22, 06:51)
Hallo Quoth,

ich finds einfach herzergreifend. Hier lass ich die Lyrikerin ruhen und lese das Gedicht als Tochter. Warum auch nicht, oder?

Liebe Grüße
Llu ♥

 Quoth meinte dazu am 19.02.22 um 11:16:
O ja, damit hast Du den emotionalen Kern des Textes sehr gut erfasst, auch wenn das ungenannte lyrische Ich wohl eher eine Nichte wäre! Vielen Dank - Gruß Quoth
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