Gemeinsam welken

Ein Blümlein stand am Wegesrand

bei einer jungen Wiese,

es reckte und es windete

sich in der Frühlingsbrise.

Das Blumenfräulein war verwirrt,

in ihr erwachten Triebe,

es sehnte sich nach einem Blum

und innig zarter Liebe.

Die Blume schaute hier und dort,

sie sah manch Artverwandte

und vielerlei an Kunterbunt,

das sie nicht näher kannte,

doch weit und breit kein Blumenmann,

der sie erobern wollte,

so glaubte sie bald, dass sie wohl

jungfräulich bleiben sollte.

Von Gegenüber rief ein Blum,

er hatte sie gesehen,

im Freudentaumel wollte sie

sofort hinüber gehen

und zerrte an dem Wurzelwerk,

es konnte nicht gelingen,

so bat sie einen Schmetterling,

ihm einen Kuss zu bringen.

Der Blum, er wurde purpurrot

und sie trieb rosa Blüten,

bald flogen Küsse hin und her,

wobei sich Bienen mühten,

doch blieb ein sehnsuchtsvoller Wunsch:

sich einmal zu berühren,

die Stängel und das Blättergrün

des anderen zu spüren.

Zur frühen Zeit, am nächsten Tag,

da blieb ein Mädchen stehen,

um rechts und links vom Wegesrand

die Beiden anzusehen,

und sein Gefallen war so groß,

dass es sich niederbückte,

und Blume, Blum und Grasgewächs

zu einem Strauße pflückte.

Welch wunderbares Glücksgefühl

war ihnen nun gegeben,

erfüllt hat sich ihr großer Traum,

die Nähe zu erleben,

so schworen sie in Einigkeit,

sich niemals zu verlieren:

Gemeinsam welken, sterben und

zusammen kompostieren.

© Sigrun Al-Badri/ 2023