Von einem, der auszog, die Langeweile zu verlernen

Märchen zum Thema Langeweile

von  EkkehartMittelberg

Auf seiner Wanderschaft kam der sich Langweilende in einen dichten einsamen Wald. Er sah weit und breit keinen Menschen. Doch plötzlich hörte er eine leise wimmernde Frau, die aus einem Erdloch um Hilfe rief. Mit einem Seil, das er für Notfälle bei sich trug, befreite er die Hilflose aus ihrer Todesnot. Er erfuhr, dass es sich um eine Fee handelte, die achtlos in die Falle gestolpert war und sich nicht helfen konnte, weil sie ihren Wunschring auf ihrem Schloss vergessen hatte. Als sie dort angekommen waren und die Fee ihren Ring aufgezogen hatte, fragte sie ihn nach seinem Begehren: „Befreie mich bitte von der öden Langeweile“, sagte der sich Langweilende.

Kaum hatte die Fee den Ring gedreht, veränderte sich seine Wahrnehmung. Er lauschte den Vogelstimmen, die ihm schön erschienen, vernahm das Flüstern des Windes in den Bäumen, entdeckte das Spiel der Wolken am Himmel und als er den Wald verlassen hatte, fragte er Wanderer, die ihm begegneten, nach Grund und Ziel ihrer Reise und teilte ihre Empfindungen.

Ihm waren nur wenige Bekannte verblieben, die bemerkten, dass er sich von Grund auf verändert hatte.

Sie fragten ihn, warum er sich nicht mehr langweile und er antwortete: „Ich nehme an Freude und Leid anderer Menschen teil und habe keine Zeit mehr, mich zu langweilen.“

Die Fragenden nahmen die Antwort schweigend mit Skepsis entgegen. Die Antwort erschien ihnen märchenhaft und im normalen Leben gibt es keine Märchen. Aber sie waren immerhin bereit, bei einer Wiederbegegnung den Veränderten erneut zu prüfen.


Anmerkung: Für Aron




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Kommentare zu diesem Text


 Regina (24.11.23, 07:42)
Da kann ich nur zustimmen. Langeweile ist in den seltensten Fällen der Mangel an Beschäftigung, sondern ein psychischer Zustand, in dem man keine der möglichen Tätigkeiten als lohnenswert erachtet.
Gruß Gina

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 24.11.23 um 10:42:
Merci Gina,
Langeweile kann auch arrogant sein. Keine Tätigkeit befriedigt meine Ansprüche.

LG
Ekki

 AchterZwerg (24.11.23, 07:52)
Auch mir ergeht es bei einer Begegnung mit Aron ganz ähnlich, Ekki! 8-)

Liebevoll gestrickte Grüße
Piccola

 EkkehartMittelberg antwortete darauf am 24.11.23 um 10:47:
Grazie Piccola,
man kann Aron nur wünschen, dass er in die Hölle kommt. :D Im Himmel wäre es viel zu langweilig.
Wärmende Grüße zurück
Ekki

 willemswelt (24.11.23, 09:38)
Hallo Ekki,eine gute Fabel-für die Realität empfehle ich als Alternative-  : eine Woche auf einer  Nordseeinsel-Wind und Wetter ausgeliefert-macht lebendig -einen Gruß,Willem

 EkkehartMittelberg schrieb daraufhin am 24.11.23 um 10:55:
gracias, Willem, recht haste :)

Nordseestürme sind anregungsreich.
Passte nicht auf, dann fällste vom Deich. 

Sturmerprobte Grüße
Ekki

 Didi.Costaire (24.11.23, 12:25)
Ja Ekki,

achtsam durch die Welt zu wandern ist der richtige Weg. Er kann sich natürlich dann abnutzen, wenn sich immer dieselben Vögel in den Vordergrund drängen.

Beste Grüße,
Dirk

 EkkehartMittelberg äußerte darauf am 24.11.23 um 14:58:
Leider Didi,

dieselben vögel werden sich nicht bequemen,
anderen die Langeweile zu nehmen.  :)

LG
Ekki

 Teo (24.11.23, 15:03)
Ne Ekki,
Langeweile kenne ich nicht.
Und sollte sie sich anbahnen, schickaniere ich unsere sechs Hausangestellten.
Herrschaftliche Grüße 
Lord Teo

 Aron Manfeld ergänzte dazu am 24.11.23 um 15:27:
Indem er ihnen seine Gedichte vorliest ...

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 24.11.23 um 17:15:
Hallo Lord Teo,
mein Detektiv berichtet, seien Lordschaft sagt die Wahrheit, die sechs Hausangestellten strahlen vor Behagen.
Ergebene Grüße
Ekki

 Aron Manfeld (24.11.23, 15:23)
Mein lieber Ekkehart,

wenn die Fee mit mir gevögelt hätte, hätte ich auf das ganze Märchengedöns getrost verzichten können.

Gelangweilte Grüße
Im Auftrag
Siegbert Schnabelmann

 Teo meinte dazu am 24.11.23 um 15:37:
Aron, 
Feen sind in Regel über 16.
Das wird deinen Neigungen in keinster Weise gereicht.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 24.11.23 um 17:22:
Ach Aron,

hätte, hätte Fahrradkette :D

 S4SCH4 (24.11.23, 18:11)
Ein Text, bei dem man die Langeweile vergisst, will gelernt sein :)

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 24.11.23 um 19:34:
Stimmt, Sascha, aber es ist leichter, Langeweile vorzutäuschen, als einen spritzigen Text zu schreiben. :)

 Mondscheinsonate (24.11.23, 18:16)
Ah geh, ich finde Aron als den Charmantesten aller Bösewichter, seine beinharte, ja, unverschämte Ehrlichkeit amüsiert doch sehr. Er nimmt das Leben leicht, das merkt man, überhaupt, dass er gerne die Fee gevögelt hätte, finde ich entzückend. Das meine ich sogar ernst. Im Übrigen, er stellt sich niemals über uns, ist stets mittendrin.

Kommentar geändert am 24.11.2023 um 18:18 Uhr

 Saira (24.11.23, 18:40)
Lieber Ekki,

ich finde dein Märchen und die Pointe dazu ganz zauberhaft.

Zu Aron kann ich (leider?) nichts äußern, da ich ihn zu wenig kenne.

Liebe Grüße
Sigi

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 24.11.23 um 19:49:
Hallo Sigi,
dein Kompliment freut mich sehr. Aron ist ein Spaßvogel, den man nicht gratis füttern sollte.

Liebe Grüße
Ekki

 Pensionstarifklempner (24.11.23, 23:15)
Welche Uni bietet Langeweile als  Studienfach an? Möchte meinen Langweilmaster machen. Ich würde auch an eine Senioren-Uni gehen.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 24.11.23 um 23:55:
Petakle, du musst Langeweile nicht studieren, sondern nur behaupten, dass du dich langweilst. Wer kann dir das Gegenteil beweisen, du giltst aber als besonders anspruchsvoll.

LG
Ekki

 Pensionstarifklempner meinte dazu am 25.11.23 um 05:05:
Die Aufnahmeprüfung für Langeweile habe ich gerade an der Ostsee bestanden : Den ganzen Tag auf's Wasser gucken und Meer denken. Wünsche turbulentes Wochenende

 Dieter Wal (25.11.23, 00:05)
Kaum hatte die Fee den Ring gedreht, veränderte sich seine Wahrnehmung. Er lauschte den Vogelstimmen, die ihm schön erschienen, vernahm das Flüstern des Windes in den Bäumen, entdeckte das Spiel der Wolken am Himmel und als er den Wald verlassen hatte, fragte er Wanderer, die ihm begegneten, nach Grund und Ziel ihrer Reise und teilte ihre Empfindungen.
Ihm waren nur wenige Bekannte verblieben, die bemerkten, dass er sich von Grund auf verändert hatte.
Sie fragten ihn, warum er sich nicht mehr langweile und er antwortete: „Ich nehme an Freude und Leid anderer Menschen teil und habe keine Zeit mehr, mich zu langweilen.“
Wie schön Du noch bezauberst, junger Meister!

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 25.11.23 um 00:20:
Merci, Dieter, ein Kompliment aus deiner kritischen Feder wiegt doppelt.

 AZU20 (25.11.23, 14:03)
Langeweile muss man ganz einfach verlernen, auch wenn  es schwerfällt. LG

 Quoth (01.12.23, 18:17)
Jagen wir nicht alle intensivstem Erleben nach und empfinden dann alles nicht Intensive schnell als langweilig? Erst wenn sich Zweifel einschleichen, ob dieses Intensive es wert ist, erlebt zu werden, oder wenn die Kräfte nachlassen, lernen wir, mit dem Kleinen, Leisen, Zarten, Nahen, Vorhandenen vorlieb zu nehmen oder es sogar höher zu schätzen als das früher vergottete Intensive. Der Ring der Fee nimmt also nur einen Reifungsprozess vorweg - den Jüngere wahrscheinlich als Resignation empfinden.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 01.12.23 um 20:21:
Ich habe mich über deine Empfehlung, gefreut, Quoth.
Ich habe schon als junger Mann das nicht Intensive nicht als langweilig empfunden, weil ich Stifters Auseinandersetzung mit Hebbel gelesen habe. Hebbel sah das Intensive im Imposanten, zum Beispiel in Blitz und Donner, Stifter hingegen im Kleinen, sich langsam Entwickelnden, zum Beispiel im Reifen eines Kornfelds.- Die Gedanken findest du in Stifters Aufsatz: "Das sanfte Gesetz"

Beste Grüße
Ekki
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