Die Zeit der Schönheit war kurz

Kurzgeschichte zum Thema Liebe und Sex

von  EkkehartMittelberg

Meine Schulzeit nach dem Zweiten Weltkrieg in einer Kaserne bestand bis zur Oberstufe, die ich in angenehmer Erinnerung habe, aus einigen öden Jahren. Der marode Bau roch muffig und unter den Decken der Klassenzimmer hing die Angst wie eine riesige Spinne. Die meisten Lehrer waren von den Leiden des Kriegs geprägt, überaltert und desillusioniert. Sie warteten ohne Ehrgeiz auf ihre Pension.

Da wurde es von allen als Lichtblick empfunden, als eine wunderschöne Referendarin in diese graue Gesellschaft von Männern und Knaben geschickt wurde. Sie war nicht nur schön, sondern auch charmant und reizte auf hohen Hacken in hochgeschlossenen Kleidern, unter denen sich ihr attraktiver Körper abzeichnete, die Fantasie der pubertierenden Jünglinge.

Wir bereiteten der jungen Frau eine sehr erfolgreiche Lehrprobe. Wir malten freiwillig Bilder vom Bußgang Heinrich des IV. nach Canossa, bemühten uns um eine besonders gefällige Tafelanschrift und reckten unsere Finger schon in die Höhe, wenn sie ihre Frage noch nicht zu Ende formuliert hatte.

Aber das sinnenfrohe Intermezzo war nur kurz und das kam so:

In einer höheren Klasse gab es einen attraktiven Grafen, einen Frauentyp, der das Interesse der beliebten Venus erregte. Sie beauftragte den Adonis die historischen Karten ins versteckt gelegene Kartenzimmer zu bringen. Dabei ging sie in ihrem Pflichteifer so weit zu kontrollieren, ob er die Karten auch ordnungsgemäß an ihren Platz gebracht hatte. Verständlich, dass der schönen Frau viele Augen bei ihren Kontrollgängen folgten. Als man bemerkte, dass ihre Kontrollen lange dauerten, fand eine Kontrolle der Kontrolle statt. Diese erwischte die beiden Schönen in flagranti.

Man muss sagen, dass der Fall schnell und distinguiert erledigt wurde. Nach ein paar Tagen wurden unsere Venus und der gefällige Graf nicht mehr gesehen.


Anmerkung: Ich habe diese Geschichte zum Teil nach dem Hörensagen erzählt. Für ihre Wahrhaftigkeit kann ich mich nicht verbürgen. Aber so ist das ja immer mit Geschichten, die davon erzählen, dass Amor in eine Einöde eingekehrt ist.



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Kommentare zu diesem Text


 willemswelt (27.11.23, 10:35)
hzallo,Ekki,wohltuende Erinnerungen-so sehe ich sie-in unschönen Zeiten halte ich sehr wichtig und sie regen an,sich selbst zu erinnern an ähnliche Erlebnisse-einen schönen Wochenanfang,Willem

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 27.11.23 um 13:15:
Merci, Wim, das stimmt. Wer erinnert sich an düsteren Tagen nicht gern an Schönheit zurück?

LG
Ekki
kipper (34) antwortete darauf am 27.11.23 um 13:17:
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 EkkehartMittelberg schrieb daraufhin am 27.11.23 um 13:37:
hallo Kipper,

genau der von dir beschriebene strafrechtliche Hintergrund hat wohl dafür gesorgt, dass der Fall so schnell "gelöst" wurde. Ich habe nie erfahren, was aus der schönen Referendarin wurde.

 harzgebirgler (27.11.23, 15:53)
schöne kurzgeschichte!
ob er sie ehelichte
der edle 'karto'-graf
nach öfterem beischlaf?

fragt sich mit besten grüßen
henning

 EkkehartMittelberg äußerte darauf am 27.11.23 um 16:30:
Hallo Henning,
für ausgeschlossen halte ich deine Vermutung nicht. Aber wie gesagt: Die Bürokratie gab der Gerüchteküche keine Nahrung.
Beste Grüße zurück
Ekki

 Saira (27.11.23, 16:12)
Lieber Ekki,
 
von ähnlichen Begebenheiten kann man immer wieder aus der Presse erfahren.
 
Als LehrerIn muss man mit empfindlichen Strafen rechnen. Diese sollten Lehrkräften bekannt sein. Der sexuelle Reiz oder die Verliebtheit scheinen in Vergessenheit zu geraten, wenn ein Verhältnis mit einem/r SchülerIn eingegangen wird.
 
Hier der Link zum nachfolgenden Zitat:  https://www.anwalt.de/rechtstipps/sexuelle-beziehung-zwischen-lehrer-und-schueler-strafbar-192532.html
 

Welche Strafen drohen für eine sexuelle Beziehung zwischen Lehrer und Schüler?
Der sexuelle Missbrauch von Schutzbefohlenen wird gemäß § 174 StGB mit Freiheitsstrafe von mindestens 3 Monaten, und bis zu 5 Jahren bestraft. Der Versuch ist bereits strafbar.
Selbst wenn der Vorwurf des sexuellen Missbrauchs fallen gelassen wird, und unabhängig von Alter und Umständen der Tat, wird sexueller Kontakt zwischen Lehrer und Schüler als schweres Dienstvergehen gemäß § 13 Abs. 2 BDG mit der disziplinarischen Höchstmaßnahme, der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis, geahndet.

 
In deiner Geschichte scheinen die Lehrerin und der Schüler noch nicht einmal besonders vorsichtig gewesen zu sein. Sie mussten damit rechnen, entdeckt zu werden. Waren beide blind vor Leidenschaft?

Liebe Grüße
Sigi

Kommentar geändert am 27.11.2023 um 16:13 Uhr

 EkkehartMittelberg ergänzte dazu am 27.11.23 um 16:40:
Grazie, Sigi, ich vermute, wir waren zu jung, um für die berechtigten strafrechtlichen Konsequenzen empfänglich zu sein. Uns erschien die Begebenheit eher als ein sensationelles Abenteuer der Liebe.

Liebe Grüße
Ekki

 AchterZwerg (27.11.23, 17:12)
Lieber Ekki,
Schönheit stellt einen Wert an sich darf, der mit dem Strafrecht erstmal nichts zu tun hat.
Auch wird gern vergessen, dass die hiesigen Tabuisierungen etwas mit dem jeweils geltenden Zeitgeist zu tun haben - und mit dem kulturellen Umfeld.
Bei anderen Ethnien träten "Probleme" dieser Art gar nicht erst auf.
Um Beisl von vornherein das Wort abzuschneiden: Ich spreche hier (und anderswo) nicht (!) von Pädophilie!

Herzliche Grüße
Piccola

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 27.11.23 um 17:35:
Vielen Dank Piccola,

dein wichtiger Kommentar macht deutlich, dass mein der Schönheit gewidmeter Text nur vordergründig eine Sensationsstory ist.

Herzliche Grüße
Ekki
kipper (34) meinte dazu am 27.11.23 um 22:19:
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 27.11.23 um 23:04:
Hahaha, Kipper, ich stelle fest, dass zu diesem Thema den Vergnügten mehr einfällt als den Verbiesterten.

Heitere Grüße
Ekki

 Dieter Wal (27.11.23, 22:38)
Als man bemerkte, dass ihre Kontrollen lange dauerten, fand eine Kontrolle der Kontrolle statt. Diese erwischte die beiden Schönen in flagranti.
Wie traurig! :(

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 27.11.23 um 23:08:
Hallo Dieter, ein moderner Catull oder Ovid würden deine Empfindung teilen. 
Merci
Ekki
Agnete (66)
(28.11.23, 11:37)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 28.11.23 um 11:55:
Merci, das stimmt, Monika.
Diese heimlich andere Welt war unheimlich spannend. Du kennst wahrscheinlich auch das alte Lied: "Kein Feuer, keine Kohle kann brennen so heiß..."
LG
Ekki

 Teo (28.11.23, 11:42)
Moin Ekki,
interessante Geschichte.
Ich war mal in meiner Schulzeit kurzzeitig in eine Putzfrau verliebt. Aber die war viel zu jung.
Fröhlichen Tag
Teo

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 28.11.23 um 12:27:
Merci, Teo, 
dein Glück, dass sie zu jung war. Die hätte dich alten Knacker verputzt.

Besorgte Grüße
Ekki

 Teo meinte dazu am 28.11.23 um 13:41:
Aber Ekki!
Da war ich 19 und in der 6. Klasse der Volksschule.....

 AZU20 (28.11.23, 13:02)
Ich denke, so ähnlich wird es schon gewesen sein. LG

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 28.11.23 um 13:45:
Hallo Armin,

ich glaube, dass du den Vermutungen von Kipper zustimmst oder?

Ekki

 AZU20 meinte dazu am 28.11.23 um 17:18:
So ist es, lieber Ekkehart. LG

 plotzn (29.11.23, 08:45)
Servus Ekki,

die Venusfliegenfalle kenne ich, die Venusgrafenfalle war mir neu. Wobei der junge Herr sich mit ihr ja wohl freiwillig in die Falle gelegt hat...

Schöne Geschichte, wenn auch mit nicht so schönem Ausgang für die beiden Protagonisten.

Liebe Grüße
Stefan

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 29.11.23 um 09:08:
Gracias, Stefan,

man sagt: Amor vincit omnia (Die Liebe besiegt alles). Immer scheint das nicht zuzutreffen.

Liebe Grüße
Ekki
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