Fensterblicke. Eine Kurzgeschichte

Kurzgeschichte zum Thema Betrachtung

von  EkkehartMittelberg

Jeden Morgen wartete sie auf den jungen Mann, der mit federnden Schritten, nachdenklich vor sich hin blickend,  an ihrem Fenster vorbei schritt. Er musste etwas Besonderes sein, eine Mischung aus Tatkraft und Besonnenheit.

Gestern wollte sie ihn ansprechen und ihm sagen, dass sie ihn schon seit langem bewunderte. Sie kam bis zur Haustür, dann wurden ihre Knie weich und sie zog sich schwerfällig wieder die Treppe hoch.
Sie wusste, dass sie den Mut nie finden würde.

Doch heute schaute er zu ihrem Fenster hoch und sie lächelte ihm zu, aus sicherer Distanz. Er blieb einen Moment stehen und lächelte zurück.

Morgen würde sie es noch einmal wagen.

© Ekkehart Mittelberg, Juli 2015

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Kommentare zu diesem Text

Nimbus (41)
(28.07.15)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 28.07.15:
Danke, Heike. Das Textchen ist mir gerade als Ergänzung zu den gleichnamigen Aphorismen eingefallen.

LG
Ekki

 TrekanBelluvitsh (28.07.15)
Ein Fenster als Schutzschild, ob gewollt oder nicht.

 EkkehartMittelberg antwortete darauf am 28.07.15:
Danke. Ja, sie braucht die Distanz und will sie gleichzeitig überwinden.
chichi† (80)
(28.07.15)
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 EkkehartMittelberg schrieb daraufhin am 28.07.15:
Merci, Gerda, wie schön zu hören, dass die Fantasie durch Erfahrung gestützt wird.

 Irma (28.07.15)
Ich musste unwillkürlich an meine Lieblingskurzgeschichte denken, an "Das Fenster-Theater" von Ilse Aichinger. LG Irma

 EkkehartMittelberg äußerte darauf am 28.07.15:
Seltsam, Irma, ich mag die Kurzgeschichte von Aichinger auch so sehr, aber als ich diese schrieb, habe ich an das "Fenster-Theater" nicht gedacht. Andernfalls wäre ich nicht frei genug für den kleinen Versuch gewesen. Grazie.

LG
Ekki

 loslosch (28.07.15)
so ist das mit den "impulsen", die man auch missdeuten kann. wer weiß ...

 EkkehartMittelberg ergänzte dazu am 28.07.15:
Ja, man kann die Impulse missdeuten und deshalb ist sie auch so zögerlich. Danke.
Ecnal (50)
(28.07.15)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 28.07.15:
Das meine ich auch, Ecnal. Sie kann zum Einverständnis führen und doch etwas offen lassen. Merci.
Graeculus (69)
(28.07.15)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 28.07.15:
Danke, Graeculus. Die Kürzestgeschichten gefallen mir auch, wenn sie wie gute Lyrik dem Leser semantischen Nischen für das freie Spiel seiner Assoziationen lassen.

Aber es sollte auch Raum für Kurzgeschichten bleiben, die einen Haarschnitt lang sind, weil sie dem Autor mehr für ihre Strukturierung abverlangen.
JamesBlond (63)
(28.07.15)
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Graeculus (69) meinte dazu am 28.07.15:
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 28.07.15:
@James und Graeculus. Nein, es ist nicht verunglückt, sondern beabsichtigt. Es handet sich erzähltechnisch um Erlebte Rede, die meines Wissens dieses Spielen mit den Tempora erlaubt. Aber wenn es stört, ist die Korrektur leicht: Morgen würde sie es noch einmal wagen.
Danke fürs genaue Lesen.

 TassoTuwas (28.07.15)
Vierundzwanzig Stunden gewonnen, für alles was möglich sein könnte.
Auch ein Art kleines Glück.
Da heißt es Daumen drücken.
Herzliche Grüße
TT

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 28.07.15:
Merci, Tasso, ein kleines Glück, weil ja noch nichts verspielt ist.

Herzliche Grüße
Ekki
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