Kriegseuphorie

Vor allem über den aktuellen Krieg wird wieder gesprochen, als sei er ein Tennis- oder Fußballmatch, aus dem eine der Parteien als Gewinner oder Verlierer hervorginge. In Wirklichkeit aber gibt es unter aktiv am Krieg beteiligten Personen nur Verlierer. Veteranen der Siegerpartei wie Überlebende der unterlegenen Nation kehren als Traumatisierte nach Hause zurück. Gewissensbisse wegen Tötungen finden dann nur bei tiefreligiösen Menschen ihren Weg ins Bewusstsein, bei amerikanischen Heimkehrern aus dem „Bible-Belt“ gelegentlich wahrzunehmen, bei Deutschen unbekannt. Die Aufarbeitung mit Unterstützung eines Psychotherapeuten wäre bei allen Soldaten notwendig, findet aber nur äußerst selten statt. Der Veteran wurde und wird sicherlich auch in Zukunft sich selber und seinen seelischen Blessuren überlassen. Die einen flüchten dann unwiederbringlich in den Alkohol, härtere Naturen ziehen ihren militärischen Lebensstil auch in Friedenszeiten durch, obwohl sie sich unter Umständen sogar als Kriegsgegner definieren. Pünktlichkeit, Ordnung und Befehlsgewalt gehören zu ihren Prioritäten und sie erziehen vor allem ihre Söhne zum Chauvinismus. In Deutschland entwickelte sich nach dem Krieg der Wirtschaftswunderherrenmensch, der seine Hybris im geschäftlichen Bereich auslebte. Der Ehefrau wurde in einer solchen Konstellation die Verantwortung für Familie und Kinder ganz und gar alleine überlassen. Emotional hatten die meisten Soldatenväter wenig zu bieten, zumal in der Nachkriegszeit die Partnerwahl oft eher aus praktischen Erwägungen, nicht der Liebe wegen, stattfand. Weil solche Verbindungen unbefriedigend ausfallen, konnte sich in einem späteren Jahrzehnt ein aggressiver Feminismus entwickeln. Zu Hitlers langem Schatten gehört auch die aktuelle Kriegseuphorie der Urgroßenkelgeneration der Nazis. Die Selbstüberschätzung, das Riesenreich der Atommacht Russland durch Sanktionen, Waffenlieferungen oder gar in der direkten Konfrontation in die Knie zwingen zu können, bedeutet nichts anderes als die Wiederauferstehung des Größenwahnsinns, der nicht nur den als die Inkarnation alles Bösen und für alles Unrecht verantwortlich dargestellten Putin, sondern dem russischen Volk Rache für deren Vergehen schwört. Landauf, landab findet sich ausgerechnet im linksgrünen Politikspektrum Kriegsgejohle, mit dem die konservative Opposition gleichzieht, auch wenn sie weniger Begeisterung zeigen mag. Hat denn die Geschichte diese Leute nicht gelehrt, dass eine solche Haltung mit der bedingungslosen Kapitulation enden würde? Wie einst zu Weimar profitieren wiederum extreme Parteien.

Auf die Schutzmacht USA kann nicht mehr gebaut werden, weil diese entweder mit Trump aus der NATO aussteigen oder aber unter den Demokraten den Krieg in die Eskalation treiben wird. Putin seinerseits kündigt in seiner Neujahrsansprache an, dass Russland nicht weichen wird, auch Selenskiy denkt nicht an Kompromisse. Das alles ist beängstigend, denn aus einem nuklearen Weltkrieg kann kein Sieger hervorgehen.