Football ist halt auch nur (irgend)ein Game (Teil 5).

Text

von  theatralisch

Bisher existieren selbstredend vier Teile dieser Textreihe, wobei die Textsorte rückwirkend leider nicht mehr geändert werden konnte. Der Entschluss, das Thema als Serie fortzuführen, entstand nämlich erst nach Teil 1 / bei Teil 2. Also verlinke ich die jeweils anderen Teile in der "Anmerkung" unter dem Text. 

Mein Leben ist ein Drehbuch.

Kaiser Augustus lag auf dem Sterbebett und fragte seine Freunde, ob er die Komödie seines Lebens gut gespielt hätte: „Wenn aber nun sehr gut gespielt ist, dann klatscht Beifall und gebet alle uns mit Freude das Geleit“ (Suet. Aug. 99,1). Augustus war es also wichtig, fröhlich aus der Welt zu scheiden. Und darüber hinaus lassen seine letzten Worte die Assozioation zu, das eigene Leben als Drehbuch zu sehen – ob nun komisch oder gar tragisch.

Ich für meinen Teil sehe mein Leben auch als Drehbuch und wünschte, es wäre stets heiter – nur vermag ich nicht immer, den Teil dazuzutun, der dem entspräche. Also sprach ich zu – vielleicht Gott oder auch nur zu mir selbst – und bat um ein neues Drehbuch; um ein Drehbuch, nach dem ich leben könnte, das mir das Leben und vor allem die Entscheidungen, die damit bereits getroffen wären, erleichterte.  

In vielen meiner Texten oder Gedanken taucht folgender Satz auf: „Die Beliebigkeit ist mir ein Dorn im Auge.“ Damit meine ich, dass ich bis jetzt noch nicht herausgefunden habe, wie sich die Spreu vom Weizen trennen lässt. Ich starre nach wie vor Menschen fassungslos an, die ihren Körper und Geist gleichermaßen behandeln, als wäre er nur einer von Milliarden und nicht so sorgsam wie einer seinen eigenen Körper und Geist doch behandeln sollte.

Die Frage nach der Überwindung der Beliebigkeit schließt weitere Fragen mit ein: Insbesondere die nach dem Sinn des Lebens. Erst braucht es einen konkreten Plan mit Werten und allem drum und dran. Bei mir ist das im weitesten Sinne die Nächstenliebe: Es geht um eine Priorisierung, bei dieser Nächstenliebe im Fokus ist und davon dann weitere Prioritäten abzweigen wie: Was tue ich am liebsten, um mir (Körper, Geist) zu huldigen?

Nächstenliebe ist das zentrale Gebot, schlichtweg ein guter Mensch zu sein. Das bedeutete zum Beispiel, nie zu lügen, empathiebereit zu sein, Grenzen zu beachten, vor allem auch miteinander zu sprechen. Kurzum dreht sich hier viel um die Geduld im Kontext der sogenannten „Black Box“ – ein behaviorstisches / psychologisches Modell, bei diesem Input und Output betrachtet werden, nicht jedoch die inneren Prozesse wie Emotionen und dergleichen. Der Mensch wird hierbei als programmierbar betrachtet. Was einen Menschen also dazu bewegt, etwas zu tun, ist irrelevant. Aber genau danach leben bedauerlicherweise viele Menschen. Sie kommunizieren zu wenig, um herauszufinden, was wirklich in ihren Mitmenschen vor sich geht. Auch dies ist Prävention – Prävention, um einander ein leichteres Leben zu ermöglichen. Jeder profitierte schließlich davon.

Bei Lichte betrachtet ist weder das Gehirn eine Black Box noch interessierte es dir wichtige Menschen nicht, was wirklich in dir vorgeht. Meistens ist das, wodurch die (Nächsten)Liebe vermieden wird, eine Analogie zu Freuds Abwehrmechanismen. Anologie deshalb, weil die Vorbedingung, keine Liebe zu zeigen, jeweils die gleiche Ursache hat – irgendetwas scheint – (wie gesagt) ohne Licht – erst einmal wie eine schwarze Box auszusehen. In Wirklichkeit ignorieren wir dabei nicht die Anderen oder entziehen ihnen Liebe, sondern nur uns selbst, weil in den meisten Fällen die Eltern uns ebenfalls Liebe entzogen / uns ignoriert haben. Das ist drastisch; das ist ein Trauma. Jeder Mensch ist in gewisser Weise traumatisiert.

Nur mittels adäquater Kommunikation mit uns selbst, die jedoch nicht selbige Kommunikation ad absurdum führt, ließe sich ein Ausweg finden: Die Gefahr des Ad-Absurdrum-Führens besteht grundsätzlich im Leben für Menschen, die sich besonders intensiv mit einer Anschauung etc. befassen – sie sehen sozusagen irgendwann vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr und nehmen sich selbst wichtiger als ihre Mitmenschen.

Ich finde das sehr schade. Oft fühle ich mich deshalb sehr alleine bzw. bin es. Es ist ein Irrtum, anzunehmen, das Leben fließe oder der Mensch müsse (gar) nichts dazutun, um gut leben zu können. Jeder Mensch sollte sich jeden Tag abermals sich selbst stellen, um nicht Gefahr zu laufen, sich selbst und damit Andere ins Gegenteil zu kehren.

Jedenfalls – es werde (wieder) Licht: Die Angst vor der Angst ist unweigerlich da, doch wir brauchen Strategien, um damit umzugehen. Es reicht nicht, zu glauben, dass wir positiv durchs Leben gehen. Denn früher oder später könnte es passieren, dass unsere verdrängten Impulse Symptome evozieren, die wir dann wiederum zu betäuben versuchen. Ein Teufelskreis also, der sich bereits ab dem ersten Tag unseres Daseins anbahnt.

Um wieder zurück zu meiner Aversion vor der Beliebigkeit zu kommen: Mir ist bewusst, dass sich eine gewisse Beliebigkeit weder vermeiden lässt noch diese überhaupt immer etwas Schlechtes darstellt. Oft ist es erforderlich, der Beliebigkeit Platz zu machen und zum Beispiel zunächst seine niedrigeren Bedürfnisse wie Hunger oder Durst zu stillen, um sich irgendwann wieder mit der Selbstverwirklichung befassen zu können. Auch muss oft von konkreten Vorstellungen und Bildern, sich und sein eigenes Leben betreffend, Abstand genommen werden. Oft ergeben sich Lebenswege erst viel später. Das Leben ist eine lebenslange Reise und das Drehbuch über das Leben ist ein nie abgeschlossenes Projekt. Der Sozialphilosoph Jürgen Habermas hielt anlässlich der Verleihung des Adorno-Preises der Stadt Frankfurt im Jahr 1980 eine Rede mit dem Titel „Die Moderne – ein unvollendetes Projekt“:

„Nach den Malern und Filmemachern sind nun auch die Architekten zur Biennale in Venedig zugelassen worden. Das Echo auf diese erste Architekturbiennale war Enttäuschung. Die Aussteller in Venedig bilden eine Avantgarde mit verkehrten Fronten. Unter dem Motto ‚Die Gegenwart der Vergangenheit‘ opferten sie die Tradition der Moderne, die einem neuen Historismus Platz macht…“

Die Moderne würde sich aus der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit speisen. Dieser Kontext würde mit Stillschweigen übergangen werden. Die Postmoderne gebe sich entschieden als eine Antimoderne. Nur eine kritisch relefktierte Denkweise der Aufklärung könne die subjektive Freiheit verhindern. Habermas sah die Theorie eines herrschaftsfreien Diskurses auf Basis der Vernunft mit dem Ziel eines Konsens als zielführend dafür.  

Bereits in den Textreihen zuvor nahm ich Kritik am Kapitalismus und dem damit einhergehenden Trugbild einer Gesellschaft, die sich voneinander unterscheidet. Letztlich sind wir natürlich alle gleich – Stichwort Nächstenliebe.

Zufälligerweise las ich heute dank der Empfehlung eines Autorenkollegen Goethes Gedicht „Gefunden“, das sich in meine Gedanken und Empfindungen gut einreiht:

„Ich ging im Walde
So vor mich hin,
Und nichts zu suchen,
Das war mein Sinn.

Im Schatten sah ich
Ein Blümlein stehn,
Wie Sterne blinkend,
Wie Äuglein schön.

Ich wollt es brechen,
Da sagt' es fein:
Soll ich zum Welken
Gebrochen sein?

Mit allen Wurzeln
Hob ich es aus,
Und trugs zum Garten
Am hübschen Haus.

Ich pflanzt es wieder
Am kühlen Ort;
Nun zweigt und blüht es
Mir immer fort.“

Das Blümlein „hofft“ – wie wir Menschen doch auch – nicht zum Welken gebrochen zu sein. Wir erhoffen uns, dass wir füreinander und schließlich auch für uns selbst mehr sind, als eine flüchtige / beliebige Begegnung, dass wir irgendwo „weiterblühen“ können. Dies jedoch – die Flucht ins Flüchtige – ist ein Irrglaube, der zunächst vielleicht Freude bereiten mag, doch irgendwann wird uns bewusst, dass wir nur dort unsere Wurzeln schlagen können, wo wir auch einen Nährboden / Zuspruch / Liebe finden. Andernfalls wird unser Leben in einer Abwärtsspirale enden, in der ein Problem nur vom nächsten abgelöst wird und wir nie zur Ruhe kommen können. Diese Ruhe brauchen wir aber, um unsere Zukunft zu gestalten und unsere Ressourcen (Wurzeln) aus der Vergangenheit zum Einsatz zu bringen.  




Anmerkung von theatralisch:

Wie angekündigt die Verlinkung zu den ersten vier Teilen dieser Textreihe: 

 Teil 1
 Teil 2
 Teil 3
 Teil 4 

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Kommentare zu diesem Text


 Augustus (22.01.24, 13:55)
Aus der philosophischen Perspektive und nach einer These könnten wir ein einer simulierten Welt leben. Einige Anzeichen deuten das an. Die Beschränkung der Lichtgeschwindigkeit zb., die Auswahl an antworten( ja, nein) wie etwa die Maschinensprache (0,1); dann die aufeinander abgestimmten 4 Naturkräfte usw. 

Eine simulierte Welt lässt sich tatsächlich moralisch nur dann aushalten, wenn man nach transzendenten und solaren Zielen strebt, wenn also über diese Welt hinaus eine weitaus reichere, von gütigen Wesen bewohnte Welt existiert. 

Andernfalls könnte man in dieser Welt töten ohne Konsequenz zu erwarten, weil die Konsequenz selbst wieder simuliert ist, oder der lüsternen Verderbtheit nachgehen und Herz und Seele extrahieren, wonach ein löschprozess des Individuum zu verstehen ist, hin zu einer tellurischen gleichmachenden Natur, den Instinkten ohne verstand unterworfenen menschlichen Natur. 

Auch der nihilismus lässt sich nur transzendental lösen. Simuliertes leben und nihilismus sind zwei Seiten der gleichen Münze. 

Was können wir hoffen? Metaphysisch können wir hoffen einen Geist zu haben, und über diesen - soweit wir ihn leicht erhalten- so wie die Ägypter das Herz eines toten auf der Waage prüfen, und die Feder gegen das Herz wiegen. War das Herz leichter als die Feder, wurde die Seele des Menschen wiedergeboren, andernfalls durch ein ungeheuer auf ewig vernichtet. 

Alle Kulturen streben nach der Überwindung des immanenten. Das Hienieden wird gern als Übergang angesehen. 

Sein Leben zu entwerfen, ist gleichsam ein Bild zu malen. Manche Künstler oder Schriftsteller übertrugen ihren Mangel im Leben als Reichtum in den Werken. 

Richard Feynman äußert sich ähnlich und sagt, das Leben eines Menschen ist eine Geschichte. Der Wunsch seine Geschichte abzuändern gelingt mehr und oftmals in der Kunst als in der immanenten Welt. 

Auch der lebensfaden eines Menschen durch die Moiren ist ausgebreitet und nach der griechischen Mythologie vorbestimmt. Wie und ob er geändert werden kann, weiß ich ad hoc nicht, müsste ich nachlesen. 

Andererseits schreibt Julius Evola, dass männliche und weibliche Seelen einst ein-und dasselbe Wesen eines Engels waren, welches zerschnitten wurde und wonach diese beiden Teile auf Erden ewig einander anziehen, um sich wieder zu vereinen; daher die Anziehung zwischen männlichen und weiblichen Wesen. 

Otto Weininger argumentiert dagegen, dass die Frau dem Mann hinzustrebt, weil sie empfangen will, und nur der Mann die Eigenschaft besitzt, das Geistige ihr zu geben, während die Frau höchstens die Eigenschaften eines Mannes simulieren kann. 

Das sei dahingestellt; Goethe zeigt es in seinem Gedicht, „gefunden“ wie es geht. Der chronische Phallus will brechen, und den flüchtigen Duft der Blume einsaugen; und wenn dieser sich verflüchtigt, trachtet das Chthonische nach neuer Blume. Das Solare wird erst sichtbar, als er sagt, er verpflanze die Blume samt Wurzeln an einen anderen, schöneren, geschützten Ort, an dem er sich ihrer täglich erfreuen kann.

 theatralisch meinte dazu am 30.01.24 um 11:57:
Jetzt, da ich der Wissenschaft und den kruden künstlichen Texten den Rücken kehre, will ich wieder mehr Fantasie in Form von Medien in mein Leben lassen. Was war ich doch mal für ein heiteres fantasievolles Kind, das sich selten und zurecht (nicht) hat beirren lassen.

Über das wissenschaftliche Schreiben, wie du mal erwähntest, lernte ich immerhin, mich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Vielleicht ist es mir in weiteren etwa zehn Jahren möglich, mal ein Buch zu schreiben, das ich dann auch verlegen lassen will / für wertig halte. Denn nun brauche ich neben der Fähigkeit, mich aufs Wesentliche zu konzentrieren, auch noch WIEDER die Fähigkeit, zu empfinden.

Deshalb auch irgendwo all diese Texte über die Auseinandersetzung mit dem Tod. Es ist ein Thema, über das sich Menschen auch wieder dem Leben annähern können. Austausch darüber und generell ist immer bereichernd. Ich bin froh, auch nach so vielen Jahren noch etwas Anschluss auf keinverlag zu haben.

Inwiefern hat das Gesagte nun mit deinem Gesagten zu tun? Finde schon. Ich will im Grunde sagen: Alles, was ich bin, kann ich nur sein, wenn ich wirklich weiß, wer ich sein will im Kontext von "kann". Ich will sein, wie ich eben bin: Nicht jeden Tag gleich. Und ich will mit Menschen sein, die mich wirklich akzeptieren: Nicht nur an Tagen, an denen sie von mir profitieren. Ich bin in Ordnung. Das ist es, was ich eigentlich herausgefunden habe vor allem in den letzten paar Jahren, in denen ich wohl ziemlich mies behandelt wurde. Ich brauche nicht jeden Menschen, zu dem ich mal eine Bindung eingegangen bin oder irgendwelche Titel. In erster Linie brauche ich physiologische Vitalfunktionen im Zusammenhang mit allem/n, womit ich mich umgebe. Das heißt für jeden Menschen etwas anderes. Deshalb haben vielen Menschen auch ein falsches Selbstbild. Klar, sehen Menschen sich am liebsten beruflich (offensichtlich) erfolgreich, vermögend, schön etc. pp. Unterm Strich sind wir alle Mensch. Nicht "nur", sondern. Ohne Zusatz. 

Vieles ist unwichtig. Am wichtigsten ist tatsächlich die Liebe (im "Herzen").

So far
Isabella

Antwort geändert am 30.01.2024 um 11:59 Uhr
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