Die Mutter

Text

von  Mondscheinsonate

... hat 34 kg als a Nasse - ein Wiener Spruch "als a Nasse", sagte sie. Ich schwieg. Sie sagte weiter, dass sie nun im Spital ist, sie bekommt eine gynäkologische Entfernung - die Gebärmutter - sie gebar, aber Mutter war sie nie - aber, sagte sie, sie hoffe, dass das Spital sie ein wenig aufpäppelt - anfressen soll sie sich, aber es sei ein Jammer, mit ein bisschen Geld kauft sie sich kein Brot, sondern Bier. Ich sagte, es sei schlimm, dass sie nicht anders kann. Sie nickte. Sie sagte weiter, dass sie sich mit E. überworfen hat. Ihre einzige Geldquelle, geschnorrt hat sie bei der Nachbarin - sie sagte, jetzt hat sie gar nichts mehr. Ich bedankte mich für die Information und legte auf. 

Sie wird sterben, jetzt ist es soweit, ich spüre es, es ist vorbei. Alles ist vorbei. Der kleine R. (jetzt 50) zog heuer aus, das war der letzte Rest vom emotionalen Schützenfest, jetzt gehen sie alle. Das Haus stürzt geistig ein, Abschluss, weg, tschüss, endlich Schluss, Schmerz. 

Ich ertappte mich, dass ich es nicht ertrage. Nicht im Ansatz. Überhaupt nicht. Gar nicht. 

Nein, ich bin nicht mehr böse, habe Frieden geschlossen, ich denke schon letztes Jahr. Dann empfand ich gar nichts mehr. Aber jetzt habe ich Angst. Es ist meine Mutter, ich kann 27 Jahre fort sein, es bleibt meine Mutter.


"Nini! Bitte nicht in den Dreck! Das Kleid ist neu." [...] "NINI! Du unnötiges Kind! Jetzt plärrst du auch noch, dich braucht echt niemand!" - Ja, ich weine. 

"Nini, ich komm gleich wieder." - Ja, drei Tage später.

Ein Brief...betrunken geschrieben, man merkte es an der krakeligen Schrift: "Du Scheißkind, wegen dir habe ich kein Leben. Ich wünschte, du wärst tot." - Den Brief hob ich auf. Ich las ihn nach der Schule, wir stritten nicht, es passierte nichts, dann dieser Brief.

"Du hast dieselbe Schrift wie die Mutter," sagt meine Schwester. Das stimmt. EXAKT DIESELBE. "Ich habe mich so geschreckt als ich deine Nachricht las." - Du hast NIEMALS ihre Nachrichten gelesen. Unzählige schreckliche Nachrichten. Du warst nicht mehr da, bist ausgezogen. Ich las alle Nachrichten, einfach alle. 

Jetzt hörte ich eine Nachricht. Kein Licht.

Ich drehe die Birne aus der Fassung, kein Halt, ich stürze. Schmerz.  

Atmen, Mädchen, atmen. ATME! - weiter.  






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Kommentare zu diesem Text


 AchterZwerg (27.07.24, 05:54)
Verstörende Legenden sind es, die du grundsätzlich um deine Protagonisten rankst.
Schrecklich ist, dass sie wahr sein könnten.

 Mondscheinsonate meinte dazu am 27.07.24 um 07:51:
Mutter.

 FrankReich (27.07.24, 08:27)
Sorry, das war ein typischer Bernd-Das-Brot-Fehler. 😂

Kommentar geändert am 27.07.2024 um 08:31 Uhr

 Mondscheinsonate antwortete darauf am 27.07.24 um 08:30:
Danke, ich bessere es aus, aber mir- verständlicherweise- gerade sehr egal.
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