Mohn amour, Mohn est mon amour...

Kalendergeschichte zum Thema Wohlergehen

von  eiskimo


Nein, reden wir nicht über l´amour – dafür einmal über diesen vorangestellten Mohn, womit wir zur Abwechslung bei Kochkunst und Feinschmeckerei wären. Auch hier  halten sich die Franzosen ja für die Größten. Da ich oft und meist länger bei Franzosen zu Gast bin, ist es mir stets ein Vergnügen, sie da auf ihrem selbst ernannten „champ d´honneur“ ein bisschen alt aussehen zu lassen.

Am leichtesten geht es ja, indem man ihnen Bier vorsetzt, gutes deutsches Bier. Zum Beispiel zünftiges Augustiner oder auch ein obergäriges Kölsch. Okay, damit sind wir noch nicht bei der „Haute Cuisine“, auch noch nicht bei Mohn.

Immerhin, wir sind bei bissfester Nahrung. Und selbst da sind meine Gourmet-Freunde hier leicht zu entzaubern. Comment?
Dafür reichen mir Siglinde und Annabell, festkochende alte Kartoffelsorten, die ich von einem Eifelbauern mitbringe – schon, weil ich in Frankreich bis dato fast immer nur weißlich-zerfallende Riesen-Bintje bekommen habe. Peinlich, wie hier auch in teuren Restaurants minimalste Kartoffelstandards unter den Tisch fallen.

Auch beim Spargel müssen wir Deutschen uns nicht verstecken. Wer da frei ist zu wählen, wird in Deutschland zur besten Spargelzeit deutlich mehr Auswahl vorfinden und deutlich bessere Ware – von den Preisen noch ganz zu schweigen. Denn das Agrarland Frankreich ist bei Lebensmitteln erschreckend schwach aufgestellt und …. spürbar teurer als unsereins, wobei die großen deutschen Discounter in Frankreich schon sehr präsent sind und einiges tun, um die Kaufkraft der Franzosen hochzuhalten.

Meine französischen Freunde halten mir im Gegenzug gerne vor, was ihre Küche alles höchst Exquisites bieten kann, von Schnecken über Froschschenkel, Stopfleber, Lammhirn, Täubchen bis hin zu Austern und Meeresfrüchte.

Was soll ich da sagen? Klar, jetzt kommt endlich der schon oben angekündigte Mohn.

Denn ich sage nur Mohnkuchen. Mohnkuchen kennt in diesem Lande keiner. Mit Betreten des „territoire français“ ist der Mohnkuchen nämlich Opfer eines tiefen kulturellen Grabens, der uns fortgeschrittene Europäer radikal trennt. Zwar sagen die Franzosen Mohn Amour oder Mohn Chéri (kleiner Wortwitz, pardon!), sie haben aber keine Süßspeise, die etwa den unvergleichlichen Wohlgeschmack eines Mohnstollens vermittelt.

Warum dieser Klassiker der Backkunst nur den Ländern Mittel- und Osteuropas vorbehalten bleibt – ich weiß es nicht. Spätestens Napoleon hätte ihn doch, als er dort so lange Krieg führte, entdecken müssen.

Wie auch immer - ich habe mich – vielleicht gerade wegen dieses Rätsels – zum kulinarischen Brückenbauer und Botschafter ernannt und für mein Dorf hier einen Mohn-Tag ausgerufen. Mohnkuchen für die ganze Nachbarschaft!

Mohnstriezel, Mohnkranz, Mohnschnecken, Palatschinken oder Germknödel mit Mohn? Ich habe niederschwellig begonnen und mich auf zwei Bleche beschränkt, also frischen Hefeteig mit Butterstreusel und dazwischen ... drei Finger dick die Mohnfüllung, angereichert mit Rosinen, gehackten Mandeln und ein bisschen Gries.

Großes Erstaunen beim Apotheker gegenüber, der sich gerne fortschrittlich, antiklerikal und aufgeklärt gibt. Bei meinem Mohn-Präsent stellte er gleich den Zusammenhang mit Opium und der Drogenkriminalität her, lachend – Monsieur Chabert hat halt aufgepasst bei seinem Pharmaziestudium. Aber da er allein lebt und sich selten gut verpflegt, nahm er dieses Dessert – was absolut nichts mit Drogen zu tun hat! - gerne an.

Fabienne, die Friseurin unseres Dorfes, war geradezu entzückt, dass ihr deutscher Kunde eine so exotische Aufmerksamkeit für sie vorbei brachte. Die Frau zwischen ihren Händen wurde gerade mit Lockenwicklern bestückt – auch von ihr bekam ich spontanes Lob, ja, beide fanden die Geste „tres sympa“. Aber dass man „pavot“ tatsächlich in dieser Form essen könne, das war beiden absolut neu. Tapfer versprachen sie, es zu wagen – nicht sofort, sie hätten ja gerade Mittag gegessen.

Die Freunde vom Tennis, die ich anschließend zum Doppel traf, gaben sich ob der Mohn-Gabe recht cool und weltoffen, fast schon so, als hätten sie bei ihren Reisen le pavot längst ausgiebig goutiert. Okay – ist halt etwas exotisch, aber dass ausgerechnet aus Deutschland etwas vermeintlich so Delikates käme, naja. Ich spürte Skepsis. Bei deutschen Autos hätten sie eher die Gewissheit, dass sie wirklich etwas Gutes zwischen den Händen hielten. Und wir lachten.

Die beiden Nachbarinnen, Mutter Jeanne und Tochter Delphine, bedankten sich wortreich, und ich hörte immer „ chez Madame!

Dass in diesem Falle ich, der Mohnsieur, für das Backwerk verantwortlich zeichnete, quittierten sie mit einem ehrlichen „incroyable!“

Als ich erklärte, dass alles „bio“ darin sei, und ich nur wenig Zucker und kaum Butter verwendet hätte, bekam ich ein kalorienbewusstes „Bravo!“ - beide hielten gerade streng Diät. Die französischen Patisserien seien jedenfalls viel zu fett, hörte ich, und gut, dass da ein Deutscher mal mit etwas leichteren Naschereien aufkreuzte.

Jedenfalls hatte ich sehr rasch ein ganzes Blech meiner Mohn-Kreation verteilt. Der Tag war gut gewählt gewesen. Montags hat der Bäcker im Dorf zu, insofern kam mein Mohn-Tag halbwegs gelegen.

Klar war mir allerdings, dass ich – Pavot hin, Pavot her – nicht über Nacht die Essgewohnheiten meiner Mitmenschen ändern würde. Sie ein bisschen daran erinnern, dass nicht nur in Frankreich lecker gebacken wird, das reichte mir schon.

Da ich noch ein ganzes Blech Mohnkuchen übrig hatte, war mir das aber auch Trost genug. Denn so ein Mohnkuchen schmeckt ja immer! Klar, dass letztlich mein Schlusswort doch wieder lauten musste: Mohn amour.





Anmerkung von eiskimo:

Das erste, was ich bei meiner Rückkehr en Allemagne besorge, ist .....

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Kommentare zu diesem Text


 Regina (28.07.24, 05:48)
Seit ich Hunderte von Lebensmittelmotten in einer Dose mit Mohn fand, kann ich Mohnkuchen nicht mehr genießen. Auch diese Tierchen bevorzugten den Mohn vor dem Weizenmehl, vermutlich sind sie opiumsüchtig.
Ich selber habe in Frankreich mit selbstgemachten Bratlingen und buntem Kartoffelsalat gepunktet. Très bon! Das verunglückte Tabouleh meiner deutschen Gastgeberin fiel bei den Franzosen durch.

 eiskimo meinte dazu am 28.07.24 um 09:00:
Bei mir wird Mohn nicht alt, keine Chance für die Motten...
Guter Kartoffelsalat und Bratlinge -  auch da gäb es kein Halten.
Jedenfalls könnten die Franzosen von uns viel lernen.
Selbst beim Wein müssen die deutschen Winzer sich nicht verstecken, zumal sie die deutlich besseren Preise machen.

 AchterZwerg (28.07.24, 07:02)
Eine überaus leckere Geschichte.
Und ja, w i r  kochen jetzt viel besser als noch vor fuffzich Jahren. Siglinde gab es da allerdings damals schon. Und den Mohn (mit oder ohne Motten ;) )

Amüsant geschrieben und kommentiert.

 eiskimo antwortete darauf am 28.07.24 um 09:03:
Danke. Nach dem Motto: Lieber gutes Essen als eine schlechte Moral.
Mohnsieur lässt grüßen.
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