Fall

Text

von  Mondscheinsonate

G. lernte ich im freien Fall kennen, sozusagen, er fing mich auf. Ja, das tat er immer. Beim ersten Mal jedoch tanzte ich mit anderen auf einem Potest, sah den Rand nicht, kippte, genau in seine Arme. Nach ein paar kläglichen Versuchen einer Affäre, gaben wir es auf und blieben bis heute befreundet. Dies seit 30 Jahren. 

Er ist auch der Grund gewesen, warum ich mit 18 zum Saufen aufhörte, seitdem kein hartes Getränk mehr angerührt habe, vielleicht nur zwei Gläser Wein oder ein Bier im Jahr trinke. G. hat mich ohne Zeigefinger gerettet, denn als wir uns kennenlernten tranken wir alle nicht, sondern ertranken fast.

Und so war er, gerade 19 und ich noch 17, er gerade frisch gebackener Absolvent einer "Höheren technischen Lehranstalt", kellnerierte in einem netten gehobenen Wirtshaus im 18.Bezirk, um sich sein Studium zu finanzieren. Wenn er um zwei Uhr aus hatte, fuhr er mit dem Auto zu mir auf die Donauinsel, um mich sicher nachhause zu bringen. Ich war zumeist um diese Zeit bereits äußerst betrunken. Es passierte dann ein (mir) sehr unangenehmer Vorfall, ich bestand auf etwas, uncharmant beharrend, er ist auch nur ein Mann, das war der Tiefpunkt meines ganzen Lebens. Er nahm es nicht krumm, aber ich rührte nichts mehr an, die Narbe unter meinem Knie erinnert mich noch daran. Und, ab da wusste ich, dass ich nie wieder so tief sinken wollte. Einmal nur, doch, einmal, trank ich in den 30 Jahren (vor Schmerz) über den Durst, dies war, als ich zusehen musste als 300 Bücher von mir, die keinen Platz in meiner neuen Wohnung fanden, auf einem Bücherflohmarkt in der Schule verkauft wurden. Ich saß auf der Seite und ertrug die fremden Hände auf meinen Seiten nicht, trank ein Bier nach dem anderen. Vielleicht spielte auch das "neue Leben" mit hinein, vor dem ich Angst hatte. 

Ansaufen hatte keinen Sinn, die Bücher fanden neue Besitzer und ich ein neues Leben. 

Nun, G. wurde erfolgreich, leitete einen Pipelinebau im Iran, wir schrieben uns Karten und Briefe, damals gab es noch keine Smartphones, und dann wurde er Principal Consultant in Frankfurt, da rief er mich an, fragte, ob er das machen solle, seine Partnerin ist ganz unglücklich, wegen des Pendelns, da fragte ich, ob er glücklich wäre, wenn er verzichten würde? Er machte es. Und jetzt Business & Technology Integration Manager in Wien, aber da stieg ich dann geistig aus, irgendwas mit Chefsein. Auf jeden Fall haben wir wenig Kontakt, manchmal schreiben wir uns,  jeder lebt sein Leben, jedoch gehört er zu den wichtigsten Menschen im Leben, nämlich zu denen, die mich um 180 Grad drehten und einen Wendepunkt einläuteten.

Meine Freundin sah ihn letztens und sagte zu mir: "Du kennst die schönsten Männer und bist alleine, unverständlich." Ich lachte, sagte: "Alles hat seine Zeit."


Nachtrag: Als typisches Erdzeichen (Jungfrau) fehlte auch nie der Humor. Ich denke, das ist das Geheimnis einer langen Freundschaft. 


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