Verschubbahnhof

Text

von  Mondscheinsonate

(Für Dieter, bei dem nur Deutschland-Deutsch existiert: Rangierbahnhof)


Der Unterschied zu normalen Bahnhöfen ist, dass dieser hauptsächlich für interne Zwecke gebraucht wird. Züge werden zusammengestellt und auch wieder zerlegt. Güter werden koordiniert, ähnliche Richtungen zusammengefasst, alte Züge repariert oder ausrangiert, manche finden bis zur Entsorgung ihre ewige Ruhe auf einem Abstellgleis. Manche kommen auch in ein Eisenbahnmuseum als Attraktion, dürfen auch fein geschmückt eine Jubiläumsfahrt machen, andere - wir sagen in Wien - aus'padelt - sprich zerlegt, kommen in die Presse, werden zu kleinen Paketen, werden zu Schrott. 

Die Arbeit dort wird unter die "Schwerstarbeit" subsumiert, die giftigen Öle, Nachtarbeit, viel Kraft wird benötigt, der Dreck und Schmutz machen den Beruf nicht leicht. Hier gibt es keine Romantisierung über das Familienspiel "Modelleisenbahn", es ist ein knochenharter Beruf. 

Aber, auch von dem Verschubbahnhof geht eine Faszination aus, so wie bei allem, was "hinter den Kulissen" vorgeht. So durfte ich als junges Mädchen einmal zusehen, wie alles koordiniert wurde, es war so ein "Karrieretag", aber, was mich anging als Mädchen, würdigte man mein Interesse, jedoch wurde es nur den männlichen Begleitern ans Herz gelegt. Heute gibt es durchaus auch weibliche Automechanikerinnen, nur damals waren Mädchen und Öl offiziell nur in der Küche Freunde und das ist flüssiger, goldgelber. 

Jedoch, die Faszination "Bahn", die mir mein Vater einpflanzte, durch die Märklin, die er uns (eigentlich sich) kaufte, die mit der Zeit zu einer stattlichen und staatlichen (die Bahn gehört dem Bund) Landschaft heranwuch, mit vielen Gleisen und Zügen, einer Zentralschaltstelle, Bergen, Bahnhöfen und Leuten, die manchmal auch vergeblich auf den Zug warteten, da die Schaltstelle oft einen Wackelkontakt hatte, war schon sehr imposant. 

So stand ich zwischen Buben mit glänzenden Augen, die fast alle einen Kopf größer waren, die auch selbst Hand anlegen durften, mir drückten sie nur das Werkzeug in die Hand, sagten "Da halt einmal!"

Das Werkzeug war schwer, dreckig und ölig, ich fand das cool. Plötzlich sah man nur den Zug und nicht das Ziel. Auf einmal sah man auf die Verbindungen zwischen den Waggons und nicht auf Zugverbindungen. Wichtig war der Halt und nicht der Sitz. Interessant war die Elektrik, das Problem und deren Lösung und nicht der Ärger, warum es nicht weitergeht. Und der Mensch wurde neben dem Zug ganz klein, er wirkte riesig, so allein auf dem Reparaturgleis, unheimlich düster, war monströs ohne Licht. 


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Kommentare zu diesem Text


 Aron Manfeld (17.08.24, 19:42)
So richtig hast Du aber auch noch nie gearbeitet, liebes Tschapperl?

 Mondscheinsonate meinte dazu am 17.08.24 um 19:46:
Stimmt, mein Schatz, ich krieg die paar Flockerln mit ein paar Nullen mit Table Dance.

 Aron Manfeld antwortete darauf am 17.08.24 um 20:28:
Bin ich eine Null für Dich, nur weil ich freundlich kommentiere?

 Mondscheinsonate schrieb daraufhin am 17.08.24 um 20:52:
Nein, du bist und bleibst mein Liebling, das weißt du.

 DanceWith1Life äußerte darauf am 17.08.24 um 21:59:
Text und Kommentare bilden hier ein homogenes Beispiel wie menschlich Literatur im Internet  sein kann, obwohl mich der Table Dance schon sehr interessieren würde, sehe ich in naher Zukunft keine Reise nach Wien, lach

 Mondscheinsonate ergänzte dazu am 17.08.24 um 22:03:
Geh, in eine Oldiebar kommst du noch nicht rein, Süßer. :D

 Aron Manfeld meinte dazu am 17.08.24 um 22:06:
Altersheim angebrannt?

 Mondscheinsonate meinte dazu am 17.08.24 um 22:08:
Eher angesoffen.

 DanceWith1Life meinte dazu am 17.08.24 um 22:08:
gibts da literaturinteressierte Rechtsanwaltanwärterinnen ( oder wie immer der offizelle Status genannt wird) die Table Dancen?

 DanceWith1Life meinte dazu am 17.08.24 um 22:10:
ihr habt angesoffene, brennende Altersheime, staatlich oder privat?

 Mondscheinsonate meinte dazu am 17.08.24 um 22:11:
Neuerdings. Für 14h Arbeit und mehr verdienen wir zu wenig, da müssen wir daneben jobben. Außerdem können wir da unsere dunkle, verruchte Seite ausleben. 
Große Frage: Was hat das mit dem Abstellgleis zu tun? VIEL.

 DanceWith1Life meinte dazu am 17.08.24 um 22:14:
es geht nicht anders, ich versteh nur Bahnhof ( das musste jetzt geschrieben werden, an dieser Stelle, zu dieser Zeit, unter diesem Text)

 Mondscheinsonate meinte dazu am 17.08.24 um 22:19:
Bahnhöfe sind cool, Orte der Zusammenkunft und des Abschieds, der Vorfreude und der Flucht, auf jeden Fall Orte der Emotionen.

 DanceWith1Life meinte dazu am 17.08.24 um 22:25:
eine unvergessene Radiosendung, Free hatte gerade "Wishing Well" rausgebracht, Focus "Hokus Pokus, und der Moderator stellte einen Lyriker vor, "mit der Zärtlichkeit vorbeifahrender Züge". Verzeih, ein Flashback, ja da is ganz schön was los.

 Aron Manfeld (17.08.24, 22:21)
Und das alles ohne Lebendsfreude?

 Mondscheinsonate meinte dazu am 17.08.24 um 23:30:
Stets.
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