Ausmisten

Text

von  Mondscheinsonate

Der Vorsatz war wohl da, auch der Drang, sowieso die Gewissheit, dass es gemacht werden muss, sagte laut vor mich hin: "Jetzt geh ich's an!" - Der Großvater sagte stets amüsiert: "Die frohe Botschaft hör' ich wohl, allein mir fehlt der Glaube!" (Goethe) - und ich ging es an, die Küche blitzt, die Küchenkästen sind wieder halb leer, aber mittendrin verlor ich die Lust, denn als ich zum Schrank kam, in dem allerlei - Oma sagte "Kramuri" - Dinge gelagert, wohl archiviert sind, ein feinerer Ausdruck, alles herausstellte und durchsah, es sollte schließlich ein Ausmisten sein, das war der Plan, überlegte ich, dass man "das alles doch irgendwann gebrauchen kann" - das "irgendwann" ist das Ende des Ausmistens - und stellte, nein, ordnete alles wieder feinsäuberlich hinein, änderte nur die Lage der Dinge, dann schloss ich den Schrank wieder. - Ich bin meine Großmutter! Sie bunkerte ihr ganzes Leben in der Hütte, in der "Schupf'n"! Ein Eldorado an Habseligkeiten, von der 359. Packerlsuppe bishin zum neunten Koffer, der 30. Strumpfhosenpackung über den, längst aus der Mode gekommenen Gartenstuhl im hintersten Eck, hinter dem Vorhang, rechts, ich weiß es noch. Das 18.Mehl, niemals waren die Dinge abgelaufen, darauf achtete sie, aber dennoch kaufte sie stetig nach, damit die Zahlen immer gleich blieben, das Motorrad des Großvaters, dies im linken Eck, zugedeckt unter einer Plane, drei Stühle aus den Anfängen ihrer Zeit, der vierte ging im Umzug verloren, mein erstes Swimmingpool, ein kleines mit Rutsche, hinter der Türe im Eck lehnend, mein erstes Fahrrad, das bereits das erste Fahrrad meiner Schwester war, davor das erste Fahrrad meiner drei Kusinen, immer wieder liebevoll herrichten lassen, fing in der Hütte zu rosten an, aber sie behielt es, ja, sie behielt alles, hing an der Zeit. - Ich setzte mich zum Küchentisch und sah die Bücher durch, die ich vom Wohnzimmertisch nahm, vorher aus dem Regal, strich zärtlich über die Cover, ging wieder zum Regal und stellte sie an ihren Platz zurück. - "Werden wir etwa wie unsere Eltern?" (Breakfast Club) Meine Eltern waren meine Großeltern. -

Meine Antwort lautet "Ja."


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Kommentare zu diesem Text


 Graeculus (08.09.24, 16:39)
Leute mit der Tendenz zum Ausmisten haben bei mir Hausverbot. Wer es in Verbindung mit Büchern auch nur erwähnt, wird standrechtlich erschossen. Ich erwäge die Anbringung von Selbstschuß-Anlagen, um es ihnen auch nach meinem Abgang in die Ewigen Jagdgründe zu erschweren.

Kommentar geändert am 08.09.2024 um 16:40 Uhr

 Mondscheinsonate meinte dazu am 08.09.24 um 16:46:
😂😂😂😂
Und das von unserem Waluliso.

 Graeculus antwortete darauf am 08.09.24 um 16:55:
Ich bin kein WaLuLiSo, sondern ein BüFiMuRauch. Das möchte ich feststellen. Wie kann man mich so verkennen?

 Mondscheinsonate schrieb daraufhin am 08.09.24 um 16:59:
Hahahahaha.

 Regina (09.09.24, 09:03)
Vielleicht braucht man die Gerätschaften ja doch wieder. Und hat man nicht auch schon mal einen Gegenstand bereut, weggeschmissen zu haben?

 Mondscheinsonate äußerte darauf am 09.09.24 um 09:15:
Absolut!!!!

 tulpenrot (09.09.24, 09:34)
Ich bereue JEDEN Gegenstand, den ich aussortiert und aus den Händen gegeben habe. Es ist jedenfalls ein Stück meines Lebens, von dem ich mich getrennt habe. Aber wenn man alt wird, denkt man daran, nicht immer in dieser räumlich so großzügigen Umgebung bleiben zu können. Ich will vorbereitet sein. Einigermaßen jedenfalls.
Ich denke auch an meine Großmutter. "Verschenke es mit warmer Hand", war ihre Devise. Das bedeutet: Wenn du zu Lebzeiten Menschen hast, denen du damit eine Freude machen kannst, verschenke es. Es ist meine Tochter, die mich bremst in meinem Verschenk- (oder wenn es nicht anders geht: Wegwerf-)eifer. 
Aber ich finde die Schilderung deiner Großeltern trotzdem sehr sympathisch!
LG
Angelika

 Mondscheinsonate ergänzte dazu am 09.09.24 um 11:27:
Du, zunehmend bin ich aber schon glücklicher, wenn ich etwas hergeben kann. Ich habe nicht so viel Platz. Dank dir!
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