Das Dorf staunt

Betrachtung zum Thema Achtung/Missachtung

von  eiskimo

Im Dorf gibt es einen, der will sich vergrößern. Dich als unmittelbaren Nachbarn, dich hat er auf dem Kieker. Dein Vorgarten ist schon weg, der Zugang zum See auch. Zuletzt hat er sogar Leute von dir verschleppt. Unter Waffengewalt. Nein, er scheut vor nichts zurück.

Der Bürgermeister hatte dir angesichts dieser Aggression zunächst Hilfe versprochen, und er hat dem Erpresser auch gedroht. Immerhin.
Aber jetzt ist ein neuer Chef in dieses Amt gewählt worden, einer, der mit dem Dorf ganz andere Pläne hat. Dein Problem geht ihm sichtbar auf den Nerv. Und du auch.

Was macht er? Er verspricht lauthals, diese lästige Geschichte Ruck-Zuck zu lösen. Auf seine Art. Und die wäre?

Das Dorf staunt: Er macht tatsächlich mit dem Erpresser gemeinsame Sache. Nicht mehr, was dir gehört und dir geraubt wurde,  ist der Punkt. Und auch nicht, wer da so brutal übergriffig geworden ist. Sondern Punkt ist, dass dein lästiges Gezänke endlich aufhört. Und dass er, der neue Chef im Dorf, endlich freie Bahn hat für seine anderen Pläne.

Du bist leider nur ein Störenfried. Und da du trotzdem bei ihm warst und dein Recht eingefordert hast, ist er jetzt so richtig ausgeflippt.  

Mal sehen, ob jetzt wenigstens die anderen im Dorf dir beistehen.




Anmerkung von eiskimo:

Frei nach jüngsten Berichten aus der Presse

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Text


 Graeculus (01.03.25, 10:52)
Staaten, so sagte Bismarck, haben kein Freunde, sie haben nur Interessen.
Er dachte national, und so tut es der neue "Bürgermeister" in Deiner Geschichte.

Dann fällt mir auf, daß etwas in Deiner Geschichte nicht paßt auf unsere aktuelle Situation: Aktuell denken alle an ihre eigenen Interessen. Rußland sowieso, nunmehr die USA, und auch Europa hilft der Ukraine aus Eigeninteresse, weil es sich nämlich von Rußland bedroht fühlt.

Im Gegensatz dazu geht Deine Geschichte davon aus, daß wir alle in einem Dorf leben, mit einem Bürgermeister und unter ihm mit seinen mehr oder weniger anständigen Bürgern. Daß wir also gemeinsame Interessen haben.

Anscheinend geht gegenwärtig genau dieses Bewußtsein verloren: daß wir alle in einem globalen Dorf leben und dieses Zusammenleben nur dann friedlich möglich ist, wenn wir uns an die Spielregeln halten.

Eine anregende Geschichte.

 eiskimo meinte dazu am 01.03.25 um 15:53:
Danke für den guten Kommentar, vor allem für den Schluss-Absatz.
Der Erpresser versucht natürlich alles, um das Dorf zu spalten. Und der neue Bürgermeister bildet sich ein, mit dem seine Geschäfte machen zu können.
Das zu sehen tut schon weh.

 Regina antwortete darauf am 01.03.25 um 16:00:
Graeculus' Schwarzwaldklause als Zentrum der Welt, von wo aus die Einhaltung der Spielregeln überwacht wird.

 Graeculus schrieb daraufhin am 01.03.25 um 16:08:
Blödsinn, Regina.
Entweder hält man sich an Regeln, oder man muß das Spiel regellos spielen.
Der von mir ins Auge gefaßte Schiedsrichter sitzt nicht im Schwarzwald, sondern in New York, und dort nicht im Trump-Tower.

 Graeculus äußerte darauf am 01.03.25 um 16:14:
An eiskimo:

Eben habe ich bei Cicero in seinen Briefen an Atticus (I 8) die folgende Passage über den jüngeren Cato gelesen:

Gewiß, unseren Cato schätze ich nicht weniger als Du; aber in seiner anständigen Gesinnung und unerschütterlichen Zuverlässigkeit [optimo animo utens et summa fide] richtet er doch bisweilen Unheil in der Politik an. Er stellt Anträge, als ob er sich in Platos Idealstaat und nicht in Romulus‘ Schweinestall befände [dicit enim tamquam in Platonis πολιτείᾳ, non tamquam in Romuli faece sententiam].

Spontan habe ich Cato durch Selenskyj und Romulus durch Trump/Putin ersetzt, und siehe da, es kam einigermaßen hin.
In Putins und Trumps Schweinestall müssen wir leben, nicht in Platons Idealstaat.

 eiskimo ergänzte dazu am 01.03.25 um 16:22:
Das tröstet einen ja fast. Der Mensch bleibt sich treu.
Allerdings hatte der Schweinestall der Antike nicht die  Belastung, die der heutige "globale" Stall ausdünstet.
Zur Zeit online: