Keiner wusste zu sagen, woher sie kamen, es gab Gerüchte und Einflüsterungen, aber niemand vermochte es wirklich zu erklären. Seit Zaporozh'ye war alles anders gewesen, nichts wurde mehr wie vorher. Die Himmel blieben grau und gewalttätig. Und das Vieh starb.
Von irgendetwas musste man ja leben. Es ist sehr gut bezahlt. Natürlich muss man die Ausfälle herausrechnen, die Ausbrüche und, ja, auch die Toten.
Manchmal werden eben Landstreicher verwendet, oder Illegale, oder Strafgefangene, so als Leckerbissen, denn scheinbar haben die Taranteln in der Vergangenheit nichts anderes mehr gefunden, und so haben sie sich schließlich auf Menschen kapriziert, wenn ich das so ausdrücken möchte. Und dabei sind sie immer größer geworden. Ich wüsste gar nicht zu sagen, wann ihre Wachstumsphase abgeschlossen ist, womöglich haben sie gar keine, eine Phase, meine ich.
Sie klappern wie kaputte Stühle, die über rauen Betonboden gezogen werden, sie rasseln und manchmal fiepen sie auch wie junge Küken; eines ist vollkommen klar, sie verständigen sich untereinander, sie reden.
Von Zeit zu Zeit muss ein männliches Tier zur Begattung in die Ställe. Das gehe ich dann draußen in den Wäldern fangen. Es ist gar nicht so leicht, sie sind zwar kleiner als die Weibchen, aber auch gewitzter, würde ich sagen, sie verstecken sich, greifen aus dem Hinterhalt an und dann hat man alle Mühe, sie unter Kontrolle zu halten. Hilde, meine Frau verlor bei einer solchen Jagd ihren linken Arm. Sie hat sich immer gefürchtet, und jetzt, jetzt malträtiert sie die Biester mit der Elektrolanze, sticht ihnen die Augen aus, neulich hat sie einem Tier ein Bein mit dem Traktor herausgerissen. Seit zwei unserer Kinder verschwunden sind, ist sie verbittert, und sie lässt es die Taranteln spüren.
Ich bringe also das Männchen zur Begattung in die Ställe, das dann nach der Befruchtung, oder wie man das nennen möchte, diesen abseitigen Akt, der da passiert, verspeist wird, bis nur die leere Hülle bleibt. Immer bleiben nur groteske leere Hüllen.
Arbeiter zu finden ist wiederum nicht leicht. Viele suchen schon das Weite, wenn sie nur die Geräusche aus den Ställen hören, wenn die großen Tiere vor Aufregung mit den Beinen den Boden zum Vibrieren bringen oder das Schnarren und Schnalzen, wenn sie zu den Melkmaschinen getrieben werden. Dafür zahle ich aber anständig, und es gibt auch das entsprechende Versicherungspaket obendrauf. Die Arbeit ist nicht leicht.
Sie säugen ihre Kleinen nicht im herkömmlichen Sinne, so wie wir das tun; den Talg von ihren schuppigen und borstigen Körpern zu ernten geht nur in diesen speziellen Boxen; drei wurden dieses Jahr schon von den Tarantelbiestern zerstört, und dann hetzen sie in den Wald wie sich überschlagende grausige Kreisel und verschwinden zwischen Bäumen und Gestrüpp; um unsere Wohngebäude sind Stromzäune gezogen und wir haben einen Notgenerator.
Nach der Zeit der Großen Dürre und den folgenden Katastrophen, als alle Nutztiere verendet waren, blieb uns nichts anderes übrig; meine Frau, Hilde, war strikt dagegen, sie ekelte sich, ich auch, aber so sind die Zeiten, so ist das eben.
Ausgewachsene, also große Tiere, haben ein gutes Erinnerungsvermögen. Ich steche ihnen einige ihrer Augen mit der langen Lanze aus, wenn sie widerborstig werden, und die verbliebenen Sehorgane fixieren mich, wenn ich zur Melkzeit in den Stall komme; sie wissen genau, wer ich bin. Nachts träume ich, dass ihre schwarzen Pupillen mich suchen.
Bei dem großen Ausbruch letztes Jahr haben sie die angrenzende Kleinstadt überfallen, der Zivilschutz musste anrücken; aber ich konnte die Kosten tatsächlich einigermaßen von der Steuer absetzen; so sehr wollen die da oben die Milch dieser Kreaturen. Ich sage, so würde ich nicht ewiglich leben wollen, nicht zu diesem Preis.
Draußen, über den Wäldern, wütet wieder eines dieser Gewitter. Die Himmel ziehen sich zu und es drohen Wirbelstürme, Hagel, Blitz und Donner. Meine Taranteln sind böse, die Luft knistert. Wenn die Schuppen nicht halten, werden wir schwer zu arbeiten haben. Am fernen schwarzen Horizont strahlen die Ruinen ihre nukleare Säure in die Wolken. Gott gebe, dass es nicht so lange regne. Diese Tiere, sie beherrschen bald die Erde, die, die noch übrig ist. Dieses Getrappel und Gescharre, sie wittern die Elektrizität in der Luft, ihre Körper sträuben sich und das Rascheln und Rasseln ihrer Borsten und schuppigen Haare wird lauter und lauter. Das Getrappel der vielen Beine nimmt zu mit jedem fernen Donner. Hilde, bist du das, Hilde. Wo sind die Kinder, sind sie draußen.
Wenn die Türe leise im Windzug quietscht und stöhnt, sträuben sich meine Haare zu Berge. Ich sehe in das Schwarz und es glänzt und speichelt und vibriert sonor; es ist zum Sprung bereit.
© Rainer M. Scholz