Während...

Text

von  Saudade

... des Einkaufs umrundete ich mit dem Einkaufswagen einen heruntergekommenen, sichtlich verwirrten, ungepflegten und ungewaschenen Mann, der vor dem Kühlregal stand und auf seine offene Handfläche starrte, in der er einen kleinen Haufen Centstücke hatte, krampfhaft versuchte, es fiel ihm sichtlich schwer, den Haufen zu zählen. In der rechten Hand, der Arm war herabhängend, hielt er zwei abgegriffene Plastiktüten. 

Als ich ihn umrundete, bog ich in die Katzenfutterabteilung, dann in andere Abteilungen, danach wieder zurück, umrundete ihn wieder, in die Obstabteilung, dort sprach mich von der Seite ein Mann an, ich lächelte, es war mein bester Freund. Wir plauderten ein wenig, da fragte er: "Du wirkst unkonzentriert?" Ich nickte, sagte: "Da schau, jetzt steht der Mann noch immer und starrt auf die Cent, dann wieder auf das Kühlregal. Mir tut das in der Seele weh." Ich sagte ihm, dass wir in einem Wohlstandsland leben und sowas darf doch gar nicht sein, der Mann sei alt, das sei unerträglich, meinte das bitterernst. Da sagte mein bester Freund, der hier in der Gegend einen Laden betreibt, dass es wirklich schlimm sei. 

Wir gingen gemeinsam durch den Supermarkt, umrundeten den Mann, der nach 20 Minuten Plauderei noch immer an dem Platz stand, in derselben Position, da sagte mein Freund: "Du, der ist aber auch geistig verwirrt." Da sagte ich: "Und? Der hat Hunger." 

Er fragte, ob ich ihm etwas geben möchte? Ich nickte, aber sagte: "Ja, tatsächlich, aber ich frage mich, ob ich ihn beschämen würde, er bettelt nicht." 

Mein Freund sagte: "Das ist eine gute Frage. Aber, in Wahrheit kannst du es nur durch eine Tat herausfinden." Ich sagte: "Ja, aber was ist, wenn ich ihn tatsächlich beschäme?" 

Ich philosophierte nur, gab ihm nichts. An der Kasse zahlten wir und vor dem Supermarkt blieben wir noch stehen und redeten miteinander. Dann verabschiedeten wir uns, ich ging gerade vor, dann fiel mir ein, dass ich etwas vergessen hatte, drehte um, ging in Richtung Supermarkt zurück, da kam mein bester Freund wieder heraus. Ich lachte, fragte: "Hast du auch etwas vergessen?" Er nickte, ging.

An der Wursttheke stand der verwirrte Mann, bestellte Wurst. Unter dem Arm hatte er ein Brot und Milch eingeklemmt. In der Hand hielt er noch immer die Cent und einen 20 Euro Schein. 

Später rief ich meinen Freund an und sagte: "Du bist zurückgegangen und hast dem Mann 20 Euro gegeben." Er schwieg. Ich sagte und betonte es: "Du bist das Liebste." Er sagte: "Dir war's wichtig."

Ja, aber ich tat nichts. Er schon. Ich schäme mich nicht oft, aber gestern habe ich mich geschämt. Ich dachte, dass immer viel zu viel geredet und gedacht wird, nur geredet und gedacht, er tat etwas. Vom Reden und Denken wird keiner satt.


Hinweis: Der Verfasser wünscht generell keine Kommentare von Isensee.

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Text


 eiskimo (07.06.25, 14:31)
Es gibt nichts Gutes außer man tut es..
Schöner Text!
LG

 Saudade meinte dazu am 07.06.25 um 14:50:
Das ist richtig!!!
Zur Zeit online: