Antrag abgelehnt

Kurzprosa zum Thema Frauen/ Männer

von  Regina

Ob ich denn darauf bestünde, während der Ehe berufstätig zu sein, fragte er. Mit der Antwort zögerte ich. In der Tat hatte ich eine Reihe Hobbys, die mir die Berufstätigkeit aus Zeitgründen nicht erlaubte auszuführen. "Für dich wäre es passend, für die Liebe zu leben", stellte er fest und küsste mich zärtlich, aber nicht zudringlich.

Er wollte mich mit dem Auto nach Hause fahren, aber zuvor noch bei seinem Geschäftspartner vorbeischauen. Wir bewegten uns um Hausecken und Gassen, so dass ich am Ende nicht mehr so recht wusste, wo in der Stadt wir uns eigentlich befanden. Der Mann blieb aber nett und höflich zu mir. Auch der Geschäftspartner, für den ich vor Jahren etwas Büroarbeit erledigt hatte, war stets zuvorkommend aufgetreten.

Das Einzige, was mich gestört hatte, waren dessen Heiratsvermittlungsabsichten. Er glaubte in der Tat, dass er im Jenseits einst eine Stufe höher in den Himmel rücken würde, wenn er eine Ehe stiftete. Den Unterschied zwischen den Männern, die er mir zur Heirat vorschlug und jenen, die ich irgendwo kennenlernte, definierte er durch ihr Verhalten im Krankheitsfall meinerseits. "Die sagen: Geh zum Arzt, während meine Kandidaten ihre Frau hinbringen und wieder abholen." 


Nun war ich zwar keine gelernte Feministin, aber zum Arzt in der gleichen Straße hatte ich es immer noch geschafft, es sei denn bettlägerig. Letztendlich kündigte ich den Job, weil mir die Wohltaten, die er mir angedeihen lassen wollte, auf die Nerven gingen. Lieber wollte ich mein Beziehungsleben selber gestalten, auch wenn das nicht immer mit dem besseren Ergebnis belohnt werden würde.

Ein ähnliches Empfinden stieg nun auf. Wir waren bereits eine halbe Stunde unterwegs und ich hatte das Vertrauen nach und nach verloren. "Für die Liebe leben" konnte nun einmal verschiedene Vorstellungen bedeuten. Obwohl mein Begleiter sein freundliches Verhalten nicht verändert hatte, wählte ich in einem unbeobachteten Moment den Polizeinotruf und bestand dann darauf, dass die Polizisten mich mitnehmen würden. "Ich will sie heiraten", antwortete mein Bekannter auf deren Fragen. Dieser Behauptung im Angesicht kriminaltechnischer Ermittlungen schenkte ich nun gar keinen Glauben mehr und die Streifenbeamten fuhren mich nach einigem Zögern zur nächsten Straßenbahnhaltestelle. 




 






Anmerkung von Regina:

nicht autobiografisch

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Kommentare zu diesem Text


 Saira (11.06.25, 10:16)
Gina, deine Protagonistin ist die erste, von der ich lese, dass sie einen Heiratsantrag mit einem Polizeinotruf beantwortet hat. Das nenne ich mal konsequente Selbstbestimmung!  :D
 
LG
Saira

 Regina meinte dazu am 11.06.25 um 13:59:
Misstrauen würde ich es in diesem Fall nennen. Der entscheidende Funke sprang wohl nicht über.

 Graeculus (11.06.25, 14:47)
Das ist aber schon eine extremes Mißtrauen! Ein klares, bestimmtes "nein!" hätte doch durchaus genügt; und erst, wenn das nicht respektiert wird, kommt die Polizei in Betracht.
Eine befremdliche Person. Oder sind wir Männer dermaßen verderbt, daß man jedem von uns jederzeit alles zutrauen kann?

 Regina antwortete darauf am 11.06.25 um 15:14:
...weshalb die Polizisten auch zögerten, denn gegen den Mann lag nichts vor.

 AZU20 (14.06.25, 13:37)
Gut so. LG

 Saudade (14.06.25, 13:39)
Großartig, Regina.
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