Mit Fotos eine Geschichte erzählen

Erörterung zum Thema Tragik

von  eiskimo

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Erzählt man eine Geschichte mit Worten, entfaltet sie Schritt für Schritt ihre Inhalte. Das dauert, und was davon ankommt, ist bei allen Empfängern ziemlich gleich. Erzählt man eine Geschichte per Foto, ist da zunächst gar keine Geschichte. Da ist bloß eine Abbildung, die blitzschnell erfasst wird. Aber … die kann dem Betrachter etwas „sagen“ – irgendetwas -  oder auch nicht.

Die hier gezeigte Tube Harissa gehört wahrscheinlich zu den Nichts-Sagenden. Wer kennt auch schon diese rote Würzpaste, die ein Markenzeichen der nordafrikanischen Küche ist? Scharfe Paprika (87%), Knoblauch, Koriander, Salz und Kümmel – damit würzt man zum Beispiel ein Couscous.

Für mich aber birgt dieses Produkt mit der schönen Bezeichnung „Der Leuchtturm des Guten“ eine sehr heiße Geschichte. Und diese Geschichte ist für mich sofort präsent, sobald ich irgendwo in einem französischen Supermarkt diese Harissa-Tuben erblicke. (Achtung: Jetzt beginnt die Erzählung „hinter“ dem Bild, also der in Worten dargestellte Teil.)

Denn in jungen Jahren waren wir, meine Frau, ein befreundetes Paar und ich auf Korsika, um dort einen schönen Campingurlaub zu verbringen – der erste Urlaub per Zelt, und da die Fähre schon arg teuer war für uns Studenten, mussten wir auch fast immer selber kochen. Sehr oft Nudeln mit einer roten Soße.

Die von zu Hause mitgebrachten Tomatenbüchsen waren bald aufgebraucht. Und es war Samstagabend. Deshalb fuhr das befreundete Paar rasch los, um in einem Dorfladen noch Ersatz zu beschaffen. Wir machten derweil schon das Nudelwasser heiß – auf einem Campingkocher ein durchaus anspruchsvoller Job. Jedenfalls war dann alles parat, um endlich etwas zu beißen zu kriegen. Aber was brachten unsere Freunde mit? Dieses oben abgebildete Produkt, das sie wohl für eine Art genießbares Tomatenmark gehalten hatten.

Harissa ist genießbar. In Kleinst-Mengen, wohlbemerkt. Ein, zwei Messerspitzen für vier Personen. … Aber was taten wir? Wir „verfeinerten“ mal naiv die teuren Nudeln mit zwei Dritteln des Tubeninhalts (140 Gramm)

Ein heißes Essen, kann ich nur sagen. Oder hot, wie der Engländer sagt. Noch very hot auch am nächsten Tag.

 Gut 40 Jahre sind seit dieser Orgie vergangen. Die Geschichte ist trotzdem noch hellwach. Hier soll sie nur als Beweis dienen, dass Fotos tatsächlich tolle Aufhänger sein können. Vor allem so heiße Fotos wie das hier gezeigte.





Anmerkung von eiskimo:

In Deutschland habe ich „Harissa“ schon einmal in türkischen Läden entdeckt. Es steht da auch in größeren Büchsen.  Nach meiner Geschichte hier wird es von euch sicher erkannt werden. Geschichten, die per Foto verankert werden, halten nämlich länger. Und wenn es dann noch ums Essen geht, sowieso.

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Kommentare zu diesem Text


 Graeculus (28.05.25, 00:51)
Die Tube spricht mich tatsächlich an; wäre sie mir schon einmal in einem Laden begegnet, hätte ich mich tatsächlich zu einem Kauf entschlossen. Jetzt wäre ich - Danke! - zumindest mit dem Einsatz vorsichtig.

Ich werde mal einen arabischen Freund fragen, ob er die kennt und welche Erfahrungen er damit gemacht hat.

"Phare du Cap Bon" steht da. Der Pharos war der berühmte Leuchtturm in Alexandria, eines der Weltwunder der Antike. So ist er in die französische Sprache für "Leuchtturm" gekommen.

 Graeculus meinte dazu am 28.05.25 um 01:16:
Ist das noch schärfer als Sambal Oelek?

 AchterZwerg antwortete darauf am 28.05.25 um 06:50:
Viel!  :P

 eiskimo schrieb daraufhin am 28.05.25 um 14:48:
@Graeculus
Die Scheinwerfer am Auto, auf französisch: les phares
Jedenfalls bon appetit!

 Graeculus äußerte darauf am 28.05.25 um 14:52:
Ach, auch Autoscheinwerfer heißen so, das wußte ich nicht.
Hier liegt aber wohl eine Anspielung auf einen Leuchtturm an einem gewissen Cap Bon vor - wo auch immer das sein mag.

 Regina (28.05.25, 05:01)
Visuelle Informationen sind sehr viel schneller als Text, aber die Historie hier ist freilich die deine, obwohl jeder diese Tuben verwechseln könnte.

Sambal oelek ist ein anderes Rezept, aber die scharfe Grundzutat ist die gleiche.

 AchterZwerg (28.05.25, 06:54)
Ohne Beachtung deiner zweifellos witzigen Geschichte spricht die Tube mir von abgegriffener und ausgedrückter, vergangener Schärfe.
Vielleicht der Schärfe des geschriebenen Wortes.  8-)

 eiskimo ergänzte dazu am 28.05.25 um 11:10:
Ja, die Schärfe. Beim Denken und Formulieren - gerne.
Sambal, Tabasco,  Chili...beim Essen bitte nur in homöopathischen Mengen...

 FrankReich (28.05.25, 07:20)
Apropos, kennst Du die noch?


🥳

 eiskimo meinte dazu am 28.05.25 um 11:07:
Kenn ich nicht, ist aber schön hot, das Disaster.

 Moja (28.05.25, 11:47)
Ein Foto als Aufhänger für eine Geschichte, gute Idee!
Hatte sofort eine Assoziation: mir Harissa gewürzten Hummus - und nun Appetit... :)

Grüße von Moja

 eiskimo meinte dazu am 28.05.25 um 14:45:
Wenn ich trotz allem Appetit gemacht habe, umso besser. Hummus ist eine Lust!
LG
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