Die Königin des Türvorhangs

Satire zum Thema Neid

von  Saira

Es lebte einmal im kleinen Reich der Tastaturritter eine Frau, die sich selbst für die letzte Instanz über alles hielt, was ein Gesicht hat. Sie titulierte sich als „Patronin der ungebügelten Realität“, obwohl – Ironie des Schicksals – niemand je ihr eigenes Antlitz gesehen hatte. Man kannte nur ihre Initialen, hinter denen sich ein erstaunlich massives Brett verborgen hielt.

Doch wehe dem, der ein Foto von sich zeigte. Sofort erhob sie sich – schmallippig, spitz kommentierend, im eifrigen Auftrag des Neides – und erklärte, wer angeblich was „schönt“.


Ja, sie führte sogar Protokoll über die Häufigkeit wechselnder Avatare – als sei das Internet ein Beichtstuhl und sie dessen gestrenge Oberin. 

Es war die Art von Urteil, die nur jemand fällt, der sein eigenes Spiegelbild seit Jahren hinter einem Türvorhang verbirgt.

Das Merkwürdige daran: Während sie über andere herzog, wagten es manche Menschen – jene, die sich vom Spiegel nicht bedroht fühlten – einfach zu lächeln. 

Diese Menschen stellten Bilder von sich ein, wie sie waren: mal begeistert, mal müde, mal strahlend, mal ungeschminkt; von gestern, von letzten Monat, vom letzten Jahr, von heute – aber immer echt.

Ohne Filter.
Ohne Weichzeichner.
Ohne Angst.

Denn wer nichts zu verstecken hat, braucht keine Verschönerungen.

Doch die Patronin verstand nicht, wie man so frei sein konnte; dass es Menschen gibt, die ihr Gesicht zeigen, ohne vorher die digitale Bügelmaschine anzuwerfen. Also schrieb sie kleine Seitenhiebe, angeblich „über niemand“, obwohl jeder wusste, dass sie damit genau eine Person meinte: diejenige, deren Echtheit sie am tiefsten verstörte. So saß die Patronin weiterhin auf ihrem Hügel aus Missgunst, schoss Pfeile ins Dunkel und wunderte sich, dass sie fast allein war. Zwei, drei Mitläufer hielten ihr die Stange.

Am Ende zeigte sich:
Ihre größte Angst war weder das Altern noch das Aufdecken, nicht einmal das Internet.

Ihre größte Angst war etwas viel Einfacheres:

Jemand könnte sie sehen:
Mit ihrer Bösartigkeit, dem verkniffenen Mund, den misstrauisch zusammengezogenen Augen, der Eifersucht, die wie ein Grauschleier über ihrem Denken lag, und jener starren Krampfhaltung, in der Menschen verharren, die anderen das Lächeln missgönnen, weil sie selbst keins mehr hervorbringen.

 

 

 

 

©Sigrun Al-Badri/ 2025



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