Rüdiger Feinschnitt war zufrieden.
Er hatte seinen Auftrag mit der gewohnten Mischung aus Professionalität und kindlicher Freude erledigt.
Im Wald lag der Ehemann einer Kundin seiner Agentur –
bekleidet mit nichts als der Tatwaffe: einer Krawatte.
Die restliche Garderobe hing sorgfältig in den Ästen.
Ein sauberes Gesamtbild war ihm wichtig.
Er nannte das Corporate Identity.
Feinschnitt betrachtete sich nicht als Mörder, sondern als Dienstleister im Bereich Konfliktlösung.
Seine Arbeit beruhte auf drei Säulen: Effizienz, Diskretion und eine gewisse Liebe zum Detail.
Für ihn war Töten keine Sünde, sondern Performance.
Der Auftrag war Routine – ein Fall von Eifersucht, wie er jedes Quartal mehrfach auf dem Tisch lag.
Feinschnitt hatte sich online als Blondine mit Idealmaßen inszeniert,
ein digitales Trugbild aus Silikonträumen und Männerglauben.
Dass er in Wahrheit glatzköpfig, blass und laktoseintolerant war, schadete nicht.
Männer sahen ohnehin lieber, was sie sehen wollten – und noch lieber, was es nie gab.
Verkleidet mit Perücke, Lippenstift und falschen Wimpern hatte Feinschnitt hinter dem Gebüsch gewartet.
Ein paar Lockrufe, ein paar Versprechungen – und schon tappte der Romeo in die Falle.
Der Rest war, wie er es nannte, kreative Körperarbeit.
Er sprach gern von Todes-Choreografien: rhythmisch, elegant, beinahe tänzerisch.
Ein Freudentanz für ihn, ein Abgang für den anderen.
Im Hotelzimmer wusch er sich die Hände.
Nicht aus Reue, sondern aus Prinzip.
Er hasste Rückstände – sie zerstörten den Gesamteindruck.
Er zündete sich eine Zigarette an, kontrollierte seine Pulsuhr und wartete auf den Champagner.
Es klopfte.
Ein Kellner trat ein – korrekt, leise, fast ehrfürchtig.
„Vom Haus, mein Herr.“
Er stellte die Flasche ab, trat näher, lächelte verbindlich
und legte Feinschnitt eine Krawatte um den Hals.
„Wer schickt Sie?“ keuchte Feinschnitt, während die Seide sich zuzog.
„Ihre Agentur, Herr Feinschnitt. Sie waren überfällig. Quartalsbereinigung.“
Der Kellner richtete die Krawatte noch ein wenig.
„Jetzt sitzt sie perfekt“, sagte er.
Feinschnitt hätte fast applaudiert –
ein Mann erkennt Qualität, selbst im eigenen Abgang.
© Sigrun Al-Badri / 2025