Der listige Parfümeur

Satire zum Thema Erfahrung

von  Saira

Im Schatten der goldenen Kuppeln von Bagdad, wo die Geschichten so dick in der Luft hängen wie der Qualm aus den Wasserpfeifen, nahm alles mit einem Gerücht seinen Anfang, das sich schneller verbreitete als die Flöhe in den Teppichen der Teehäuser. Es war die Zeit, als die Händler ihre Datteln mit mehr Sand als Zucker verkauften und die Dichter ihre Verse lieber gegen Bakschisch tauschten als gegen Applaus. In diesem brodelnden Chaos aus Gewürzduft und Hinterlist, lebte Zuleika – ein Name, der auf den Märkten wie ein scharfes Chili durch die Reihen zischte.

 

Zuleika, deren üppige Rundungen so verschwenderisch waren, dass selbst die prunkvollsten Basarzelte neidisch flatterten, war ein Anblick, der die Sinne betörte und die Moral der Männer auf eine harte Probe stellte. Ihr Gang glich dem sanften Wiegen einer Oase im Wind, und jede Bewegung ließ ihre anmutigen Hüften in einem geheimnisvollen Rhythmus schwingen, der die Blicke der Männer wie von Zauberhand fesselte. Ihre Brüste, rund und stolz wie frisch gebackene Fladenbrote, ließen die Wasserkrüge der Trägerinnen vor Schreck überlaufen. Wenn sie durch die engen Gassen des Basars schritt, schien der Stoff ihres Gewandes kaum in der Lage, die weiche Fülle ihrer Formen zu verbergen.

 

Doch Zuleikas Schönheit war Fluch und Segen zugleich. Ihr Vater, der Teppichhändler, roch das große Geschäft und Einfluss wie ein Wolf frisches Blut, während die Basarhändler sich fragten, ob es nicht lohnender wäre, auf Zuleikas nächsten Augenaufschlag zu setzen als auf das nächste Kamelrennen. Sogar der Imam, sonst ein Bollwerk der Tugend, verlor beim Anblick ihrer schwingenden Formen regelmäßig den Faden und wusste nicht mehr, bei welchem Vers des Korans er gerade war.

 

Und da war Mustafa, der Kalifensohn – in der Stadt besser bekannt als der „Stinker von Bagdad“. Sein Vater, der Kalif, hegte die naive Hoffnung, eine Heirat mit der schönen Zuleika könnte seinen Sohn von seinem olfaktorischen Fluch befreien. Doch schon bei Mustafas Geburt waberten Düfte durch die Gassen Bagdads, die selbst in einer Stadt, in der Gülle auf die Bürgersteige floss und das Bad nur an hohen Feiertagen als Zumutung galt, ihresgleichen suchten. Mustafas Mutter verweigerte dem Kind die Brust und überließ ihn einem Kindermädchen, das zum Glück keinen Geruchssinn besaß.

 

Verzweifelt wandte sich der Kalif an den berühmtesten Parfümeur der Stadt. Doch der alte Fuchs, ein Satiriker durch und durch, braute ein Parfum, das Mustafas Gestank nicht etwa überdeckte, sondern in neue, ungeahnte Höhen katapultierte. Mustafa indes ließ sich davon nicht beirren – im Gegenteil: Er wähnte sich nun unwiderstehlich. Mit jedem Schritt zog er eine Wolke aus Moschus, Schweiß und Katzenminze hinter sich her, die selbst die Tauben von den Dächern trieb. Die Katzen Bagdads folgten ihm wie ein pelziger Hofstaat, während die Basarhändler ihre Waren hastig mit Tüchern bedeckten, aus Angst, der Gestank könnte ihre Waren verderben.

 

Zuleika weigerte sich, den Sohn des Kalifen in ihren Gemächern zu empfangen, obwohl ihr Vater sie zu überreden versuchte. Er versprach ihr, dass Mustafa ihr ein Leben in Reichtum bieten könne. Doch Zuleika träumte von Karim, dem Sohn des Bauern, dessen Oberarme vom Wassertragen gestählt waren und dessen Lächeln ehrlicher war als die Steuererklärungen des Kalifen. Ihr Vater jedoch, geblendet von Gier, ließ sich nicht erweichen. „Ein Teppichhändler verkauft keine Seide zum Preis von Ziegenhaar!“, rief er und schielte dabei auf die Mitgiftkasse, die so leer war wie Mustafas Versuche, den Gestank loszuwerden.

 

Die Gerüchte um Zuleikas Reize und Mustafas Katzenplage verbreiteten sich wie ein Lauffeuer. Bald kamen Neugierige aus allen Ecken Bagdads, um das Schauspiel zu sehen: Zuleika, die mit ihren üppigen Formen den Basar in Aufruhr versetzte, und Mustafa, der mit seinem Duft die Tierwelt in Panik versetzte. Die Händler verdienten an Eintrittsgeldern mehr als an ihren Waren, und der Kalif überlegte, ob er seinen Sohn nicht als Attraktion auf Wanderschaft schicken sollte.

 

Doch das Schicksal, launisch wie ein Basarhändler am Abend, hatte andere Pläne. Eines Tages, als Zuleika mit besonders schwingenden Hüften und einem Lächeln, das selbst den Mond erblassen ließ, über den Markt schritt, geriet Mustafa in einen Streit mit den Katzen. In dem Durcheinander stürzte er in einen Brunnen, und die Katzen sprangen hinterher – angelockt von seinem unwiderstehlichen Duft. Der Brunnen war fortan unbenutzbar, und die Wasserpreise stiegen ins Unermessliche.

 

Zuleikas Vater, nun ruiniert und von den Basarhändlern verspottet, verbot seiner Tochter, das Haus zu verlassen. Karim, der von der Tragödie hörte, versuchte, Zuleika zu befreien, doch der Vater blieb unerbittlich. Zuleika, gefangen in ihrem goldenen Käfig, seufzte Tag für Tag an ihrem Fenster. Ihre Schönheit, einst Segen, wurde zum Fluch – und so endete sie, wie so viele Frauen ihrer Zeit: nicht als glückliche Braut, sondern als Legende, deren üppige Rundungen und trauriges Schicksal noch Generationen später auf dem Basar von Bagdad besungen wurden.

 

 

 

 

©Sigrun Al-Badri/ 2025




Anmerkung von Saira:

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Kommentare zu diesem Text


 Didi.Costaire (26.05.25, 20:01)
Hallo Sigi,
das sind ja ausschweifende Beschreibungen. Ich bin beeindruckt.
Liebe Grüße,
Dirk

 Saira meinte dazu am 27.05.25 um 08:44:
Moin Dirk,

wie schön, dass dir meine ausführlichen Beschreibungen gefallen! Ich finde, gerade bei orientalischen Geschichten darf es ruhig ein bisschen opulenter zugehen.


Liebe Grüße,
Sigi


Antwort geändert am 27.05.2025 um 08:46 Uhr

 AchterZwerg (27.05.25, 07:09)
Liebe Sigi,

mit Sicherheit eine Geschichte für die 2002te Nacht - der noch viele weiter folgen mögen!

Lächelnde Grüße
Heidrun

 Saira antwortete darauf am 27.05.25 um 08:49:
Liebe Heidrun,
 
deine Worte sind wie ein kleiner Stern am Geschichtenhimmel … sie leuchten nach :)
 
Herzliche Grüße
Sigi

 plotzn (27.05.25, 10:03)
Sehr fantasievoll, liebe Sigi!
Wann bringst Du Dein orientalisches Märchenbuch heraus?

Herzliche Grüße
Stefan

 Saira schrieb daraufhin am 27.05.25 um 12:15:
Danke, lieber Stefan, für dein schönes Lob!
 
Wenn ich an die vielen Abende denke, an denen ich meinem Sohn – und vor noch nicht allzu langer Zeit meinen Enkelkindern – Geschichten von Dschinns, Prinzessinnen und mutigen Helden erzählt habe, beginne ich selbst wieder zu träumen.
 
Allerdings glaube ich kaum, dass daraus ein Märchenbuch entstehen wird.
 
Herzliche Grüße aus dem Märchenzelt
Sigi


Antwort geändert am 27.05.2025 um 12:16 Uhr

 TassoTuwas (27.05.25, 13:46)
Moin Sigi,
eine fantasievolle Geschichte voller großartiger Bilder.

Aber, so betörend und verführerisch die Düfte des Orients auch sein mögen, Liebe mit Nasenklammer geht auch da beim besten Willen nicht.
   :D

Liebe Grüße
TT

 Saira äußerte darauf am 28.05.25 um 09:12:
Moin Tasso,

wie recht du hast!  Liebe mit Nasenklammer ist wie Bauchtanz mit Gummistiefeln :O


Orientalische Grüße mit gerümpfter Nase
Sigi

 Teo (27.05.25, 14:13)
Meine Güte Sigi...diese Zuleika!
Dat is ja eine...
Ich kenn auch eine Zuleika. 
Zuleika Kowalski. Die putzt bei REWE in Gelsenkirchen Ückendorf.
Die is auch schwer in Ordnung.
Also...mehr schwer als in Ordnung.
Schöne Geschichte.
Salem Aleikum
Teo

 Saira ergänzte dazu am 28.05.25 um 09:18:
Ach Teo,

Zuleika Kowalski aus Ückendorf kenne ich auch! Die hat mir mal einen orientalischen Feudeltrick gezeigt und seitdem tanzen die Flöhe auf meinen Teppichen einen Bauchtanz. „La 'nat Allāh ʿalayh" („Gottes Fluch sei auf ihr“) 
:angry:

As-salāmu ʿalaikum: „Friede sei mit dir
Sigi

 Teo meinte dazu am 28.05.25 um 09:39:
Moin Sigi,
Ach...wat is die Welt doch winzig!
Übrigens, Suleika tanzt nur für mich immer ohne Feudel.
Sigi...ich sach dir....zauberhaft!
Euch schönen Feiertag
Hamsa tralla Wamsa
Teo
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