Der goldene Kopf - Weihnachten im Weißen Haus

Groteske zum Thema Abrechnung

von  Saira

Der Weihnachtsbaum stand im East Room wie ein überladener Altar. Spiegel und Präsidentengesichter vervielfältigten sich in Kugeln, die einander betrachteten. An der Spitze: ein vergoldeter Trump-Kopf. Zu groß. Zu schwer.

 

Donald Trump stand davor, die Hände gefaltet.
„So sieht Erfolg aus.“

 

Melania stand neben ihm, reglos, kühl, perfekt positioniert.
„It is … loud“, sagte sie.


„Laut ist Führung“, erwiderte Trump. „Leise ist Schwäche.“

 

Die Söhne warteten wie ein Echo auf ihren Einsatz.


„Niemand feiert besser“, sagte Don Jr.


Eric nickte. „Es fühlt sich … dominant an.“


Ivanka nahm es zur Kenntnis.

 

Die Gäste kamen lautlos. Männer mit Titeln, mit Flaggen im Herzen und Abnutzung im Körper. Präsidenten, Autokraten, Diktatoren, mit Gesichtern, die Zustimmung darstellen konnten, ohne sie zu empfinden.

 

Wladimir Putin bewegte sich kaum. Klein, kompakt, das Lächeln schmal wie eine alte Narbe. Seine Augen ruhten auf dem Raum, als gehöre er ihm bereits, nur zeitlich versetzt. Er sagte nichts. Er wartete. Warten war Macht.

 

Neben ihm saß Erdoğan, schwerer Körper, schwere Stimme. Die Stirn glänzte wie poliert. Er sprach von Tradition, von Ordnung, von Größe.

 

Xi Jinping saß etwas abseits. Still. Gerade. Seine Mimik zeigte nichts, was nicht kontrolliert war.

 

Putin lächelte dünn.
Erdoğan nickte oft.
Xi Jinping blieb unbeweglich.

 

„Großer Führer“, sagte einer.


„Architekt der Zukunft“, sagte ein anderer.


Ein dritter lachte vorsorglich.

 

Trump hob die Hand. „Setzt euch. Esst.“

 

Das Essen kam wie eine Vorführung. Ganze Tiere, tranchiert und erkennbar. Goldene Soßen, schwere Teller, Fleisch, das nicht verloren hatte, sondern aufgegeben.

 

„Amerikanisch“, sagte Trump. „Groß. Viel. Meinungsstark.“

 

Die Gäste aßen. Zu schnell, zu angepasst. Einer verschluckte sich, nickte entschuldigend, lächelte – blau angelaufen – weiter und kippte vom Stuhl. Besteck klirrte kurz. Dann wurde weitergegessen.

 

Putin aß langsam, exakt, als arbeite er eine Liste ab.

Erdoğan aß laut, reichlich, zufrieden.
Xi Jinping aß wenig. Er beobachtete.

 

Keiner sah das Fleisch an. Sie kannten den Vorgang.

 

„Wir sprechen beim Essen über Zukunft“, sagte Trump. „Über Ordnung. Über Weltherrschaft.“

 

Ivanka tupfte sich den Mund. „Grönland ist logisch. Kalt konserviert. Reich an allem, was knapp wird.“


„Unter dem Eis“, sagte Don Jr., „liegt Reichtum.“


„Und wenig Reibung“, ergänzte Eric.

 

Trump schnitt sein Fleisch. Das Messer gab leise nach.
„Ich mag Länder“, sagte er, „die sich nicht entscheiden.“

 

Da veränderte sich etwas.
Nicht sichtbar.
Nicht hörbar.
Der Raum wurde älter.

Die Tür öffnete sich nicht. Sie gab nach.

Der Weihnachtsmann trat ein.

 

Er war nicht groß … er war maßlos. Sein Mantel trug viele Winter, seine Stiefel Schnee aus Gegenden ohne Namen. Seine Augen kannten Hoffnung nur noch als Erinnerung.

„Ho“, sagte er.

 

Niemand antwortete. Niemand kaute.

 

„Wer sind Sie?“, fragte Trump. Seine Stimme hatte Volumen verloren.


„Ich bin das Ende deiner Bilder“, sagte der Weihnachtsmann.

 

Trump lachte automatisch. „Ich mache Deals.“


„Nein“, sagte der Weihnachtsmann. „Du machst Geräusch.“

 

Er ging durch den Raum. Blicke senkten sich. Ein Diktator wollte aufstehen und blieb sitzen. Der Körper verstand schneller.

Putin hob den Blick. Kalkulierte. Verwarf.
Erdoğan lachte zu lang, dann gar nicht mehr.
Xi Jinping senkte den Blick nicht. Er notierte innerlich.

 

„Du willst Weltherrschaft.“


„Ich will Stabilität.“


„Du willst Besitz.“


„Ich will Sicherheit.“


„Du willst Grönland.“


„Ich will, was darunter liegt.“

 

Der Weihnachtsmann blieb stehen.
„Dann bekommst du, was darüber ist.“

 

Er öffnete den Sack.

Nichts.
Nur ausbleibende Zustimmung.

Niemand klatschte.

Der goldene Kopf löste sich vom Baum und fiel. Kein Geräusch, das zählte.

 

Der Weihnachtsmann ging.
Die Tür blieb offen.
Die Stille übernahm.

 

Trump saß noch am Tisch, die Hände um das Besteck gelegt, als sei es der letzte Halt. Vor ihm lag das Fleisch, kalt, farblos, erledigt.

 

Die Gäste rückten ihre Stühle zurück. Einer nach dem anderen. Leise. Geschäftlich.

 

Putin ging zuerst.
Xi Jinping folgte ohne Eile.
Erdoğan stand zuletzt auf. Schwerer. Langsamer. Niemand wartete.

 

„Ich hatte eine Vision“, sagte Trump.
Der Satz fand keinen Adressaten.

 

Melania stand auf.
„Merry Christmas“, sagte sie.
Sie ging.

 

Die Kinder blieben einen Moment-

Ivanka entschied.
Sie gingen.

Draußen fiel Schnee.
Grönland blieb unberührt.
Die Welt blieb unbeeindruckt.

 

Und im Weißen Haus saß ein Mann an einem Tisch voller Besitz und stellte fest, dass niemand mehr Bedarf an ihm hatte.

 

 

 

 

 

©Sigrun Al-Badri/ 2025



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