Der tütelige Brommhardt – Teil IV

Groteske zum Thema Weihnachtsgeschichte

von  Saira

Der Morgen nach dem „Fliegenden Schneewal“ begann mit einer ungewöhnlichen Stille, die so verdächtig war, dass selbst der Nordwind sich das Pfeifen verkniff. Elfen lugten vorsichtig hinter Eiszapfen hervor. Rentiere hielten Gruppentherapiesitzungen ab. Und Bollwin … Bollwin hatte eine Pose eingenommen, die er für überaus visionär hielt.


„Bruder“, verkündete er feierlich, obwohl Brommhardt gerade auf einer Schneekugel stand, weil er dachte, es sei ein Hocker, „ich habe beschlossen, dass wir den gesamten Weihnachtsbetrieb modernisieren müssen.“

Die Elfen erbleichten. Einer ließ vor Schreck eine Schale Spekulatius fallen.

Brommhardt strahlte: „Modernisieren! Ja! Ich wusste, ich hatte mal so ein Wort.“

Bollwin nickte ernst, griff in seine Tasche und zog ein zerknittertes Papier hervor, das verdächtig nach Bieruntersetzer aussah. Darauf stand, in unförmigen Buchstaben:

Projekt Wunderwelle
– Weihnachten 2.0 –
Hiermit ersetze ich alles.
Bollwin, Visionär und Prophet


Die Elfen richteten ihre Rettungshelme. Doch es war zu spät.

„Der Nordpol brauche ein Maskottchen“, rief Bollwin. „Ein großes. Ein richtig großes. Ein Lebewesen, das Inspiration, Festlichkeit und Fortschritt verkörpert.“

„Ein sprechender Schneeball?“, fragte Brommhardt hoffnungsvoll.

„Nein!“, rief Bollwin. „Etwas Größeres!“

Alle Elfen schluckten gleichzeitig.

„Ein Mammut!“, verkündete Bollwin triumphierend. „Ein Weihnachtsmammut.“

Stille.
Schock.
Zwei Elfen fielen um. Einer lachte hysterisch, bis er merkte, dass es kein Scherz war.

„Ich habe bereits mit den Bauarbeiten begonnen!“, fügte Bollwin hinzu und zeigte auf etwas hinter den Elfen.

Sie drehten sich um – und erblickten ein Gebilde aus Holz, Schlittenkufen, drei Kisten Rumtopf und mehreren Fellen, die sicher kein Rentier freiwillig abgegeben hatte. Das Ganze ragte auf erschütternd wackeligen Stelzen in den Himmel.

Es bewegte sich.
Es schnaufte.
Es wankte.
Es schien – leider – funktionsfähig.

Und oben drauf stand Brommhardt, der verkündete:
„Ich reite in die Stadt und bringe Weihnachten! Und wer bist du gleich?“

Die Elfen schrien.
Rudolph betete.
Donner fiel in Ohnmacht.

Das Mammut nickte bedächtig, als hätte es Pläne.
Dann setzte sich die monströse Erfindung in Bewegung.

Stelzen knarrten. Funken stoben.

Ein Elf rief: „Es denkt! Bollwins Werk denkt!“

Ein anderer rief: „Es denkt nicht! Das ist viel schlimmer!“

Bollwin rannte hinterher. „Bruder! Wart auf mich! Das Mammut kann nicht bremsen!“

Doch das Mammut bremste – auf seine Weise. Es drehte sich zweimal im Kreis, schnupperte am Nordwind und rannte schnurstracks in Richtung einer nahen Eishöhle.

Aus der Höhle drang ein Geräusch:
Ein sehr lautes.
Ein sehr tiefes.
Ein sehr wütendes.

Bollwin flüsterte ergriffen:
„Oh! Vielleicht ist das der Weihnachtsdrache.“

„Weihnachtsdrache?!“, kreischten die Elfen.

„Seit wann gibt es einen Weihnachtsdrachen?!“

„Seit jetzt“, sagte Bollwin feierlich.

Dann trat die Kreatur aus der Höhle.
Groß.
Eisig.
Majestätisch.

Ein Schneeriese, der sehr müde wirkte und offensichtlich geweckt worden war.

Er blinzelte.
Er sah das Mammut.
Er sah Bollwin.
Er sah Brommhardt.

Dann sagte er langsam:
„Kann bitte jemand dieses Jahr normales Weihnachten machen? Nur einmal?“

Bollwin winkte freundlich.
Brommhardt winkte begeistert zurück.

Der Schneeriese stöhnte und setzte sich resigniert auf einen Eisblock.

In diesem Moment erschienen die Elfen, voll bewaffnet mit Keksen, Glitzerstaub und dem Bollwin-Protokoll, Kapitel 9: Übernatürliche Überraschungen.

Doch Brommhardt trat vor – mit einem Ausdruck erstaunlicher Klarheit.

„Es ist Weihnachten“, sagte er sanft. „Oder Dienstag. Aber auf jeden Fall… zusammen.“

Der Schneeriese sah ihn lange an.
Dann seufzte er:
„Na gut.“

Und so geschah am Nordpol ein seltenes, wundersames, völlig unvorhergesehenes Phänomen:
Die Katastrophe fiel aus.

Bollwin war enttäuscht.
Die Elfen waren erschöpft.
Das Mammut knarrte zufrieden.

Und der Schneeriese murmelte:
„Ich bleibe. Jemand muss hier ja aufpassen.“

Brommhardt strahlte.
„Willkommen in der Familie! Möchtest du einen Keks? Oder wer bist du gleich?“

Der Schneeriese nahm den Keks.

Und es wurde ein Weihnachten, an das man sich erinnern würde.
Vor allem, weil Bollwin im Hintergrund flüsterte:
„Ich hab schon eine neue Idee…“

Die Elfen hörten es.
Sie weinten leise.
Und Rudolph rannte vorsorglich bis in den März.


 

©Sigrun Al-Badri/ 2025

 



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Kommentare zu diesem Text


 Didi.Costaire (07.12.25, 16:04)
Moin Sigi,

bis in den März rennen zu können wäre eine tolle Fähigkeit. Ich würde es jedes im Oktober tun.

Dann gäbe es auch keine Probleme mit verpeilten Weihnachtsfeierlichkeiten.

Wirklich eine tolle Idee!

Liebe Grüße, 
Dirk

 EkkehartMittelberg (07.12.25, 19:20)
Herrlich, Sigi,
das revolutionierte Weihnachten befreit mit Mammuts und Schneeriesen kolossal die Fantasie.
Liebe Grüße
Ekki

 Hannes (07.12.25, 21:02)
Erich Kästner sagte einmal:
"Phantasie ist eine wunderbare Eigenschaft, aber man muß sie im Zaum halten."
Liebe Saira, renn du lieber weiter wie ein Wildpferd durch die Camargue - ohne Zaum und Zügel.
Der
Hannes
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