14 de octubre
Bericht zum Thema Reisen
von RainerMScholz
(von RainerMScholz)
Noch ein Aufbruch. Die Fahrkartenschalter des Busbahnhofs der Welthauptstadt des Schwertfischfangs sind in bruchreifen Bretterverschlägen untergebracht, die in den Abgasen der Dieselmotoren unter der klebrigen feuchten Hitze vermodern. Ich muss einmal um
den Block laufen, um festzustellen, dass wir hier tatsächlich richtig sind.
Dann geht's auch schon los und in rasantem Tempo hinauf
in die Berge, Lázaro Cardenas entgegen, unserem Umsteigeziel nach Zihuatanejo.
Der Weg ist steil und kurvig und schmal, mit schroffen Felsüberhängen, tiefen grünen Schluchten, in denen niemand einen Vermissten suchen würde. Der dickleibige Busfahrer steuert souverän die Serpentinen an, in der Ferne glitzert der Ozean, Palmhaine beugen sich im Wind.
Und da ist dieses Sirren aus dem undurchdringlichen Dickicht, beinahe Sirenengeheul, wie von riesigen Grillen, die ihre Hinterbeine an den Flügeln reiben. Es ist nicht der aufheulende Motor und ich drehe nicht durch wegen der Hitze: Conny kann es auch hören. Dieses pochende sirrende Herz der Finsternis. Diese unheimlichen, unwegsamen Wälder, die ihr Geheimnis eifersüchtig schützen vor jedem Fremden. Sinnbild für das Fremde im Anderen, und das Fremde in dir. Ohrenbetäubend laut ist diese lauernde Stille, diese Abwesenheit von Bekanntem und Vertrautem.
Gegen den Horizont reiten rote Flamingos auf dem Wind.
Die gelegentlichen Ansammlungen von Hütten am Wegesrand, Dörfer, die den Namen nicht verdienen, verrotten und verfallen im subtropischen Klima, von Vegetation nahezu erstickt, von Insekten aufgefressen. Und dennoch steigen hier adrette, propere Schulkinder in den Bus. Auf windschiefen Verschlägen prangen Satellitenschüsseln, Terminals summen in der klammfeuchten Hitze.
Umsteigen in Lázaro Cardenas, dem Endhaltepunkt vieler Busrouten, der, laut Lonely Planet, hässlichsten und kriminellsten Stadt in ganz Mittelamerika. Die Nacht ist angebrochen. Wir steigen aus dem Bus, trinken einen wässrigen Kaffee an einem ramponierten Automaten und steigen wieder ein. Feiner Staub liegt über dem Abstellplatz für die riesigen Omnibusse. Diffuses rotes Straßenlaternenlicht beschmiert hohe Stacheldrahtzäune mit Erdbeergelee, fast wie an der nördlichen Grenze Mexikos.
Kaum zwei Kilometer hinter der Stadt wird der Bus von schwerbewaffneten Polizisten gestoppt. Die Glühbirnchen an der Decke der Kabine gehen an, alle Männer steigen aus, und da ich erst nicht verstanden habe, worum es sich hier handelt, bin ich schläfrig hinterhergetrottet. Ich dachte, es sei eine Panne oder etwas in der Richtung, und da bleibe ich natürlich nicht so einfach sitzen, vor allem, wenn alle anderen auch hinausgehen. Vor der Türe des Busses empfängt mich ein schwarzgekleideter maskierter Mann mit Schussweste und großkalibriger Waffe. Polizei. Nehme ich an. Ich muss mich filzen lassen wie alle anderen. Wir stehen schweigend, während der Bus durchsucht wird, vermeiden Augenkontakt, warten, bis die Prozedur vorüber ist, kaum dass ich verstanden hätte, was passiert war. Alle steigen wieder ein.
Weiter geht die halsbrecherische Fahrt im stockdusteren Gefährt, über eine nachtblinde Piste. Der Lenker hat erhebliche Mühe mit den Schlaglöchern und Kratern, die die aufgeriebene Asphaltdecke erheblich unterbrechen. Der Bus rumpelt wie durch Schweizer Käse. Kaum vorstellbar, dass dies die direkte Verbindung nach Acapulco sein soll. Der fährt in den Wald und lässt uns liegen!
Nach zweieinhalb Stunden sind die siebzig Kilometer an unser Ziel geschafft. Zihuatanejo. Übersetzt: Ort der Frauen. Das Pflaster nebelt die Hitze des Tages aus, als seien wir in eine chinesische Waschküche geraten. Hotel, Meerblick, Ende.
15 de octubre
Heute morgen bin ich im Bad auf den nassen Kacheln ausgerutscht und wirbelverrenkend auf dem Rücken die beiden Stufen ins Zimmer hineingeglitten. Conny lacht hinter vorgehaltener Hand, aber erst hinterher. Wir verlassen das Hotel und mieten uns in einen Bungalow Nahe des Strandes ein. Die Bucht scheint uns zu gehören. Mein Steißbein schmerzt.
Der Schweiß rinnt mir von der Stirn und Conny hat ihre Tage. 30.000°C. Auf der Terrasse nebenan klopft ein Arbeiter, vermutlich der Hausmeister - er hat einen grauen Kittel an -, seit drei Stunden mit einer kleinen Spachtel auf das Fenstergitter ein, um es vom Rost zu befreien. In Deutschland wäre er längst gefeuert ob des Tempos der fortschreitenden Arbeit. Oder pensioniert. Trotz des Wetters.
Das Meer rauscht in Wellen.
Am Strand werden wir in nahezu jedes Lokal hineinkomplimentiert. 44 Pesos für einen Martini, der ein Cinzano mit Cola war. Haha.
Ein fetter, einarmiger, schwitzender Amerikaner beugt sich über die Balustrade des Don Juliano und fragt nach einem Hotel.
"Sorry, I'm just here for the night."
"Then I'll go `n shopping around, thanks."
Pelikane betteln bei den heimgekehrten Fischern. Riesige urzeitliche Kormorane, die für ihren Unterhalt selbst sorgen, indem sie aus großer Höhe die spiegelnde graue Fläche des Ozeans durchstoßen.
Calafio Tinto auf der Terrasse. Meeresrauschen, die schwarze glänzende Bucht, vereinzelte Lichter, Grillenzirpen. Ist das noch ein bekanntes Sternbild? Und wo ist dann der Große Wagen?
C: Wo ist denn eigentlich der Mond?
R: Keine Ahnung. Auf der anderen Seite.
C: Aber da ist Tag.
R: Dann ist er vielleicht abgestürzt?
Allgegenwärtige Korrosion. Der Salzgehalt der Luft greift die Moleküle an.
16 de octubre
Der rostige abgetakelte Gasherd in der Kochnische liefert schließlich doch eine Flamme, auf der wir Kaffee kochen können. Was so komisch riecht, sind die versengten Haare auf meinem Bauch. Und beim ersten Versuch stand der komplette Herd in Flammen.
Erster Tag am Strand. Ein Bilderbuch. Wir laufen einen Kilometer im feinkörnigen Sand um die Bucht herum, perlmuttene Pazifikwellen brechen sich am auflaufenden Strand, um dann sanft unseren Knöcheln zu schmeicheln; und wir sind rotgebrannte Indianer.
Mein Mann in der Brandung, zwei drei Indio, Mariachis hier und da, rote Korallenketten. Nahe dran am Leben, und die Zeit, endlich darüber nachzudenken, gedankenverloren im Rauschen des Ozeans. Conny und ich.
Auf der Terrasse springen kleine Jagdspinnen ihre Opfer an. Die erste ließ mich noch aufschrecken, als sie um das Tischbein krakelte und genauso überrascht war wie ich. Doch dann ... hat Conny sie weggemacht.
Nach der Abenddämmerung hängen die Geckobrüder waagerecht an der Decke und lauern zungenklebrig auf Beute, stecken Reviere ab. Blitzschnelle Bewegungen. Wir nicht.
Dann ist irgendwie diese Frau sauer auf mich, obwohl ich diesen scheiß Rucksack ständig schleppen muss und dabei schwitze wie ein Tier. Steigung 45°.
Von wegen, Herr Scholz ist wegen jeder Kleinigkeit gleich eingeschnappt und kriegt dann alles in den falschen Hals. Kennen wir ja schon. Diskussion unnötig!
Ja, schon klar.
Von Mexiko City nach Querétaro: 220 Kilometer.
Nach San Miguel de Allende: 60.
Guanajuato: 82.
Von dort nach Guadalajara: 300 Kilometer.
Colima: Nochmal 220.
Manzanillo: 101.
Lázaro Cardenas: 330 Kilometer.
Dann nach Zihuatanejo: Die längsten 70 Kilometer. Alles mit dem Bus. Wow!
den Block laufen, um festzustellen, dass wir hier tatsächlich richtig sind.
Dann geht's auch schon los und in rasantem Tempo hinauf
in die Berge, Lázaro Cardenas entgegen, unserem Umsteigeziel nach Zihuatanejo.
Der Weg ist steil und kurvig und schmal, mit schroffen Felsüberhängen, tiefen grünen Schluchten, in denen niemand einen Vermissten suchen würde. Der dickleibige Busfahrer steuert souverän die Serpentinen an, in der Ferne glitzert der Ozean, Palmhaine beugen sich im Wind.
Und da ist dieses Sirren aus dem undurchdringlichen Dickicht, beinahe Sirenengeheul, wie von riesigen Grillen, die ihre Hinterbeine an den Flügeln reiben. Es ist nicht der aufheulende Motor und ich drehe nicht durch wegen der Hitze: Conny kann es auch hören. Dieses pochende sirrende Herz der Finsternis. Diese unheimlichen, unwegsamen Wälder, die ihr Geheimnis eifersüchtig schützen vor jedem Fremden. Sinnbild für das Fremde im Anderen, und das Fremde in dir. Ohrenbetäubend laut ist diese lauernde Stille, diese Abwesenheit von Bekanntem und Vertrautem.
Gegen den Horizont reiten rote Flamingos auf dem Wind.
Die gelegentlichen Ansammlungen von Hütten am Wegesrand, Dörfer, die den Namen nicht verdienen, verrotten und verfallen im subtropischen Klima, von Vegetation nahezu erstickt, von Insekten aufgefressen. Und dennoch steigen hier adrette, propere Schulkinder in den Bus. Auf windschiefen Verschlägen prangen Satellitenschüsseln, Terminals summen in der klammfeuchten Hitze.
Umsteigen in Lázaro Cardenas, dem Endhaltepunkt vieler Busrouten, der, laut Lonely Planet, hässlichsten und kriminellsten Stadt in ganz Mittelamerika. Die Nacht ist angebrochen. Wir steigen aus dem Bus, trinken einen wässrigen Kaffee an einem ramponierten Automaten und steigen wieder ein. Feiner Staub liegt über dem Abstellplatz für die riesigen Omnibusse. Diffuses rotes Straßenlaternenlicht beschmiert hohe Stacheldrahtzäune mit Erdbeergelee, fast wie an der nördlichen Grenze Mexikos.
Kaum zwei Kilometer hinter der Stadt wird der Bus von schwerbewaffneten Polizisten gestoppt. Die Glühbirnchen an der Decke der Kabine gehen an, alle Männer steigen aus, und da ich erst nicht verstanden habe, worum es sich hier handelt, bin ich schläfrig hinterhergetrottet. Ich dachte, es sei eine Panne oder etwas in der Richtung, und da bleibe ich natürlich nicht so einfach sitzen, vor allem, wenn alle anderen auch hinausgehen. Vor der Türe des Busses empfängt mich ein schwarzgekleideter maskierter Mann mit Schussweste und großkalibriger Waffe. Polizei. Nehme ich an. Ich muss mich filzen lassen wie alle anderen. Wir stehen schweigend, während der Bus durchsucht wird, vermeiden Augenkontakt, warten, bis die Prozedur vorüber ist, kaum dass ich verstanden hätte, was passiert war. Alle steigen wieder ein.
Weiter geht die halsbrecherische Fahrt im stockdusteren Gefährt, über eine nachtblinde Piste. Der Lenker hat erhebliche Mühe mit den Schlaglöchern und Kratern, die die aufgeriebene Asphaltdecke erheblich unterbrechen. Der Bus rumpelt wie durch Schweizer Käse. Kaum vorstellbar, dass dies die direkte Verbindung nach Acapulco sein soll. Der fährt in den Wald und lässt uns liegen!
Nach zweieinhalb Stunden sind die siebzig Kilometer an unser Ziel geschafft. Zihuatanejo. Übersetzt: Ort der Frauen. Das Pflaster nebelt die Hitze des Tages aus, als seien wir in eine chinesische Waschküche geraten. Hotel, Meerblick, Ende.
15 de octubre
Heute morgen bin ich im Bad auf den nassen Kacheln ausgerutscht und wirbelverrenkend auf dem Rücken die beiden Stufen ins Zimmer hineingeglitten. Conny lacht hinter vorgehaltener Hand, aber erst hinterher. Wir verlassen das Hotel und mieten uns in einen Bungalow Nahe des Strandes ein. Die Bucht scheint uns zu gehören. Mein Steißbein schmerzt.
Der Schweiß rinnt mir von der Stirn und Conny hat ihre Tage. 30.000°C. Auf der Terrasse nebenan klopft ein Arbeiter, vermutlich der Hausmeister - er hat einen grauen Kittel an -, seit drei Stunden mit einer kleinen Spachtel auf das Fenstergitter ein, um es vom Rost zu befreien. In Deutschland wäre er längst gefeuert ob des Tempos der fortschreitenden Arbeit. Oder pensioniert. Trotz des Wetters.
Das Meer rauscht in Wellen.
Am Strand werden wir in nahezu jedes Lokal hineinkomplimentiert. 44 Pesos für einen Martini, der ein Cinzano mit Cola war. Haha.
Ein fetter, einarmiger, schwitzender Amerikaner beugt sich über die Balustrade des Don Juliano und fragt nach einem Hotel.
"Sorry, I'm just here for the night."
"Then I'll go `n shopping around, thanks."
Pelikane betteln bei den heimgekehrten Fischern. Riesige urzeitliche Kormorane, die für ihren Unterhalt selbst sorgen, indem sie aus großer Höhe die spiegelnde graue Fläche des Ozeans durchstoßen.
Calafio Tinto auf der Terrasse. Meeresrauschen, die schwarze glänzende Bucht, vereinzelte Lichter, Grillenzirpen. Ist das noch ein bekanntes Sternbild? Und wo ist dann der Große Wagen?
C: Wo ist denn eigentlich der Mond?
R: Keine Ahnung. Auf der anderen Seite.
C: Aber da ist Tag.
R: Dann ist er vielleicht abgestürzt?
Allgegenwärtige Korrosion. Der Salzgehalt der Luft greift die Moleküle an.
16 de octubre
Der rostige abgetakelte Gasherd in der Kochnische liefert schließlich doch eine Flamme, auf der wir Kaffee kochen können. Was so komisch riecht, sind die versengten Haare auf meinem Bauch. Und beim ersten Versuch stand der komplette Herd in Flammen.
Erster Tag am Strand. Ein Bilderbuch. Wir laufen einen Kilometer im feinkörnigen Sand um die Bucht herum, perlmuttene Pazifikwellen brechen sich am auflaufenden Strand, um dann sanft unseren Knöcheln zu schmeicheln; und wir sind rotgebrannte Indianer.
Mein Mann in der Brandung, zwei drei Indio, Mariachis hier und da, rote Korallenketten. Nahe dran am Leben, und die Zeit, endlich darüber nachzudenken, gedankenverloren im Rauschen des Ozeans. Conny und ich.
Auf der Terrasse springen kleine Jagdspinnen ihre Opfer an. Die erste ließ mich noch aufschrecken, als sie um das Tischbein krakelte und genauso überrascht war wie ich. Doch dann ... hat Conny sie weggemacht.
Nach der Abenddämmerung hängen die Geckobrüder waagerecht an der Decke und lauern zungenklebrig auf Beute, stecken Reviere ab. Blitzschnelle Bewegungen. Wir nicht.
Dann ist irgendwie diese Frau sauer auf mich, obwohl ich diesen scheiß Rucksack ständig schleppen muss und dabei schwitze wie ein Tier. Steigung 45°.
Von wegen, Herr Scholz ist wegen jeder Kleinigkeit gleich eingeschnappt und kriegt dann alles in den falschen Hals. Kennen wir ja schon. Diskussion unnötig!
Ja, schon klar.
Von Mexiko City nach Querétaro: 220 Kilometer.
Nach San Miguel de Allende: 60.
Guanajuato: 82.
Von dort nach Guadalajara: 300 Kilometer.
Colima: Nochmal 220.
Manzanillo: 101.
Lázaro Cardenas: 330 Kilometer.
Dann nach Zihuatanejo: Die längsten 70 Kilometer. Alles mit dem Bus. Wow!