Genie und Wahnsinn X: Isaak Newton (1643-1727)

Essay zum Thema Wahnsinn

von  JoBo72

Isaak Newton ist einer der bedeutendsten Gelehrten der Neuzeit. Sein Hauptwerk Philosophiae Naturalis Principia Mathematica (etwa: „Die mathematischen Grundlagen der Naturphilosophie“, veröffentlicht 1687) revolutionierte Mechanik und Astronomie gleichermaßen. Die in diesem Werk enthaltene Gravitationslehre und die mechanischen Axiome bestimmten seitdem die Naturwissenschaften, wurden zig Schülergenerationen im Physikunterricht eingebläut und erst im 20. Jahrhundert von Einsteins Relativitätstheorie und Plancks Quantenmechanik revidiert.

Neben dieser Arbeit forschte Newton zur Akustik, Optik und Mathematik, welche er mit seinen Naturbeobachtungen verband und so den Gedanken der Mathematik als „Sprache der Natur“, als „Sprache des Universums“ entwickelte.

Isaak Newton wurde von Zeitgenossen als fleißig eingeschätzt, doch er hatte nicht viele Kontakte – ein einsames „Arbeitstier“, das bisweilen auch cholerisch reagieren konnte. Er war darüber hinaus ein tieftrauriger, ernster Mensch, der einer Anekdote zur Folge nur einmal in seinem Leben milde gelächelt habe – als er von einer jungen Dame gefragt wurde, wozu die Geometrie gut sei.

Vielleicht hatte Newton auch nichts zu lachen. Er, der die Trinität des christlichen Gottesbegriffs –Vater, Sohn und Heiliger Geist – entschieden ablehnte, konnte dies nicht öffentlich tun, denn schließlich lehrte er am Trinity-College der ebenso renommierten wie konservativen Universität Cambridge. Hätte er sich öffentlich zu seinem Glauben bekannt, neudeutsch: hätte er sich „geoutet“, wäre er wohl von der Bildfläche des akademischen Lebens in Cambridge verschwunden.

Dabei war Newton durchaus bibelfest und gläubig. Für ihn war die Physik eine Betrachtung Gottes auf Grund der sich vollziehenden Erscheinungen. Sein tiefer Glaube, der den Zeitgenossen sehr wohl bekannt war, und seine Kritik an der Trinitätslehre, die jahrelang im Verborgenen bleiben musste, könnte zu einer inneren Zerrissenheit geführt haben. Die zwingende Notwendigkeit, stets Loyalität mit dem Geldgeber heucheln zu müssen, könnte jene schizophrenen Züge hervorgerufen haben, die Gottfried Benn („Genie und Gesundheit“, 1930) in der Persönlichkeit Newtons entdeckt haben will.

Zumindest aber hat sie zu der selbstverordneten Isolation Newtons beigetragen, eine gewählte Einsamkeit, die 1672 gemildert wurde: Die Mitgliedschaft in der Royal Society brachte ihm landesweite Anerkennung. 1688 wurde er ins englische Parlament gewählt, 1705 von Königin Anna geadelt. Vor allem aber verschaffte sie Newton zwischenmenschliche Kontakte, die dazu beitrugen, seine schwere psychische Krise des Jahres 1696 zu überwinden. Isaak Newton hat von sozialen Netzwerken profitiert. Man muss kein Genie sein, um zu erkennen, wie wichtig diese sind.

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