Genie und Wahnsinn XVIII: Richard Wagner (1813-1883)

Essay zum Thema Wahnsinn

von  JoBo72

Richard Wagner gilt als bedeutendster deutscher Opernkomponist des 19. Jahrhunderts. Die Opern, die Wagner schrieb, sind weltberühmt: Der fliegende Holländer, Tannhäuser, Lohengrin, Tristan und Isolde oder der für „drei Tage und einen Vorabend“ komponierte Ring des Nibelungen, von Experten und Wagner-Fans kurz „Ring“ genannt, der den alten germanischen Mythos thematisiert.

Wagners Leben war selbst bunt und dramatisch wie eine Oper: Viele Werke, viele Reisen, ständige Geldsorgen, Kontakte zu Nietzsche, politisches Engagement. Neben seinem unverblümten Antisemitismus (z. B. in seinem Aufsatz Das Judentum und die Musik von 1850), kämpfte er für ein vereintes deutsches Vaterland. Er wurde nach der Beteiligung am Dresdner Maiaufstand steckbrieflich gesucht, musste fliehen (1849) und konnte erst 1860 wieder nach Deutschland zurückkehren – nicht jedoch nach Sachsen; dort darf er erst zwei Jahre später wieder einreisen.

Man ahnt nicht, dass der deutsch-nationale Komponist schlechthin über ein Jahrzehnt in seiner Heimat eine persona non grata gewesen ist. Ebenso wenig ahnt man bei aller Kraft seiner Opern, dass Wagner zeitweilig an schweren Depressionen litt und an Selbstmord dachte. Besonders in den 1850er Jahren, die er im Exil in der Schweiz verbrachte, war Wagner depressiv.

Doch die Depression scheint nicht das einzige psychische Leiden gewesen zu sein, das Wagner heimgesucht hat. Als Kronzeugen mögen zwei Leidensgenossen dienen, die ebenfalls in der Reihe „Genie und Wahnsinn“ Erwähnung fanden: Robert Schumann und Friedrich Nietzsche.

Schumann sagte über Wagner, er sei „intelligent, aber voll verrückter Ideen“, überdies „unerträglich schwatzhaft und anmaßend“. Noch deutlicher wird Nietzsche, der sich in Der Fall Wagner über dessen Opern echauffiert: „Ich stelle diesen Gesichtspunkt voran: Wagners Kunst ist krank. Die Probleme, die er auf die Bühne bringt – lauter Hysteriker-Probleme –, das Konvulsivische seines Affekts, seine überreizte Sensibilität, sein Geschmack, der nach immer schärferen Würzen verlangte, seine Instabilität, die er zu Prinzipien verkleidete, nicht am wenigsten die Wahl seiner Helden und Heldinnen, diese als physiologische Typen betrachtet (eine Kranken-Galerie!): alles zusammen stellt ein Krankheitsbild dar, das keinen Zweifel lässt: Wagner est une névrose. Unsre Ärzte und Physiologen haben in Wagner einen interessanten Fall, zum mindesten einen sehr vollständigen.“

Interessant ist ferner, was der Philosoph Theodor W. Adorno, der sich ja auch als Komponist einen Namen machte, in seinem Versuch über Wagner (1937) zu Tage fördert: Adorno will in Leben und Werk Wagners einen „sadistischen Demütigungsdrang, sentimentale Versöhnlichkeit und über allem den Wille, den Mißhandelten affektiv an sich zu binden“ erkannt haben und beschreibt Wagners Verhalten mit Begriffen wie „neidisch“, „sentimental“ und „destruktiv“. Adorno hebt den Egoismus und die Arroganz Wagners hervor und zieht eine klare Verbindungslinie zum Faschismus, dessen Barbarei sich schon in den Zügen Wagners finde. Wagner wird zum Präludium kommender Katastrophen.

Wie dem auch sei und welche Schlüsse man immer daraus ziehen mag, fest steht allein, dass Richard Wagner eine lange Zeit unter Depressionen litt – und ein musikalisches Genie war, das, folgt man Malwida von Meysenbug, einer glühenden Verehrerin Wagners, nur der richtigen weiblichen Zähmung bedurft hätte: „Dem so ganz von seinem Dämon Beherrschten hätte von jeher ein hochgesinntes, verständnisvolles Weib zur Seite stehen müssen – ein Weib, das es verstanden hätte, zwischen dem Genius und der Welt zu vermitteln, indem sie begriffen hätte, daß diese beiden sich ewig feindlich zueinander verhalten.“

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Text

Farnaby (41)
(24.02.08)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.
Graeculus (69) meinte dazu am 01.10.16:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram