Verzettelungstechniken

Erörterung zum Thema Psychologische Phänomene

von  loslosch

Plurima qui aggreditur, nil apte perficit unquam [= umquam]. (Ernst Lautenbach, Latein-Deutsch. Zitaten-Lexikon; ohne weiteren Quellenhinweis, vermutlich antikes Gedankengut). Wer an vielerlei sich herantraut, bringt nichts Rechtes zustande.

Eine alltägliche Beobachtung, damals wie heute. Im Zeitalter der Neu-Rosen und Neu-Röschen (keine gärtnerische Schöpfung) gewinnt diese Wahrnehmung an Bedeutung. Wohl auch damit zusammenhängend, dass die Konzentration auf eine kontinuierliche Tätigkeit von mehr als fünf (!) Minuten Dauer besondere geistige Anstrengung abverlangt, somit das Bedürfnis nach stets anderer Aktivität hervorruft. Auf diese Weise sind alsbald ein halbes Dutzend kleinerer "Baustellen" zu besichtigen. Daraus entwickelt sich zunächst ein gewisses Wohlbehagen der neurotisch belasteten Gesamtpersönlichkeit, das aber blitzschnell umschlagen kann in ein dumpfes Gefühl von Desinteresse.
Welcher psychisch halbwegs Intakte hat sich nicht schon in der folgenden oder einer ähnlichen Situation ertappt, wie er über seine eigenen Minibaustellten stolperte: Ich muss eben schnell noch die Schuhe in den Hausflur zurückbringen. Auf dem Weg dahin fällt mein Blick auf die Tasche. Darin befindet sich die TAN-Liste (oder das Lesegerät). Ach ja, ich wollte doch heute meine Arztrechnung begleichen. Und die Topfblume nebenan benötigt dringend Wasser usf. Der Übergang von den kleinen zu den winzig kleinen Baustellen ist fließend.

Immer wieder gilt: Principiis obsta! (Ovid, Remedia amoris.) Widerstehe den Anfängen.


Anmerkung von loslosch:

Pro memoria: Requiescat ...

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Kommentare zu diesem Text


 ViktorVanHynthersin (15.02.12)
Neudeutsch auch Prokrastination (lateinisch procrastinatio) genannt. Vertagen wir die Unterhaltung ))
Herzlichst
Viktor

 loslosch meinte dazu am 15.02.12:
du scheinst dich ja gut auszukennen, viktor. ich dachte, es sei ein terminus der juristen. nach dem wiki-artikel fühle ich mich voll bestätigt. ach so, unsere korrespondenz mündet in prokrastination. danke. lothar
Jack (33)
(15.02.12)
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 loslosch antwortete darauf am 15.02.12:
gut erkannt, jack. dass ich mich nicht in allen literarischen genres wie zuhause fühle, ist doch völlig klar. lothar
magenta (65)
(15.02.12)
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iseabail (46) schrieb daraufhin am 15.02.12:
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 loslosch äußerte darauf am 15.02.12:
ihr beide habt übersehen, dass ich den klassischen spruch auf die moderne übertrage und persönlichkeitsstörungen anspreche. außerdem halte ich heute einen köstlichen gedenktag. s. anmerkung. ihr habt - leider - das thema verfehlt. es empfiehlt sich immer, auch meine interpretation zu lesen. danke fürs bemühen. lothar
magenta (65) ergänzte dazu am 15.02.12:
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 loslosch meinte dazu am 15.02.12:
die ergänzungen unter dirks kommentar können hilfreich sein. man kann als oberlehrer auch schreiben: deine arbeit enthält fremdes gedankengut. sie kann daher nicht bewertet werden. lo

 Didi.Costaire (15.02.12)
Man könnte das Zitat so verstehen, immer dasselbe zu tun. Das fände ich falsch. Es kommt schon darauf an, ob man verschiedene Dinge gleichzeitig oder nacheinander tut, und ob man sie zu Ende bringt oder nicht. Wenn im Eingangssatz statt "vielerlei" "zuviel" und statt "Rechtes" "Perfektes" stehen würde, gefiele er mir besser.
Beste Grüße, Dirk
(Kommentar korrigiert am 15.02.2012)

 loslosch meinte dazu am 15.02.12:
du kommentierst bewusst nur die sentenz, dirk. sie lässt interpretationsspielraum. so wie ich sie deute, könnte sie auch im ursprung schon gemeint sein. den anderen typ (ohne krankheitsbild), der allerlei anfängt und nichts zu ende bringt, die "harmlosere" lesart, gabs immer schon. wer hat nicht solche schon privat erlebt! davon gibts jede menge außerhalb von kv ... lo

 EkkehartMittelberg (15.02.12)
Ganz platt: Wer eine Sache ordentlich macht, ist mir lieber als einer, der in vielen dilettiert.
Ekki

 loslosch meinte dazu am 15.02.12:
multum, non multa! Viel, nicht Vielerlei. Plinius der Jüngere, Epistulae 7,9,15. mal ganz unter uns, ekki. lothar

 Lluviagata meinte dazu am 15.02.12:
Bingo!

 loslosch meinte dazu am 15.02.12:
treffer entdeckt ...

 Bergmann (15.02.12)
Die ironische Pointe liegt in der Quelle Ovids: Remedia amoris... Unter diesem Aspekt gewinnt deine schöne Kolumne eine völlig neue Dimension oder Färbung! Gewollt oder nicht, das hat Schmiss! t. t. U.

 loslosch meinte dazu am 15.02.12:
jaja, das hat sich der autor fein ausgedacht!

es wäre zu platt, uli. wahr ist allerdings, dass ich vor mehr als einem jahr dieses principiis obsta! bewusst wählte und dann erst sah, dass "Remedia amoris" nicht heilmittel für die liebe, sondern heilmittel gegen die liebe heißt. ja, solche techniken sind wahre remedia amoris. sehr frei übersetzt: liebestöter. danke, dass du an meinem jubeltag diesen gedanken freigelegt hast. t.t. lo

 Bergmann meinte dazu am 15.02.12:
Es kommt nur auf die Definition von amor an...
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