Manchmal reicht ein Wort. Ein kleiner, unstimmiger Gedanke. Der überspringt. Ansteckt. Selbst Whisky kann in diesen Augenblicken nichts mehr retten.
Wie viele Augen wird es wohl brauchen, die Schönheit der sachten Morgendämmerung in Erinnerung zu behalten?
Ein reines Herz. Wie viele Huren braucht es, für ein einziges, aufrichtiges Herz?
Am Abgrund leuchtet das Licht greller. Das ist eben so.
Du lächelst.
Ich ziehe an meiner Zigarette und frage mich, wie viel Schmerz es bräuchte, um den letzten Funken Gutmütigkeit in dir auszumerzen. Wie viele Hände man wohl brauchen würde, um die Schnitte an deinem Körper in Zahlen festzuhalten.
Festhalten.
Jeder Augenblick ist flüchtig. Menschen ebenso, wie der blasse Zigarettendunst, der zwischen deinen Lippen stumm nach außen dringt.
Atmen.
Es zieht sich schmerzend durch die Schläfe. Wurzelt neben dem Herzen wie Unkraut zwischen den Pflastersteinen auf dem Hof. Du wirfst eine Münze.
Die Wahrscheinlichkeit für Kopf und Zahl ist für beide gleich. Realistisch und doch unwahrscheinlich. Ob es mit dem Sterben genauso ist?
Während ich die nächste Zigarette zwischen meine Lippen presse, stehst du auf und richtest deinen bunt-getupften Regenschirm herausfordernd Richtung Wolken. Ich habe bewusst Wolken gewählt – ein Himmel existiert nicht. Zumindest nicht hier.
Du weißt es. Dein Lächeln bringt immer neue Tränen. Die Wolken tuen sich auf, als hätten sie den unausgesprochenen Sarkasmus in sich aufgesogen.
Wie viele Tränen braucht es noch, um einen Platz für dein Lächeln einzuräumen?
Und... wo ist nun eigentlich dieser „Glaube“, von dem ihr immer sagtet, dass er Berge versetze?
Ich kann nichts sehen. Zu viele Gedanken. Zu laut. Zu leise.
Einsamkeit. Einer dieser farbenfroh-leuchtenden Schmetterlinge. Alle schauen hin, aber niemand versteht. Fühlt. Niemand nimmt sich einen Atemzug seiner Zeit.
Kostbarkeiten.
Deine Stirn ist ganz nass und der Regen tänzelt an deiner Nasenspitze. Ich erwische mich, wie du mir fast ein Lächeln abgerungen hättest. Deine Augen starren an den gleichen Punkt der Glut. Ebenso ausdrucklos, wie meine.
Papierboote.
Ich wusste schon damals, dass es keine große Kunst ist, sie zu falten. Und doch, habe ich die Welt damals plötzlich ganz anders betrachtet. Nur deine Hände können Hoffnung in Wüsten pflanzen. Diese vielen, dummen, kleinen Knicke so präzise und graziös ausführen, das einem das Herz beinahe stehen bleibt.
Rot.
Ein schmaler Streifen lässt am Horizont noch das sterbende Tageslicht erahnen. Deine Lippen. Narben. Auch die rot lackierten Nägel graben sich zwischen die Wolken, als wollten sie verzweifelt nach der Sonne Ausschau halten.
Narben.
Manche haben eine eigene Geschichte. Andere wiederum nicht. Du hattest eine. Ganz besonders. Meine muss erst noch geschrieben werden.
Wie viel Blut es dazu braucht, ein Lächeln auf Papier gebannt zu halten...
Wohin die Tränen und der Schmerz im Moment des komatösen Rauschzustandes verschwinden...
Wie tief Papierboote in knietiefen Pfützen noch sinken können...
Ich werde es nicht mehr erfahren. Vielleicht siehst du mir ja zu, wenn ich auf den Gleisen auf den Zug warte, der uns heimbringt.
SCHNITT.
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