Frau von Mao Tse-Tung gestern hingerichtet*

Skizze zum Thema Biographisches/ Personen

von  ViktorVanHynthersin

I.
Ihr Geist fand ihre Schuhe nicht.
Dem Soldaten, der sie fortgeschleudert hatte,
schmerzten die Arme noch Tage später –
so kraftvoll hatte er die Schuhe geworfen.

So blieben die Soldaten, die Yang Kai-hui
am Morgen des 14. November 1930 erschossen,
von Kai-hui´s Geist unbehelligt – was gut war,
denn die Schuld an ihrer Hinrichtung trug Mao.

Hatte der doch zuvor mit seiner Roten Armee
versucht, die Stadt Changsha zu erobern,
in der seine von ihm verlassene zweite Frau
mit den gemeinsamen drei Kindern lebte.

II.
Kai-hui war inzwischen 29 Jahre alt und
hatte begründete Angst vor Vergeltung,
denn Mao war in der Kommunistischen Partei,
zwar ohne Stimmrecht, aber mit Befehlsgewalt.

Die Antikommunisten unter General Ho Chien
zerrten Kai-hui vor den instrumentalisierten Kadi.
Ein Namenschildchen, rote Tinte und eine Bürste
lagen auf dem ihr zugewiesenen Tisch im Saal.

Es wurden ihr nur wenige Fragen gestellt
bis das Urteil über sie gefällt wurde.
Der Richter tunkte die Bürste in die Tinte
und warf diese angewidert zu Boden. Schuldig.


III.
Zur Hinrichtung am Morgen im dunkelblauen Kleid
trug sie der Mut und ihre Liebe zu Mao,
dem sie völlig aus dem Sinn geraten war,
denn er hätte sie warnen oder retten können.

Zwei Scharfrichter zogen ihr das Gewand aus,
ein anderer sicherte sich seinen Bonus: 2,5 Yuan.
Gefesselt mit Viehstricken, in einer dünnen Bluse,
stand sie dem Erschießungskommando gegenüber.



Schüsse hallten über die Stadtmauern.
Am Mittag wurden die Soldaten erneut gerufen,
mussten Kai-hui den Gnadenschuss geben.
Ihre in die Erde gekrallt Finger, ließen sich nicht lösen.

IV.
Sie sei die Liebe seines Lebens gewesen und
ihren Tod könnte selbst sein hundertfacher Tod
nicht wieder gut oder ungeschehen machen,
gab Mao noch in hohem Alter an.

Kai-hui liebte Mao nahezu abgöttisch,
verzieh ihm seine Affären und seinen Weggang,
doch in ihren Aufzeichnungen zog sie die Grenze
zwischen ihrem Geliebten und dem Mörder Mao.

Acht Briefe fand man von Kai-hui, den letzten 1990,
versteckt in Wänden und hinter Balken ihres Hauses.
Erhalten geblieben sind zudem ihre Gedichte,
die Zeugnis geben von einer klugen und liebenden Frau.

V.
**…
Ich wünschte, ich hätte Flügel,
Und ich könnte fliegen und diesen Mann sehen.
Weil ich ihn nicht sehen kann,
Nimmt der Kummer kein Ende…


Anmerkung von ViktorVanHynthersin:

Inspiriert durch die Biografie „Mao“ von Jung Chang und Jon Halliday, 2005, (S. 112 ff.)

* Überschrift der Tageszeitung von Hunan „Republik heute“ vom 15.11.1930, Untertitel „Beifall und zufriedene Jubelrufe“, die eigentlich Mao galten.
** aus einem Gedicht von Yang Kai-hui, erschienen in der Zeitschrift Hunan dangshi tongxum (1984)

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Kommentare zu diesem Text


 loslosch (05.09.12)
die zusammenhänge sind etwas dunkel. dass mao die stadt, wo sie lebte, zu befreien versuchte, war wOhl grund der überreaktion der seite von Chiang Kai-shek. lo

 ViktorVanHynthersin meinte dazu am 05.09.12:
Mao versuchte, die Stadt für die Kommunisten zu erobern. Da das misslang, haben die Nationalisten unter dem Befehl von Chiang Kai-shek u. a. an der Frau von Mao ein Exempel statuiert. Vielen Dank für Deinen Kommentar.
Herzlichst
Viktor

 loslosch antwortete darauf am 05.09.12:
zur 1. strophe in IV: o wie fein konnte mao in lyrischer sprache lügen ...

 ViktorVanHynthersin schrieb daraufhin am 05.09.12:
Mao schrieb selbst Gedichte, die u.a. bei dtv in deutscher Sprache veröffentlicht wurden...

Vielen Dank, lieber Lothar, auch für Deine Hinweise.
Herzlichst
Viktor

 Jorge (05.09.12)
eine spannende Geschichtsstunde - macht neugierig auf mehr

 ViktorVanHynthersin äußerte darauf am 05.09.12:
Vielen Dank für Deine Worte. Mal schauen, welche historische Person als nächstes beschrieben werden will )
Herzliche Grüße
Viktor

 Peer (05.09.12)
Interessante Geschichte, die zu Herzen geht.
LG Peer

 ViktorVanHynthersin ergänzte dazu am 05.09.12:
... also, herzlichst ))
Viktor

 TassoTuwas (05.09.12)
Hallo Viktor, eine spannende Geschichte aus dem Umfeld Maos. Kai-hui, die Poetin, sicherlich nicht die schlechteste, wenn man an seine letzte Frau denkt, Jiang Qing, die Anführerin der Viererbande. Packend geschildert. LG TT

 ViktorVanHynthersin meinte dazu am 05.09.12:
Mao´s dritte Frau muss den "Langen Marsch" erdulden und erleidet körperliche und seelische Qualen. Der Stoff für neue Texte würde nicht ausgehen. Vielen Dank für Deinen Kommentar.
Herzliche Grüße
Viktor

 Didi.Costaire (05.09.12)
Die Revolution frisst nicht nur ihre Kinder.
Eine spannende, bittere und bewegende Geschichte aus der Geschichte.
Liebe Grüße, Dirk

 ViktorVanHynthersin meinte dazu am 05.09.12:
Moin Dirk,
vielen Dank für Deinen Kommentar und den Bezug zu meinem vorherigen Text. Es war von mir nicht beabsichtigt.
Herzliche Grüße
Viktor

 Didi.Costaire meinte dazu am 05.09.12:
Na sowas. An deinen vorherigen Text hatte ich aber auch nicht gedacht.

 irakulani (05.09.12)
Mao opferte seine Frau, die er angeblich liebte, von der er jedoch zu dieser Zeit bereits getrennt war, eiskalt seinem Streben nach Macht

Sie starb für ihn und hinterließ drei kleine Kinder – seine Kinder.

„Sie sei die Liebe seines Lebens gewesen…gab Mao noch in hohem Alter an.“

Wie zynisch klingt das, angesichts der Tatsache, dass er sie opferte!

Eine bewegende Ballade, tragisch, politisch, berührend – und dazu noch wahr.

Lieber Viktor, du hast einen wenig bekannten Stoff grandios verarbeitet, der noch einmal ein anderes Licht auf die ohnehin schillernde „Figur“ MAO wirft – und uns neugierig macht, mehr über ihn zu erfahren.

Herzliche Grüße
Ira

 ViktorVanHynthersin meinte dazu am 05.09.12:
Liebe Ira,
das Leben schreibt bekanntlich die schönsten, aber auch die traurigsten Geschichten. Man muss sie nur finden ) Vielen Dank für Deinen Kommentar.
Herzliche Grüße
Viktor
Gringo (60)
(05.09.12)
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 ViktorVanHynthersin meinte dazu am 05.09.12:
Spätestens nach dem Lesen der Biographie "Mao", ist die Legende Mao zerstört. Er hat in zig Fällen Daten und Fakten der Geschichte fälschen oder umschreiben lassen. Zudem stellt er sogar Hitler und Stalin mit seinen Säuberungsaktionen an Gegnern in den Schatten. Von persönlichen Schwächen und - Fehltritten ganz zu schweigen - wahrlich kein Stoff aus dem Legenden sind. Vielen Dank für Deine Meinung.
Herzliche Grüße
Viktor

 FRP (05.09.12)
Kompliment, Viktor, für Themenwahl und Umsetzung. Allen, die
sich mit Mao näher beschäftigen wolen, empfehle ich folgendes
Werk:

Wang Ming:
50 Jahre KP Chinas und der Verrat Mao Zedongs. Ab 2,- Euro als Festeinband zu haben!

Nur soviel: Es gibt kein anderes Buch auf dieser Welt von dieser Art; es ist einfach unglaublich, was darin steht, man weiß nie, ob man lachen oder weinen soll. Mao in Wahrheit ein Verehrer der Kaiser, der sich selbst für einen hielt, und dessen Gedichte auch im Stile der Mandschu-Dynastie geschrieben waren. Nach und nach schickt er immer wieder allen Leute neben ihn in die Verbannung, um die KP Chinas auszuhöhlen! (So die Lesart des Sowjetfreundlichen Autoren, selbst ein Opfer Mao's). Um seinen "Thron" zu retten, mobilisiert er schließlich die rohe und primitive ländliche Jugend gegen die Intellektuellen und die KP - und kreiert so die "Kulturrevolution". Nur die Feindschaft der Sowjet-Kommunisten zu den Chinesen ließ dieses Buch überhaupt erscheinen, was zu einer Demaskierung aller absolutistischen Regime hätte werden können - wenn es denn gelesen worden wäre.

 ViktorVanHynthersin meinte dazu am 05.09.12:
Dem ist nur mein Dank für Deinen ausführlichen Kommentar bzw. Deine ergänzende Buchempfehlung hinzuzufügen.
Herzliche Grüße
Viktor
wa Bash (47)
(05.09.12)
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 ViktorVanHynthersin meinte dazu am 05.09.12:
Lieben Dank für Deine Worte!
Herzliche Grüße
Viktor
SigrunAl-Badri (52)
(05.09.12)
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Steyk (61) meinte dazu am 06.09.12:
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 ViktorVanHynthersin meinte dazu am 06.09.12:
Liebe Sigrun, lieber Stefan,
vielen herzlichen Dank fürs Lesen, Nachsinnen bzw. Kommentieren meiner Skizze. Kai-hui war Kommunistin und starb u.a. auch, weil sie der Partei nicht abschwor. Sie musste sechs Dinge bedenken, ihre Kinder, die Liebe zu Mao, den Haß auf ihn wg. seiner Affairen, die Wut wg. seiner Säuberungsaktionen/Morde bzw. über seinen Weggang, die eigene Parteizugehörigkeit und ihr eigenes Wohl - keine einfache Entscheidung, wenn die Ehre noch etwas zählt.
Herzliche Grüße
Viktor

 Momo (05.09.12)
Ein ergreifendes Stück Geschichte!

LG Momo

 ViktorVanHynthersin meinte dazu am 06.09.12:
Liebe Momo,
vielen Dank für Deinen Kommentar!
Herzlichst
Viktor
stimulanzia (48)
(05.09.12)
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 ViktorVanHynthersin meinte dazu am 06.09.12:
Gerne doch! Ich habe Dir zu Danken, für Deinen Kommentar!
Herzliche Grüße
Viktor
Skandia (43)
(06.09.12)
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 ViktorVanHynthersin meinte dazu am 06.09.12:
Liebe Silke,
vielen Dank für Dein Lob. Mal schauen, zu welchem Stoff mich die Geschichten hinter den Geschichten noch inspirieren ... und vor allem wann )
Herzliche Grüße
Viktor

 EkkehartMittelberg (12.09.12)
Lieber Viktor,
deine Skizze ist eine außergewöhnliche Prosaballade, die demonstriert, dass große Machtfülle Menschen so korrumpiert, dass sie einer einzigartigen Liebe unwürdig sind.
Herzliche Grüße
Ekki

 ViktorVanHynthersin meinte dazu am 13.09.12:
Lieber Ekkehart,
vielen Dank für Deine geschätzte Meinung bzw. Deinen Kommentar, über den ich mich sehr gefreut habe.
Herzliche Grüße
Viktor

 Lluviagata (13.09.12)
Ihr Geist fand ihre Schuhe nicht.

Dieses ist für mich die Zusammenfassung allen Leides, das diese - und nicht nur diese - Frau ertragen musste. Und dieser Geschichte.
Sehr interessant und spannend, Viktor! ♥

 ViktorVanHynthersin meinte dazu am 13.09.12:
Ganz herzlichen Dank für Deinen Kommentar. Das Leid dieser Frau steht stellvertretend für alle Opfer Maos... und das sind hunderttausende.
Herzliche Grüße
Viktor

 moonlighting (15.09.12)
Aufrüttelnd und sehr gut geschrieben.

LG
Moonlight

 ViktorVanHynthersin meinte dazu am 17.09.12:
Vielen Dank für Deinen Kommentar, liebes Moonlight.
Herzliche Grüße
Viktor
Graeculus (69)
(23.12.14)
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