Stiller Ozean

Gedankengedicht zum Thema Alleinsein

von  Isaban

Die Wolken quellen auf zu Quallentieren.
Der Himmel quillt fast über.  Meerblickgrau
geht Tief um Tief hernieder. Mild und lau
war gestern. Blau kann sich nicht etablieren.

Übers Wetter können wir gut reden,
über Heute oder Morgen fällt es schwer.
Wenn du da bist, bleibt das Zimmer leer
und ich suche die verflixten roten Fäden,

suche das, was dich und mich verband,
taste blind nach deiner warmen Hand
und ich taste und ich taste, doch vergebens;

was ich in den letzten Tagen fand
war ein Stummfilm, war ein stilles Beben,
Schweigemauer und Aquarienwand.

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Kommentare zu diesem Text


 sandfarben (23.04.13)
Melodisch und melancholisch, sehr schön!

 AZU20 meinte dazu am 23.04.13:
Da schließe ich mich an. LG

 Isaban antwortete darauf am 23.04.13:
Herzlichen Dank, ihr beiden!

Liebe Grüße

Sabine

 Lluviagata (23.04.13)
Das Wetter ändert sich genauso schnell wie sich die Temperatur einer Beziehung ändern kann. Man sagt nicht umsonst, dass das Barometer auf Sturm steht.
Genauso kann einer Wellen schlagen, wo kein Wind weht.

Nur, der Mensch redet lieber übers Wetter als mit dem Betreffenden über zwischenmenschliche Probleme. Doch wenn es donnert, dann ists meistens schon zu spät.
Meine Sicht auf dein Gedicht ...

Liebe Grüße
Llu ♥

edit: Hab vollkommen geändert. Ich muss wohl heute morgen geistig umnachtet gewesen sein ... Sorry, Sabine!
(Kommentar korrigiert am 23.04.2013)

 Isaban schrieb daraufhin am 23.04.13:
Vielen Dank für Rückmeldung und Interpretation, liebe Llu.
Freut mich sehr, dass der Text dein Interesse wecken konnte.
Herzliche Grüße

Sabine

 ViktorVanHynthersin (23.04.13)
Wenn der Ozean zum Aquarium schrumpft... gerne gelesen.
Herzliche Grüße
Viktor

 Isaban äußerte darauf am 23.04.13:
Das freut mich sehr. Manchmal sind Meere wie ein Tropfen auf dem heißen Stein. ;)
Ich dank dir herzlich, Viktor.
Es grüßt dich lieb:
Sabine

 TassoTuwas (23.04.13)
Das trifft das Alleinsein voll auf die zwölf.
Und der Titel ist grandios.
Liebe Grüße TT

 Isaban ergänzte dazu am 23.04.13:
Herzlichen Dank für Rückmeldung und Lob, lieber TT! Schön, dass dich meine Verse locken konnten.

Herzliche Grüße

Sabine

 Irma (23.04.13)
Irgendwie hatte ich beim Lesen Nina Hagens „Du hast den Farbfilm vergessen, mein Michael!“ im Ohr. Hier scheint es der Farb- und Tonfilm zu sein. Eine Beziehung, die farblos geworden ist. In der das lyrische Ich „blind“ nach den „roten“ Verbindungsfäden sucht (wobei die zusätzliche Hebung wohl die Dauer dieser vergeblichen Suche hervorhebt). Eine Beziehung, in der man nur noch über Belanglosigkeiten redet, in der das Miteinander-Sprechen aufgegeben wurde (Stummfilm – stilles Beben – Schweigemauer). Und in der letzten Endes nicht nur das „Du“ nicht mehr gefunden wird, sondern auch das „Ich“ selbst verloren geht („du“ und „ich“ fallen von der Betonung her grundsätzlich auf eine Senkung). Für die unsichtbaren Mauern (des Schweigens) hast Du mit der „Aquarienwand“ ein eindrückliches Bild gefunden. Der Paarreim zu Beginn der Terzette täuscht, es gibt nichts Verbindendes mehr, die Hand greift ins Leere. Was von der Beziehung geblieben ist, ist nichts Heiles mehr. Das kommt auch durch den unreinen Reim (vergebens – Beben), der sich stark von den ansonsten einfachen männlichen Reimen der Terzette abhebt, gut zum Ausdruck.

„Alles blau und weiß und grün und später nicht mehr wahr.“, singt Nina Hagen. Die Schönheit des Vergangenen lässt sich rückblickend kaum mehr erahnen, weil sich die Sichtweise des lyrischen Ichs verdunkelt hat. Keine rosa Wolken mehr, sondern alles grau in grau. Schön, wie Du hier den übervollen Gewitterwolkenhimmel (quell – Quall – quill) allmählich dieses „Blau“ verdrängen lässt, das sich nicht mehr durchsetzen kann und schließlich nicht mehr zum End-, sondern nur noch zum Binnenreim taugt. Und wie das himmlische Jambus-Hoch der ersten Strophe dann dem Trochäus-Tief der folgenden Strophen weicht. Ob sich das Klima tatsächlich objektiv verändert hat oder nur subjektiv so empfunden wird, bleibt offen.

„Mild und lau war gestern.“ - das klingt wie ein Spruch aus der Werbung, der uns glauben machen will, dass das Vergangene nicht mehr zeitgemäß, nicht mehr wirtschaftlich ist, wozu auch das Verb „etablieren“ gut passt. Sind lange und tragfähige Beziehungen vielleicht inzwischen "out" (so wie eine Modefarbe)? Geht es in erster Linie nur noch um eine Art Handelsabkommen? Rennen wir heute unseren Träumen hinterher, tauschen das gegebene Versprechen aus und folgen irgendwelchen Versprechungen? Man könnte hier so eine leichte Ironie herauslesen, ähnlich wie beim angeblich „vergessenen“ Farbfilm von Nina Hagen, der in der DDR zur damaligen Zeit wohl kaum erschwinglich war.

Ein Text, mit dem ich mich gerne beschäftigt habe. LG BirmchenIrmchen
(Kommentar korrigiert am 23.04.2013)

 Isaban meinte dazu am 23.04.13:
Liebes Irmchen,

wow, was für ein Kommentar! Deine schöne, ausführliche und in sich absolut stimmige Interpretation, der ich kaum noch etwas hin zuzufügen habe, war mir eine reine Freude. Was soll ich dazu noch sagen, außer vielleicht: Herzlichen Dank, gerne jederzeit wieder! :D

Das Lied von Nina Hagen kenne ich, ein Ohrwurm, den ich heute nach dem Lesen deiner Rückmeldung den ganzen Tag nicht mehr loswurde. Nun ja, jetzt kennen es vermutlich auch meine Jungs - zumindest haben sie mich zuletzt angeschaut, als wären sie davon überzeugt, ich hätte eine Begegnung mit der dritten Art gehabt. ;)

Manno, da kriege ich schon mal so eine tolle Interpretation geliefert und dann fällt mir kaum noch eine passende Antwort ein - ich hoffe, du lässt dich davon nicht verunsichern: Du hast es drauf!

Um nicht allzu redundant zu wirken sage ich ganz einfach noch einmal dick und deutlich DANKE SCHÖN!

Herzliche Grüße

Sabine
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