Kapitalisten unter sich

Erzählung zum Thema Betrachtung

von  EkkehartMittelberg

Er hatte seine Freunde auf seine neue Jacht geladen, um sie ihnen zu präsentieren. „Goldene Wasserhähne sind nicht mehr zeitgemäß“, sagte er. „Aber die feinen Tropenhölzer werden euch trotz oder wegen der Umweltproteste nicht entgehen.“ Beifälliges Murmeln versicherte ihn des Einverständnisses.

Ein anderer hatte zur Weinprobe gebeten. Man hatte sich bald in jene Kategorie vorgetrunken, in der ein Gläschen das Monatseinkommen eines armen Schluckers kostete. Solche Sentimentalitäten kamen keinem der Gäste in den Sinn.

Ein dritter führte durch seine neue Villa am Strand. Seine pompöse Frau fügte sich nahtlos in den Rahmen. Es gab nichts Aufregendes außer den kleinen Whirlpools unter der Tischplatte, die zu häufigen Toilettengängen führten, wo lächelnde Thai-Mädchen frische Handtücher reichten.

Man fragte einen Vierten, einen Dichter, den man als Alibi geladen hatte, was er vorführen könnte.

Der wollte gerade beginnen, sein neues Gedicht über das Maßhalten vorzutragen, als der Blitz in die Sicherung schlug und für einen Themenwechsel sorgte.



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Kommentare zu diesem Text


 Saira (27.10.23, 08:33)
Lieber Ekki,
 
deine Erzählung wirft einen Blick auf die Dekadenz und Oberflächlichkeit vieler reicher, übersättigter Menschen. Es könnte einem übel werden.
 
Liebe Grüße
Sigi

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 27.10.23 um 15:31:
Merci, Sigi, die Kapitalisten, die ich kenne, interessiert nur eines: die Vermehrung ihres Kapitals und in dieser Hinsicht sind sie gnadenlos einseitig.

Liebe Grüße
Ekki

 plotzn (27.10.23, 10:25)
Servus Ekki,

wenn sich jetzt auch noch Petrus mit den Kapitalisten verbündet, na dann gute Nacht. Obwohl der arme Dichter auch ohne Zwangsunterbrechung wohl kaum was erreicht hätte...

Liebe Grüße
Stefan

 EkkehartMittelberg antwortete darauf am 27.10.23 um 15:37:
Gracias, du hast völlig recht, Stefan. Aus der Sicht überzeugter Kapitalisten bleibt der arme Dichter immer ein amüsanter Sonderling, den man sich, gelassen zuschauend, für Scherz, Ironie und tiefere Bedeutung hält.

Liebe Grüße
Ekki

 AchterZwerg (27.10.23, 12:15)
Tja, lieber Ekki,

zuweilen gibt es auch kluge & nette Kapitalisten. 
Bei uns daheim beispielsweise den Strothoff (International School) und den Götz (dm) - früher halt die Rothschilds und viele andere.
Nicht alle sind dekadent und böse Ausbeuter vor dem Herrn; manche sind halt einfach nur gute Unternehmer.
Noch dazu kunstsinnig. 8-)

Piccola

 Quoth schrieb daraufhin am 27.10.23 um 12:50:
... und die Schweiz hat ihren Bührle, dessen Kunstsammlung gerade das Kunsthaus Zürich mehr oder minder implodieren lässt!  :D

 EkkehartMittelberg äußerte darauf am 27.10.23 um 16:27:
So ist es Quoth. ein Kapitalist, der etwas auf sich hält, fördert Kunst nach Gebührle. Der alte Kanzler Ludwig Ehrhard war damals noch etwas rückständig. Er schimpfte auf die intellektuellen Pinscher.

LG

Ekki
Teolein (70)
(27.10.23, 12:52)
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 EkkehartMittelberg ergänzte dazu am 27.10.23 um 16:14:
Ach mein lieber Freund. Ich kenne auch ein paar Kapitalisten, die ich knutschen könnte wie ein Elch. Aber das System funktioniert auch ohne sie. Die haben ein paar zuverlässige Angestellte, die sie ohne ihr Wissen kontrollieren, wenn sie rührselig werden. Es ist schön, dass es so ist, wie es ist: Die Menschlichkeit kommt zu ihrem Recht, und das System funktioniert.
Inkonsequente Grüße
Ekki

 harzgebirgler (27.10.23, 14:00)
von den allerreichsten hört man nicht sehr viel -
ROTHSCHILD heissen die und haben stil!
https://www.vermoegenmagazin.de/vermoegen-familie-rothschild/

lg
henning

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 27.10.23 um 16:18:
Da hast du recht, Henning: Die wahren Rothschilds lassen andere Public relations machen.
Ahnungsvolle Grüße
Ekki

 Mondscheinsonate (27.10.23, 14:27)
Lieber Ekki, dein Text mag wohl seine Wahrheit, leider, enthalten, jedoch darf ich auch die Gegenteile präsentieren, das kann ich, weil mir einige bekannt sind: Eine, der reichsten Frauen Österreichs empfand die Eispreise zu hoch und kaufte sich nur zwei Kugerln. Ernsthaft. Und, es gibt ultimativ Reiche, die arbeiten so viel, dass sie gar keine Zeit zum Ausgeben haben. Dann ein riesen Konzerngründer in Deutschland trat vehement für den Mindestlohn ein. Es gibt unzählige Beispiele. 
Mir ist deine Erzählung diesmal zu einseitig.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 27.10.23 um 16:35:
Liebe Mondi, verzeih mir, dass ich diesmal ein wenig schmunzle. Es gibt nicht nur den Charme der Bourgeoisie, sondere auch den Charme kluger Kapitalisten, der sich gut verkauft. 

Liebe Grüße
Ekki

 Mondscheinsonate meinte dazu am 27.10.23 um 20:44:
Nicht alle, das war die Aussage, die da steht.

 Quoth (27.10.23, 15:07)
Die Lektüre von Max Weber: "Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus" würde Dir guttun. Ich glaube, Du wolltest mal was ordentlich Linkes schreiben, wie Du Dir was Linkes eben vorstellst: Kapitalisten sind herzlose Genießer, Prasser und Lüstlinge. Ist es Satire?

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 27.10.23 um 15:59:
@ Piccola,
liebe Freundein, es ist interessant, wie die Einschätzung von Kapitalisten sich in These und Antithese bewegt.  Die Neue Linke verdammte sie ohne Ansehen der Persönlichkeit stur in Grund und Boden. Heute gönnen wir uns wieder zärtliche Empathie.  Aber klar und frei von Ironie: Ohne Empathie wären wir doch beschränkt. Es gibt Kapitalisten mit sozialem Touch. Aber bei aller Liberalität: Wenn sie ihr Wolfsfell wirklich wegwerfen, schert der konsequentere Kapitalist sie wie die Lämmer. Also bleibe mer konsequent und sage mer: Wolf bleibt Wolf und Lamm bleibt Lamm. Privat könne mer lieben Wölfen ruhig mal die Ohren kraulen.  :D
Herzliche Grüße
Ekki

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 27.10.23 um 16:53:
@ Quoth: ich schätze dich und hoffe, dass du mich eines Tages mal richtig einschätzt, entsprechend meinen begrenzten Fähigkeiten, aber immerhin diesen entsprechend.
Ich kenne das angesprochene Buch von Max Weber und habe selbst einiges über politische Lyrik veröffentlicht.
Es ist zwar schön, ein bischen naiv zu sein, weil einem dann einiges nachgesehen wird, und ich gestehe, dass ich mit einem Fuß in Arkadien hängen geblieben bin. Aber das reicht nicht, Kapitalisten so platt einzuschätzen, wie du es mir zutraust. Meine Einschätzung ist unsentimental konsequent. Ausnahmen bestätigen immer die Regel.
Geduldige Grüße
Ekki

 AchterZwerg meinte dazu am 27.10.23 um 19:43:
Neben den Wölfen gibt es noch Falken, denke ich.
Und auch, dass die Kapitalisten nicht immer Kapitalisten waren.
Der alte Teves, beispielsweise, entwarf sein erstes Bremssystem am Küchentisch, die modernen  Superreichen waren z. T. vor Kurzem stinknormale Studenten ...
Vor solchen Leistungen habe und hatte ich immer Respekt.

Das schließt nicht aus, dass obszönen Verwerfungen, wie wir sie zur Zeit erkennen müssen (entstanden durch Coronaspekulantionen, Nahrungsmittelspekulationen, Kriegsgewinne und und und) aus ganzem Herzen zu verurteilen sind.

Liebe Grüße
Piccola
Taina (39)
(27.10.23, 16:29)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 27.10.23 um 17:03:
Vielen Dank, Taina,
ja, ich stimme dir zu: Trigema, die Rothschilds.  die Fabrikantendynastie  Oppenheimer und auch Krupp zum Beispiel gehören in ein historisches korrektes Bild des Kapitalismus.

Antwort geändert am 27.10.2023 um 17:09 Uhr

 Didi.Costaire (27.10.23, 20:07)
Hallo Ekki,

vielleicht war es ja auch das Gedicht, das einschlug wie der Blitz... :woot: 

Schöne Grüße,
Dirk

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 27.10.23 um 20:23:
Merci, Didi, 
wer weiß, die Wirkung wahrer Kunst ist unberchenbar.

LG
Ekki

 AchterZwerg meinte dazu am 27.10.23 um 20:26:
Aba:
Am Berch is Ruh! <3

 Tula (27.10.23, 20:42)
Hallo Ekki
Nun ja, ein bisschen Klischee ist wohl dabei. Ein 'wahrer Kapitalist' ist jener, der seinen Reichtum (auch den notwendigerweise auf Zins gepumten) benutzt, um diesen zu mehren, idealerweise damit anderen ebenfalls zu Lohn und Brot verhilft. Einige Leute mit wahrem Unternehmergeist habe ich kennengelernt. Ohne zu verallgemeinern (aber trotzdem): alles hart arbeitende und von ihrem unternehmerischen Projekt Besessene, die sich selbst (und ihrer Familie) kaum Zeit zum Auspannen geben. Die Scheidungsraten sind entsprechend hoch. Aber neue Damen finden die recht schnell 

Dann die anderen, die du in den Chef-Etagen und Aufsichtsräten findest. Auch diese zum großen Teil durch-und-durch Workoholics und in der Regel höchst-fähige Berufler, aber auch deren Leben von der Karriere bestimmt. Genau genommen sind diese keine Kapitalisten, selbst mit sechs-stelligem Jahreseinkommen, sondern eher die am besten bezahlten Diener des Kapitals.

Dann natürlich eine Reihe Schlawiner und skrupellose Geschäfte-Gangster, manche würden, wie es sprichwörtlich heisst, ihre Mutter verkaufen, wieder andere gingen über Leichen wenn es darauf ankäme, und wieder andere machen das sogar.

Schließlich gar nicht wenige, die ihren Reichtum nur geerbt haben und ihn verjubeln, ohne der Gesellschaft irgendeinen Nutzen zu bringen.

Wer also baut die Luxus-Villen am Stadtrand? Nun, darüber ließe sich streiten. Wahre Kapitalisten sind es vielleicht die wenigsten davon.

Ich wäre für mein Leben gern ein Kapitalist wie in deinem Text, natürlich allein der Weinproben wegen.

LG
Tula

Kommentar geändert am 27.10.2023 um 20:45 Uhr

Kommentar geändert am 27.10.2023 um 20:54 Uhr

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 27.10.23 um 21:19:
Es ist immer ein Genuss für mich, deine differenzierten Kommentare zu lesen, Tula.
Selbstverständlich trägt mein Bild von den Kapitalisten leicht karikierende satirische Züge. Es ist ja kein Essay für "Das Kapital".

Beste Grüße
Ekki

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 27.10.23 um 21:19:
Die ursprüngliche Antwort wurde am 27.10.2023 um 21:23 Uhr wieder zurückgezogen.
Agnete (66)
(29.10.23, 11:01)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 29.10.23 um 12:40:
Ich habe nicht allgemein die upper class kritisiert, sondern Kapitalisten. Ich sehe nicht ein, dass ich wegen meiner guten Pension schweigen sollte.
Sollte Friedrich Engels zu sozialen Fragen schweigen, weil er als Fabrikantensohn im Wohlstand lebte?

Antwort geändert am 29.10.2023 um 12:43 Uhr
Agnete (66) meinte dazu am 29.10.23 um 14:17:
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 29.10.23 um 16:58:
Ich bin beeindruckt und lerne von dir, dass es keine Kapitalisten gibt.
Agnete (66) meinte dazu am 29.10.23 um 19:24:
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