Frau Eusebier und die irrwitzigen Stimmen

Dialog zum Thema Verfremdung

von  Nachtpoet

Frau Eusebier sagte mir: Sie werde noch verrückt, wenn sie diese Stimmen in der TV-Werbung noch länger aushalten müsse. Diese Stimmen, die einem als die freundlichste Stimme der Welt vorkommen solle, ja MÜSSE! Denn das Produkt wolle ja verkauft werden. Aber wenn man wüsste - kombinierte Frau Eusebier weiter - warum diese Stimmen bis zur Gehörverzerrung dem Glotzer vor dem Apparat als die wärmste Stimmung des Universums vermitteln werden solle, nämlich nur um Geld zu scheffeln und damit vielleicht auch noch Arbeiter hier oder in Asien ausbeuten zu lassen, dann kämen ihr diese Stimmen einfach nur künstlich und widerlich vor! Deswegen werde sie gerade DIESE Produkte in Zukunft  meiden!

Aber es ginge noch abstruser, erklärte Frau Eusebier weiter. Dass der Wetterbericht morgens immer von irgendeiner Isolier-Firma präsentiert werde, erführe man von einer erotischen Stimme, die man ja wohl für das Wetter und dann noch morgens und erst recht als Frau überhaupt nicht benötige! Oder gäbe es vielleicht Männer, die sich morgens vor der Arbeit scharf machen lassen würden, weil diese Beate-Uhse-Stimme die Isobarenkarte ankündige?! Genauso wie diese männlichen, bis zur Irrwitzigkeit netten Ankündigungsstimmen von irgendwelchen heiratswilligen, logopädisch untertrainierten Hinterweltlern auf RTL.

Nein, nein, sie gucke bald überhaupt keine Sendungen mit Werbepausen mehr. Sollen doch die Bauern weiter ihre Frauen suchen. Am besten Privatsender generell meiden! Sie - so bekräftigte Frau Eusebier - suche eher nach angenehmen Dokumentarstimmen oder sanfte Erzählerstimmen in Hörbüchern oder Hörspielen. Das sei auch viel entspannender als dieses Geschreie und Getue in den Privatsendern. Ganz zu schweigen von der abstrusen Welt der Radio-Werbemacher, die - so schiene es ihr - durch den Verzicht auf ein Bild, glauben, die Zuschauer mit einer noch weit aggressiveren Art des Gekreisches und dem affektierten Getue vor dem Radio fesseln zu müssen. Radiowerbung sei - so beschrieb mir Frau Eusebier - für sie nichts weiter als ein hysterisches Herumgeschreie und Gepolter, welches sie nur noch an Irrenanstalten erinnere! Wenn das so weiterginge, bestünde die Radiowerbung demnächst bald nur noch aus verschiedenen Brüllaffenlauten, die einen den letzten Zoobesuch wieder in Erinnerung rufen würden.

Und wie sie so zu mir sprach, legte Frau Eusebier plötzlich den Finger auf die Lippen, als wenn ihr gerade eine Idee käme und sie meinte, ihr fiele eben ein, dass sie ja noch aus ihrer Jugend eine Grusel-Hörspiel-Kassette in der Schublade liegen haben müsse. Eine, die "Dracula trifft Frankenstein" hieße und da wäre doch der unvergessliche Horst Frank einer der Sprecher gewesen. Ja! Die wolle sie sich jetzt schön entspannt reinziehen, sprach sie und wackelte wie Frankensteins Monster mit gekrallten Fingern zurück zu ihrer Wohnungstür.

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Kommentare zu diesem Text

Gringo (60)
(18.12.14)
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 Nachtpoet meinte dazu am 18.12.14:
HA! Kann sein. Danke, und immer schön entspannt bleiben ...
Schöne Grüße
Ralf

 EkkehartMittelberg (18.12.14)
Ach wären doch alle Zuschauer/Hörer so konsequent wie Frau Eusebier. Dann müsste jemand für den Bestand der Werbung werben.

LG
Ekki

 AZU20 antwortete darauf am 18.12.14:
Das meinst Du doch nicht im Ernst. LG

 Nachtpoet schrieb daraufhin am 18.12.14:
Das glaube ich auch, Werbung ist nämlich selten originell, meistens nervig!

Danke Ekki
LG

 EkkehartMittelberg äußerte darauf am 18.12.14:
@AZU20 ein bisschen schon, Armin.

LG
Ekki
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