Wir sind Tarzan

Sonett zum Thema Gesellschaftskritik

von  Walther

Wir sind Tarzan

Der durch den Dschungel trampelt, die Machete schwingt,
Der die Liane greift und falsche Töne singt,
Ist der, der einen Traum bevölkert, der bald endet,
Weil der, der Träume schaut, den Wald verschwendet,

Um sich das Träume-Schauen billig zu erkaufen.
Man sieht den Helden durch den letzten Urwald laufen,
Wo ihn die letzten Affen aus den Kronen grüßen.
Sie müssen leiden, müssen schwer für andre büßen,

Die das Metall aus roter Krume händisch klauben,
Der Welt das grüne Dach zum freien Atmen rauben,
Um Öl von Palmen, Fleisch aus Wiesen auszupressen
Und der Natur den letzten Krümel wegzufressen.

Man träumt den falschen Traum vom guten Waldmensch weiter,
Obgleich sich dieser krümmt, verletzt und voller Eiter.


Anmerkung von Walther:

Sonettvariante, dem engl. Sonett verwandt, aber sechshebig und in Paarreimen

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Kommentare zu diesem Text


 Isaban (09.08.19)
Hallo Walther,

in der ersten Strophe schwirrt es nur so von lauter "der", sieben Stück in nur vier Versen! Auch ansonsten doppelt oder vervielfältigt sich so einiges, z.B. das "um" zu Versbeginn, das "letzten" in S2 (Alternative: wo allerletzte/ wo ihn die braven Affen aus den Kronen grüßen o.ä.) und das "man" zu Versbeginn. Man könnte es eventuell als stilistisches Mittel betrachten, um die Wiederholungstaten der Räuber zu unterstreichen, besser gefallen würde mir allerdings, wenn man die Dopplungen etwas minimieren könnte.

Auch bei den Wie-Worten könnte man ein paar Einsparungen vornehmen. Das "händisch" in S3, V1 und das "freien" vor dem Atem einen Vers tiefer wirken auf mich sehr wie der (nicht immer homogenen, siehe V11) Silbenanzahl geschuldet.


Man träumt den Traum vom guten Waldmensch weiter,
Obgleich sich dieser krümmt, verletzt und voller Eiter.

Kein Wunder, dass sich der gute Waldmensch krümmt, wurde er doch der Dativ-Endung beraubt!

Das "verletzt und voller Eiter" wirkt auf mich ein wenig arg pathetisch, aber das mag eine persönliche Geschmacklichkeit sein.

Sinn- und satzbezüglich: Ist im letzten Vers wirklich der Waldmensch aus dem Vers zuvor gemeint - oder nicht vielmehr der Ur- oder Regenwald, ist wirklich gemeint, dass Tarzan da rumeitert?

Ich glaube, an der Conclusio könnte man noch ein bisschen feilen. Insgesamt wirkt dieses Paarreim-Sonett auf mich zwar sehr engagiert aber ein wenig schnellschüssig, nichts für ungut.

Mit freundlichen Grüßen

Isaban

 Walther meinte dazu am 09.08.19:
Hi Isaban,
wie immer freue ich mich über kenntnisreiche kritik, nur sehe ich leider keinen vers, der nicht sechs hebungen hätte. die sieben "der" sind absicht. einfach vortragen, dann ist klar, warum das so sein muß.
mich verwundert ein wenig, daß gerade du die metaebene nicht erreichst, um die es hier geht. den regenwald gibt es indonesien (palmöl, Orang Utan), Brasilien (Fleisch, Rohstoffe, die Soja habe ich mir verbissen), Afrika (Tarzan, Liane, Jane, Affen, Rohstoffe, Holz). wir reden über ein generelles thema.
es tut mir leid, daß du die bilder der vereiterten Orang Utans nicht kennst. die conclusio ist messerscharf, der waldmensch ein stehender begriff und der dativ dadurch kein problem.
leider bleibt von deiner kritik nichts übrig. also nix mit schnellschuß, vielleicht dafür bei der kritik?
lg W.

 Isaban antwortete darauf am 09.08.19:
Lieber Walther,

Sorry, nicht wie oben versehentlich geschrieben V11 sondern Vers 13 hat nur fünf Hebungen.


Man träumt den Traum vom guten Waldmensch weiter,

Beim Waldmenschen ist es wie beim Herzen - da fehlt ganz einfach ohne entsprechendes Happy End etwas.

Hätte ich nicht verstanden, um was es in deinem Text gehen soll, hätte ich dir vermutlich das Engagement vor dem "aber" nicht unterstellt. Welches Engagement sollte da sonst wohl gemeint sein?

Wenn für einen Leser auf der Metaebene nicht alles vom Autoren Angedachte rüberkommt, kann das natürlich durchaus an der Blödheit oder Unwissenheit des Lesers liegen. Aber die Chancen, dass der entsprechende Text einfach nicht all das rüberbringt, was man als Autor beabsichtig hatte, stehen da wohl Fifty-Fifty. Und allein dieser Fakt sollte jeden Autoren zum Nachdenken bringen, ganz gleich, was er im Einzelnen oder Allgemeinen von den geistigen Fähigkeiten seiner Leser hält.

Aber lassen wir das. Ist doch toll, wenn ein Autor nach einer kritischen Rückmeldung so sehr von der Qualität seines Textes überzeugt ist, dass er das Wörtchen "Schnellschuss" blitzschnell auf den Kommentator überträgt.

Was kann man sich als Kommentator mehr wünschen, als dass der Autor des Textes diesen auf kritische Anregungen hin Vers für Vers gründlich überprüft?

Und was kann man sich als Autor mehr wünschen, als auch nach einer Textkritik noch voll und ganz von seinem Werk überzeugt zu sein? Zumindest dazu scheine ich dir verholfen zu haben. Gern geschehen.

Überzeugung ist das Zauberwort.

Fest steht: Der Autor ist des Textes Schmied. Jeder Autor sollte nur die Kritik annehmen, die ihn auch überzeugt. Ob sie das tut oder nicht, kann übrigens ebenfalls entweder an der Blödheit und/oder der Unwissenheit des Kritikers liegen oder aber - na, auch hier beträgt die Chance Fifty-Fifty.
Ich wünsche dir weiterhin feste Überzeugungen und ziehe mich hiermit aus dieser Konversation zurück.
LG, S.

Antwort geändert am 09.08.2019 um 15:35 Uhr

 Walther schrieb daraufhin am 09.08.19:
Liebe Isaban,
in der tat hat der vers 13 eine hebung zu wenig, die ich gerade ergänzt habe. das war kein schnellschuß, und diese bemerkung gibt einen zungenschlag, der nun auch dir eine laus über die leber schickt. vielleicht lernen wir beide daraus, diese wertungen einfach wegzulassen, weil sie nur kritik und replik mit einer unnötigen emtionalen spitze versehen und damit den blick für den kern des gesagten vernebeln.
ich bin durchaus von meinen texten überzeugt (du übrigens auch, wenn ich mich recht erinnere, also sollte dich das nicht überraschen), denn ich stelle nur diese ein, von denen ich wirklich überzeugt bin. alle anderen kommen gar nicht mehr in irgendein forum.
ich danke dir nochmals sehr für deine textarbeit - die du nicht nur hier, sondern durchaus auch anderswo kenntnisreich leistest.
lg W.
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