Gepflogenheiten

Skizze zum Thema Abgrund

von  blauefrau

Gepflogenheiten

Dass eine Tasse geflogen kam, war eine der Gepflogenheiten, die sie hingebungsvoll pflegte. Wut auf Wolfi oder Ärger über ihn pflegte sie mit dem Weitwurf von Gegenständen gegen Wände, auf den Boden, aber auch gegen Wolfi auszudrücken.
In ihrer blinden Wut hatte sie das Kaffeeservice Delfter Blau, das sie zur Hochzeit bekommen hatten, fast komplett zerstört.  Damit die Schwiegereltern nichts bemerkten, hatten sie das Geschirr jetzt schon zum zweiten  Mal neu gekauft. Dafür hatten sie jetzt drei Kaffeekannen derselben Marke.
Was sich liebt, das neckt sich, hatte Wolfi nach den ersten Scherben ihrer Ehe den Weitwurf kommentiert. Daraufhin hatte sie weitere Teile des Delfter Blaus nach ihm geworfen. Seine Äußerungen brachten sie erst recht in Rage, sie sah dann rot, nicht Pastell. Einen Honeymoon in Rosa gab es erst gar nicht. Alles war voller Scherben, Risse und Flecke. Manchmal zog Dora auch die Tischdecke mitsamt dem Porzellan vom Tisch. Das kam ihrer Wut fast noch mehr entgegen, einfach alles wegzureißen, alles.
Wolfi war vorsichtig geworden. Er betrat die Wohnung erst, wenn er Licht im Schlafzimmer sah und davon ausgehen konnte, dass Dora sich ausgezogen und ins Bett gelegt hatte. Sie trank dann noch ein Glas Sekt. Zur Beruhigung brauche sie das, hatte sie ihm gestanden, als er sie einmal danach gefragt hatte.
Wenn er sich dann neben sie legte, war sie sanfter geworden und konnte seine Zuneigung entgegennehmen.
Nach einem halben Jahr hatte Wolfi die Haushaltskosten zusammengerechnet und kam zu dem Schluss, dass dieses Leben zu teuer wäre.
Zwei Garnituren Delfter Porzellan, eine neue Tür, ein Fenster, die Spiegel im Schlafzimmer und im Flur, der Parkettboden, vieles war kaputt oder hatte Schaden genommen. Selbst seine Autoscheiben hatte sie mit einem Schlüssel verkratzt. In der Firma rechtfertigte er  Schnitte oder Kratzer im Gesicht und an den Händen mit den beiden Katzen, die sie angeblich hätten, dem Sturz von der Treppe, einer unglücklichen Bewegung.  Immer öfter bleib er länger im Büro, ging nach der Arbeit noch spazieren oder besuchte ein Fitnesscenter.
Er konnte die Lebenshaltungskosten nicht mehr unter weiteres verbuchen. Ihm wurde es, ihm wurde sie zu kostspielig.

Er tauschte also sämtliche Sekt-Piccolos im Kühlschrank aus. Als er zwei Tage später abends nach Hause zurückkehrte, stand Dora mit einem Polizisten in der Tür. Sie hatte festgestellt, dass er am Tag vorher  gegen seine Gewohnheit zwei Stunden früher nach Hause gekommen war. Dass er sich am Kühlschrank zu schaffen machte und dabei Flaschen klirrten, gab ihr zu denken. Im Gefängnis überdachte er seine Gewohnheiten.

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Kommentare zu diesem Text


 EkkehartMittelberg (25.06.20)
Da wäre ein frühes Ende mit Schrecken besser gewesen als ein Schrecken ohne Ende.
LG
Ekki

 Dieter_Rotmund (26.06.20)
Schluss finde ich etwas zu hastig gemacht, da hätte man wenigstens z.B. 2-3 Sätze zur Giftbeschaffung noch ergänzen müssen.

 blauefrau meinte dazu am 26.06.20:
Ich arbeite daran.

 Dieter_Rotmund antwortete darauf am 26.06.20:
Schön.

P.S.:
Geviert-Strich!
Sekt - Piccolos -> Sekt-Piccolos

 Dieter_Rotmund schrieb daraufhin am 14.08.20:
Honey moon -> Honeymoon
Agnete (66)
(08.07.20)
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