Zweimal die Woche treffen sich im burgundischen Bonnard, eine kleine Gemeinde westlich von Dijon, vier ältere Herren zum Tennis. Sie sind alle vier im Ruhestand, genießen auskömmliche Renten und haben alle Zeit der Welt, sich sportlich zu betätigen. Halbwegs sportlich, müsste man ehrlicherweise sagen, weil sie sich doch zwischen ihren Ballwechseln die eine oder andere Pause gönnen. Die füllen sie mit typischen Männerthemen. Das Neueste vom Sport, aus dem Hobbykeller oder über ihre Tüfteleien an Auto, Rasenmäher oder Heimkino-Anlage. Da sie sich nach ihren kräftezehrenden Doppel gern noch auf ein Bierchen im „Chez Sandrine“ zusamnmensetzen – die Verlierer müssen zahlen! - wird da weiter parliert.
Den Heimspiel-Vorteil bei diesen Tennis-Treffen haben Max und Francis, denn sie wohnen in Bonnard selbst. Beide sind Franzosen und schon deutlich über 70. „ Auswärts“ antreten müssen ihre deutschen Partner Wolfgang und Gerd, die jeder in der Nähe ein Ferienhaus besitzen, wobei der 80jährige Wolfgang im Frühjahr aus Bayern und der 65jährige Gerd aus Köln anreist.
Unsere zwei Franzosen haben beide lange im Ausland gearbeitet. Max war in der Entwicklungshilfe in Afrika und Francis bei einer amerikanischen Computerfirma in weltweitem Einsatz, insofern sind sie völlig anders als die „normalen“ Einheimischen, die meist einen bäuerlichen oder handwerklichen Hintergrund haben. Deswegen betrachten sie das Tennis Spielen auch als Ausdruck ihrer Weltoffenheit, ja, sie bewegen sich da gleichsam auf diplomatischem Parkett. Sie sind auch immer Tennis-like angezogen und zelebrieren eine gewisse Wimbledon-Etikette.
Ganz anders die beiden Deutschen, die da deutlich rustikaler wirken. Wolfgang war Mathe- und Sportlehrer mit Schwerpunkt Turnen, und Gerd verdiente sein Geld in der Werbung.
Als Spätberufene erst im sonnigen Burgund zum Tennis gestoßen, beherrschen sie kaum die – zugegeben: komplizierten! - Aufstellungs- und Wechselregeln. Sie kompensieren das aber durch sportlichen Ehrgeiz und große Laufbereitschaft.
Dass sie anders sozialisiert sind, merkt man nicht nur während des Spiels – da fluchen sie bei ihren gröbsten Patzern auch einmal recht deftig auf Deutsch, was von den Franzosen amüsiert nachgeäfft wird – nein, man merkt es danach. Denn dann springen sie in den dreißig Meter entfernt gelegenen Badesee und schwimmen mannhaft ein, zwei Runden.. Die Herren aus „la douce France“ hingegen scheuen entschieden Wasser, das kälter ist als das in der Badewanne. Dafür haben sie zur inneren Erfrischung aber immer reichlich Mineralwasser dabei, was wiederum den Deutschen nicht nötig erscheint.
Was das Wasser-Lassen angeht - ältere Herren müssen relativ oft – da sind merkwürdigerweise unsere Franzosen die ungenierten. Sie pinkeln einfach neben den Court, während ihre vorher so lockeren Deutschen schamhaft hinter den Büschen verschwinden.
Natürlich sind diese kleinen Unterschiede nichts gegen die vielen Punkte, die unseren vier Cracks gemein sind. Gleich vorweg: Sie haben alle massive körperlichen Defekte. Max hat es meist am Rücken, Francis an den Knien, Wolfgang kämpft gegen Schwindelgefühle und Gerd, der Jungspund, der hat sich entweder gerade Blasen gelaufen, hat noch Muskelkater oder wieder dicke Gelenke, weil er gerade von einem hardcore-Survival-Wochenende zurückgekommen ist. Natürlich kennen sie alle Vier alle Ärzte der Region, und alle Vier müssen sich noch ein paar Voltarenkapseln oder ihr Ibuprofen ´rein werfen, bevor sie zum Schläger greifen. Läuft das Spiel trotzdem schlecht, kommt bei allen früher oder später die Ausrede mit dem „Oh, zu viel Wein gestern Abend...“. Alle wissen aber unisono, dass das bei ihnen in Burgund nicht zählt – das wäre ja noch schöner!
Andere, schon zum Ritual gewordene Ausreden: Der Platz ist wieder zu stumpf (oder zu rutschig) ; die Sonne steht total ungünstig und man hat die falsche Kappe mit...
Um auch etwas Tennis-Spezifisches einzuflechten: .
Alle Vier haben ihre Macke, das heißt nerven die drei Anderen mit den ewig gleichen Aussetzern Wolfgang zum Beispiel mag nicht mitzählen. Jedes Mal fragt er dann laut fordernd in die Runde, wie viel es steht....um dann zu behaupten: „Das kann nicht sein!“
Max hat seine Probleme mit der Grundlinie. Seine Bälle, die deutlich „Aus“ sind, sieht er trotzig „Drin“. Wie oft müssen die Herren dann den Punkt neu ausspielen, weil grimmige Verbocktheit herrscht.
Gerd ist als Mitspieler nicht sonderlich beliebt, weil er jeden Ball will. Jeden! Okay, er ist von den Vieren noch der flinkeste auf den Beinen, aber in einem Doppel will bekanntlich auch ein Zweiter mitspielen...
Francis zu guter Letzt kann sich nicht beherrschen. Wenn ihm etwas allzu oft misslingt, tobt er plötzlich los wie Rumpelstilzchen. Und schmeißt auch mal den Schläger ins Gelände.
Hallo! Wir sind beim Altherren-Tennis, mit der Betonung auf Alt! Wir wissen, das sind alles Herren, die einmal seriös ihren Mann gestanden haben, in seriösen Berufen. Aber hier können sie es noch wie die Kinder....
Was sie alle Vier aber nicht - oder nicht mehr - können, das ist der Aufschlag. Oha, der Aufschlag! Da hadern sie alle mit Inbrunst und Theatralik.
Bei den beiden Spätberufenen sieht der Service aus wie Federball. Mit Anfängern. Max und Francis lassen immerhin ahnen, dass sie ihn früher einmal beherrschten... an guten Tagen. Aber jetzt ist es fast an allen Tagen …. wie verhext.
Apropos verhext: Klar ist, dass ja keine Frauen mit in ihre Runde kommen. Weder auf den Platz noch danach zum gemütlichen Bier. Das brauchten die Vier nicht beschließen, das ist so. Dabei haben sie alle eine Frau zu Hause.
Wahrscheinlich ist die nur allzu froh, das der Alte mal aus den Füßen ist. Zwei, drei Senioren-freie Stunden! Und der Alte wiederum flüchtet zum Tennis. Ach, Tennis, denkt er dann dankbar, das ist doch ein tolles Stückchen Männer-Freiheit.