Flüchtlinge an der Grenze

Bericht zum Thema Flucht/ Vertreibung

von  Graeculus

Im Jahre 376 u.Z. tauchten die von den Hunnen vertriebenen Westgoten an der Donaugrenze des Römischen Reiches auf und baten, ja flehten darum, als Flüchtlinge aufgenommen zu werden. Die ebenfalls in Hunnennot befindlichen Ostgoten schlossen sich dem wenig später an. Da es sich um eine große Zahl handelte (man schätzt sie auf eine Million Menschen, darunter 200000 kriegstüchtige junge Männer), löste die Anfrage auf römischer Seite Unsicherheit und Zögern aus.


Der Kaiser Valens entschied schließlich, die Goten seien ins Reich aufzunehmen, allerdings unter zwei Bedingungen: 1. Sie sollten beim Grenzübergang alle Waffen abliefern – eine an sich verständliche Forderung, wenn auch eine Zumutung für die Goten. 2. Sie sollten alle ihre Kinder abgeben, auf daß sie an römische Familien gegeben und zu Römern erzogen würden – eine sehr harte Bedingung, zumal sich bald herausstellte, daß es hier nicht ernsthaft um Adoption und Integration ging, sondern um die Versklavung der Kinder.


Die Goten ließen sich auf beide Forderungen ein. Ihre Not muß groß gewesen sein, und sie mögen gedacht haben, daß keine Suppe so heiß gegessen wie gekocht wird.


Über diesen bedenklichen Umstand hinaus war das weitere Verhalten der Römer bestimmt durch Gier und Dummheit. Einerseits ließen sich die Grenzbeamten bestechen, den Goten ihre Waffen trotz Vereinbarung zu lassen; andererseits nutzte man ihre weiterhin bestehende Notlage – eine Million Menschen will mit dem Lebensnotwendigen versorgt sein – dazu aus, ihnen zu Wucherpreisen minderwertige Lebensmittel zu verkaufen. Auf diese Weise hatte man dann nicht nur Feinde, sondern bewaffnete Feinde im eigenen Reich, das sich zudem als durch und durch korrupt erwies.


Die nun folgenden Verwicklungen fanden ihren Höhepunkt in der Schlacht von Adrianopel 378 u.Z., bei der die Goten den Römern eine der vernichtendsten Niederlagen ihrer Geschichte zufügten und Kaiser Valens ums Leben kam. Wie man sagt, wurde er bei dem Versuch, sich zu verstecken, lebendigen Leibes in einer Hütte verbrannt.


Wenn man Flüchtlinge kalten Herzens daran hindert, ins eigene Land zu kommen, hat man einen Feind außerhalb der Grenzen; wenn man Flüchtlinge ins eigene Land läßt und dann unwürdig behandelt, hat man einen Feind innerhalb der Grenzen, was klarerweise noch schlimmer ist.


Der Fall ist ein Musterbeispiel dafür, wie man mit Flüchtlingen nicht umgehen darf.



Hinweis: Der Verfasser wünscht generell keine Kommentare von Mondscheinsonate.

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Kommentare zu diesem Text


 EkkehartMittelberg (23.11.21, 19:30)
Hallo Graeculus,
dein Text zeigt, dass man aus der Geschichte etwas lernen könnte.
LG
Ekki

 Graeculus meinte dazu am 23.11.21 um 23:17:
Zumindest in diesem Falle. Und - das ist schon Bismarck aufgefallen - man kann aus der Geschichte eher anhand von Fehlern lernen, also wie man es nicht machen sollte. Der umgekehrte Fall ist selten. Aber funktioniert nicht Lernen überhaupt durch trial and [/i]error[/i]?

 Quoth (23.11.21, 19:50)
Hallo Graeculus, ja, Abschotten ist keine Lösung, und Hereinlassen auch nicht. Die Völkerwanderung von Nord nach Süd hat das Römische Reich zum Einsturz gebracht, die von Süd nach Nord wird die Vorherrschaft Europas (und der alten weißen Männer in den USA) zum Einsturz bringen.  Gruß Quoth

 Graeculus antwortete darauf am 23.11.21 um 23:20:
Wenn Hereinlassen, dann aber unbedingt ohne anschließende Demütigung. Das zumindest, so meine ich, kann man aus dieser historischen Parallele lernen. Denn es liegt nicht in unserem Interesse, uns Feinde zu schaffen.
Andererseits: Freundlich zu sein und dennoch nicht dumm (so dumm wie die Römer), ist ein heikles Jonglieren.

 Quoth schrieb daraufhin am 24.11.21 um 08:15:
Du weißt, wieviel Hass auf die Fremden sogar hier spürbar wird. Ich habe Irakern,  Syrern und Afghanen Deutschunterricht gegeben  - und gelernt, dass sie nicht besser sind als wir, sie hassen die Kurden, wenn sie nicht selbst welche sind, ganz zu schweigen von den Jesiden, die für sie nur Müll sind. Ich will damit nur sagen: Sie sind keine besseren Menschen, tragen ihre gegenseitigen Feindschaften in unser Land - aber der Wucht ihrer auch von uns verursachten Not werden wir auf die Dauer nicht gewachsen sein - und wenn wir sie schlecht behandeln, wird das ihre Aggressivität vergrößern, wenn wir sie gut behandeln, werden sie das ausnutzen. Gruß Quoth
Agnete (66) äußerte darauf am 24.11.21 um 10:48:
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 Graeculus ergänzte dazu am 24.11.21 um 17:27:
Ja. Ich möchte nur darauf hinweisen, daß diese Probleme auch davon abhängen, wie wir Menschen behandeln, die wir in unser Land lassen.
Ein Feind innerhalb unserer Grenzen ist noch schlimmer als ein Feind außerhalb unserer Grenzen.

 Graeculus meinte dazu am 24.11.21 um 17:30:
An Quoth:

wenn wir sie schlecht behandeln, wird das ihre Aggressivität vergrößern, wenn wir sie gut behandeln, werden sie das ausnutzen
Puh. Das nenne ich Pessimismus. Aber ich kann Dir nicht unrecht geben, denn die Menschen sind so - die anderen ebenso wie wir.

 Quoth meinte dazu am 24.11.21 um 22:43:
Die Römer waren doch sehr nett zu den Flüchtlingen, indem sie ihnen Karrieren beim Militär ermöglichten. Und ebendas war der Anfang vom Ende ihres Imperiums.

 Graeculus meinte dazu am 24.11.21 um 23:17:
Der wohl berühmteste Fall dafür ist Stilicho, der vandalischer Herkunft war. Gerade der hat hingebungsvoll das Römische Reich verteidigt gegen Alarich, der ein Heruler war.
Vielleicht entspricht diese Art der Aufnahme heute der Verleihung der Staatsbürgerschaft. Dann darf halt auch Miroslav Klose für Deutschland kämpfen. Ist aber m.E. nichts gegen zu sagen.
Nachdem ich spontan Deinem Pessimismus zugestimmt habe, denke ich inzwischen, daß es unter allen Menschen und auch unter Flüchtlingen solche und solche gibt.

 Augustus (23.11.21, 20:35)
Die Römer hätten auch die Option gehabt mit den West- und Ostgoten sich zu verbünden und gegen die Hunnen vorzugehen. Wären die Hunnen vertrieben worden, so wären die Karten neu gemischt worden.

Heute steht hinter jedem militärisch schwachen Land immer Russland oder Amerika als Verbündeter, so dass gar nicht der wirkliche Übeltäter für die Flüchtlingskrise abgeschafft werden kann.

 Graeculus meinte dazu am 23.11.21 um 23:25:
Die Hunnen einerseits, die Goten andererseits, das nenne ich Skylla und Charybdis. Die Hunnen waren zudem den Römern völlig fremd, während sie mit den Germanen immerhin schon einige Erfahrungen gesammelt hatten.

Den Übeltäter (d.h. die Ursache) in der Flüchtlingskrise abzuschaffen, steht wirklich nicht in unserer Macht.
Mir kommt es hier darauf an - hast Du sicher gemerkt -, wenigstens einen schrecklichen Fehler zu vermeiden: sich junge Männer in großer Zahl ins Land zu holen und sie dann zu demütigen.
Terminator (41) meinte dazu am 24.11.21 um 01:46:
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 Augustus meinte dazu am 24.11.21 um 09:47:
Aber auch die Ost- und Westgoten konnten sich dem christlichen Glauben letztlich nicht entziehen und waren den Päpsten unterstellt. 
Das römische Kaisertum wechselte zum christlichen Papsttum. Der Glaube kennt keine ländlichen Grenzen. Ob die Unterscheidung Römer, Ost- oder westgoten, nein, es sind alles Christen. Und diese Strategie der missionierung sollte bis heute währen. Allerdings traten zu der Zeit der aufkommende Monotheismus gegen den polytheismus an. Ganz klar konnte sich der Monotheismus behaupten. 

Heute treten jedoch zwei monotheistische Glaubenslehren aufeinander.

 Graeculus meinte dazu am 24.11.21 um 17:21:
An Terminator:

Ah, Du beschäftigst Dich mit der Zeit der Hunnen und Goten!

Mit "wir" meinte ich sowohl Dich und mich als auch die deutsche Politik. Auf die Entstehung von Fluchtursachen haben wir so wenig Einfluß wie die Römer auf die Völkerwanderung, zumal Hilfsgelder (von denen Afghanistan ja einige erhalten hat) oft in korrupten Kanälen versickern. Um die Geldverteilung in einem Land zu kontrollieren, muß man dieses Land kontrollieren, was ja Imperialismus wäre.

Ich muß Dir aber recht geben, daß die kapitalistische globale Ordnung einer der Faktoren ist, die Elend und damit Fluchtursachen in vielen Ländern erzeugen.
Ich weiß nicht, ob Du die chinesische "Entwicklungspolitik", die das Ihre dazu beiträgt (und nicht unserem Einfluß unterliegt), zu dieser globalen Ordnung zählst.

 Graeculus meinte dazu am 24.11.21 um 17:26:
An Augustus:

Da sprichst Du eine interessante Frage an. Die Goten waren zu diesem Zeitpunkt bereits Christen, soweit ich weiß. Dieser Glaube hat freilich weder die Römer noch die Goten in ihrem Verhalten merklich beeinflußt, zumindest was das Gebot der Nächsten- und der Feindesliebe angeht.

Die Flüchtlinge, die heute nach Europa streben, haben in der Regel einen anderen Glauben. Das macht die Probleme nicht kleiner, aber - wie gesagt - sie waren auch bei nominell gleichem Glauben groß genug.

Der mildernde Einfluß des Papsttums auf die Sitten ... du liebe Güte! Du weißt sicher, womit wir es bei vielen Päpsten in der Geschichte des Abendlandes zu tun hatten.

 Augustus meinte dazu am 25.11.21 um 09:00:
Soweit ich weiß, war die Christianisierung der Germanen eine Bedingung der Römer, um die römischen Grenzen zu öffnen.  Die Germanen haben eingewilligt. Die Gründe dafür könnten vielfältiger Natur sein, könnten aber auch ganz trivial gewesen sein. Teile der Germanen zogen die Freiheit als der Unterwerfung des Kreuzes vor. 
Von christlicher Nächstenliebe ist bei der Aufnahme der Germanen sicherlich nicht die Rede, denn die militärfähigen Männer mussten sich verpflichten dem römischen Heer zu dienen. 

Inwieweit die christianisierten Germanen gegenüber den Germanen, die dem alten Glauben nachgingen zum römischen Reich standen, darfst Du uns gerne aufklären. Gab es Unterschiede? Führten die einen kein Krieg mehr, während die anderen kriegslustig waren?

 Graeculus meinte dazu am 25.11.21 um 14:43:
Für die Kriegsführung hat das m.W. keinen großen Unterschied gemacht, ob die Stämme christlich waren oder nicht. Eine Rolle hat allerdings der Umstand gespielt, daß die Christen selbst ja in verschiedene Glaubensrichtungen bzw. Sekten gespalten waren, und in diese Auseinandersetzungen sind die Germanen hineingezogen worden, insofern einige Stämme sich zum Arianismus bekannt haben, der von den Orthodoxen verfolgt wurde, et vice versa.

 Augustus meinte dazu am 26.11.21 um 11:05:
und doch blieben die Germanen letztlich christlichem Glauben treu. Mag der Kaiser sein Imperium verloren haben, der Papst hatte dafür eine neue religiöse Enklave gewonnen, der sich im Höhepunkt in der Kreuzzüge auslud. Dabei hatten die Kreuzügler vor Jahrhunderten Vorfahren, die den Polytheismus streng verehrten. 
Erinnern wir uns an die Schlacht von Tours und Poitiers, wo die (christlichen) Sachsen und Franken über die Araber obsiegten. Hierbei ist es interessant zu beobachten, dass die Christen einen äußeren Feind, der einer anderen monotheistischen Religion anhing, als wesentlicher Feind angesehen wurde, obwohl die die Sachsen zuvor in in den Jahren den Franken blutige Schlachten lieferten. Dabei wäre es naheliegend gewesen, dass die Sachsen den günstigen Zeitpunkt nutzten, um mit Hilfe der Araber die Franken zu besiegen, um sich dem Joch der Franken zu entreißen. Taten sie aber nicht, was dafür spricht, dass in letzter Konsequenz die Zugehörigkeit zu einer Religion den Ausschlag für oder gegen eine Entscheidung gibt. 

Fraglich, wenn die Sachsen zu dem Zeitpunkt nicht christianisiert wären, ob sie als Verbündete bei der Schlacht agiert hätten.

 Graeculus meinte dazu am 26.11.21 um 15:11:
dass in letzter Konsequenz die Zugehörigkeit zu einer Religion den Ausschlag für oder gegen eine Entscheidung gibt.
Dafür fallen mir zumindest Gegenbeispiele ein, deren bekanntestes das Paktieren der Franzosen mit den Osmanen gegen die Habsburger sein dürfte - in diesem Falle sogar von Katholiken mit Moslems gegen Katholiken.
Und die Söldner des katholischen Karl V. haben das Rom des Papstes erobert und verwüstet (Sacco di Roma).

Ein Bündnis unter religiös Gleichgesinnten kommt sicher vor, doch verlassen würde ich mich darauf nicht.
Terminator (41)
(23.11.21, 23:11)
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 Graeculus meinte dazu am 23.11.21 um 23:30:
Hältst Du mich ("ihr besten Gutmenschen") für einen Gutmenschen? Nein, das ist sicher nur die Einleitung zu Deinem fiktiven Dialog.

Die Taktik, Probleme durch eine Sprachreform zu lösen, konnte weder die Goten noch kann es heute die Afghanen zufriedenstellen. Eine solche Taktik gab es ja damals tatsächlich, indem man Feinde, die zu stark waren, um sie besiegen zu können, zu "foederati" ernannte. Gefährlich blieben sie gleichwohl.

 RainerMScholz meinte dazu am 24.11.21 um 00:00:
Was soll das mit dem guten Menschen als Obszönität? Hm?
Ja, ich möchte ein guter und anständiger Mensch sein und mir die Begrifflichkeit, auch nicht als Sarkasmus, kaputt machen lassen.
Gute Menschen die Gutes tun sind gute Menschen - nenn mich naiv, du Arschloch (natürlich affirmativ zu verstehen).
Grüße,
R.

Antwort geändert am 24.11.2021 um 00:15 Uhr
Terminator (41) meinte dazu am 24.11.21 um 00:52:
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 Graeculus meinte dazu am 24.11.21 um 17:28:
Jemand, der einen anderen in der Disputation "Arschloch" nennt, sollte das Prädikat 'Gutmensch' für sich nicht ohne weiteres in Anspruch nehmen.

 RainerMScholz meinte dazu am 28.11.21 um 14:53:
Habe ich nicht getan. 
Es geht eher um die Begrifflichkeit aus rechtsextremen Diskursen.
Und dann sind wir ja alle erwachsen, nicht wahr.
Terminator (41) meinte dazu am 29.11.21 um 00:57:
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 Graeculus meinte dazu am 30.11.21 um 14:31:
Der Gutmensch und der gute Mensch haben gute Absichten, aber beim Gutmenschen stimmen Worte und Taten nicht überein.
Das ist eine mögliche Definition. Ich möchte eine andere ins Gespräch bringen: nämlich die, daß der Unterschied darin besteht, ob man die Moral als Weg zur Selbstverbesserung ansieht oder als Waffe im Kampf gegen andere einsetzt.

 RainerMScholz meinte dazu am 30.11.21 um 20:16:
Das ist nur verschwurbelte Pseudophilosophie, um zu überdecken, dass Begriffe wie "Gutmenschentum", "Lügenpresse" und "linksgrünversifft" (versifft - ein Begriff aus der Eugenik) alle aus der selben Ecke kommen - dafür hätte selbst Bohrer nicht herhalten mögen. Rechtsextreme Begrifflichkeiten in gutgemeint daherkommende Texte einzupflegen steht der Identitären Bewegung dann doch näher als dem Rechtskonservativen Lager, aus dem das kroch.
Terminator (41) meinte dazu am 30.11.21 um 22:29:
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 Graeculus meinte dazu am 01.12.21 um 13:16:
Moral als Waffe gegen andere, pharisäisches Eigenlob sowie "Wasser predigen, Wein saufen" passen gut zueinander, weshalb ich annehme, daß unsere beiden Standpunkte sich nicht wesentlich voneinander unterscheiden. Unangenehmer Menschentyp, das. Er korrumpiert den moralischen Zustand der Welt im Namen der Moral.

 RainerMScholz meinte dazu am 03.12.21 um 16:53:
Was kostet denn eine Therapiestunde in eurem psychologischen Geselligkeitsverein, der der reinen semantischen Lehre anzuhängen scheint?
lotus (70) meinte dazu am 06.12.21 um 22:56:
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 harzgebirgler (07.12.21, 18:35)
ja, 'man' umgeht dann werte,
sonst gern so hoch verehrte!
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