Ein Studienobjekt

Bericht zum Thema Tiere

von  Graeculus

An die 40 Jahre ist es her, daß wir mit zwei Katern und einer Katze in einem Reihenhaus lebten. Garten und dahinter der Auslauf auf ein Feld gehörten dazu; die Katzen fühlten sich – von gelegentlichen Rivalitäten abgesehen – wohl. Feldmäuse waren reichlich im Angebot.

Dann aber geriet ein Kater bei einem seiner Ausflüge unter ein Auto. Nach einer Phase der Trauer dachten wir, daß es schön wäre, wieder drei Katzen zu haben. Bei einer Bekannten gab es Nachwuchs, von dem zwei Geschwister zur Verfügung standen, die wir nicht trennen wollten. So hatten wir denn zwei ältere Katzen und zwei Katzenjunge.

Sehr kurz danach erkrankten die beiden Neulinge. Die Tierärztin diagnostizierte FIP = Feline infektiöse Peritonitis: unheilbar, tödlich und dazu noch für Katzen hochgradig ansteckend. Unerbittlich war die Prognose der Ärztin: „Sie werden alle Katzen verlieren, auch die beiden älteren. Es gibt keinen bekannten Fall von Überleben bei FIP.“

Die Neulinge hielten sich an diese Prognose, die älteren jedoch nicht. Eine Untersuchung der Tierärztin ergab, daß zwar nicht bei dem Kater, aber doch bei der Katze der FIP-Erreger nachweisbar war. Und die Katze hatte keinerlei Krankheitssymptome!

Mein Verdacht war der, daß die Tierärztin witterte, wie ein Hauch von Nobelpreis für Veterinärmedizin durch ihre Praxis zog. Jedenfalls erhielten wir die Anweisung, allwöchentlich mit der Katze zur Ärztin zu kommen zwecks eingehender Untersuchung inklusive Blutabnahme.

Nun weiß jeder Katzenfreund, wie sehr Katzen einen Besuch beim Tierarzt lieben. Und in diesem Falle nun auch noch wöchentlich! Zwar zeigte die Katze weiterhin keinerlei FIP-Symptome, aber deutliche Anzeichen einer Neurose, einschließlich Panikattacke, sobald wir sie in den Transportkorb stecken wollten. Wir meinten sogar, aus ihrem jammernden Miauen die Worte „Tierquälerei! Gebt mir die Nummer des Tierschutzbundes!“ herauszuhören.

Auf weitere Besuche bei der Ärztin haben wir verzichtet.
Kater und auch Katze haben noch mehr als zehn Jahre gelebt, letztere aber zu Angstzuständen neigend.
Der Nobelpreis für Veterinärmedizin bleibt bis auf weiteres unvergeben.


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Kommentare zu diesem Text


 Saudade (18.06.25, 01:59)
Ich brauche nur den Korb holen, sind beide Wolken. Lini (Mathilde=Puppiline=Lini) kotzt danach drei Tage durch. Die ist komplett fertig. Emil muss alle 3 Wochen zum Arzt zur Kontrolle. 
Schlimm ist das für manche Katzis.
Dein Text ist schön geschrieben und es leuchtet Liebe zum Tier durch. Das, mit dem FIP ist wirklich noch  heute ein Rotes Tuch in der Tiermedizin.

Kommentar geändert am 18.06.2025 um 02:01 Uhr

 Graeculus meinte dazu am 18.06.25 um 15:48:
Auch das ist ja eine extreme Reaktion. Vielleicht auch noch Protestharnen?

Ich habe viele Katzen kennengelernt in meinem Leben; aber eine, die gerne zum Tierarzt gegangen wäre, war nicht darunter.

Am Verhalten der Tierärztin habe ich gemerkt, wie es ist, wenn Tierliebe in Forschungsdrang umschlägt und das Tier zum Studienobjekt wird.

Der Zwillingsbruder der Katze, der erwähnte Kater, hat Jahre später seinerseits noch für ein medizinisches Wunder gesorgt: Darmverschlingung, von zwei Tierärzen für moribund erklärt. Da sagte meine damalige Frau, die eine Ausbildung in Homöopathie machte: "Dann kann ich es ja mal versuchen." Mit Homöopathie! Der Kater hat noch zwei Jahre gelebt. Und wenn wir bedenken, was Katzen von der Einnahme von Medikamenten halten, können wir einen Placebo-Effekt wohl ausschließen.

 tueichler (18.06.25, 07:10)
Obwohl ich weder Katzen- noch Hundefreund bin, gern gelesen und humorig geschrieben 😎

 Graeculus antwortete darauf am 18.06.25 um 15:49:
So im Nachhinein kann man das humorvoll sehen.

 Saira (18.06.25, 10:13)
Moin Wolfgang,
 
dein Bericht spricht mir aus der Seele. Ich habe selbst erlebt, wie schwierig und unsicher FIP-Diagnosen sein können. Auch bei meinen Katzen gab es damals einen Verdacht: Meine Jungkatze ist traurigerweise mit nur einem Jahr an FIP gestorben, doch glücklicherweise ist es bei den beiden älteren Katzen – trotz Virenbelastung im Blut der einen – nicht zum Ausbruch der Krankheit gekommen.
Die Angst kenne ich nur zu gut, ebenso wie die Erleichterung, wenn es dann doch anders kommt als befürchtet. Allerdings war mein Tierarzt der Ansicht, dass es wenig Sinn machen würde, die FIP-belastete Katze weiterhin zu untersuchen. 
Wir ließen den Kater, der keine FIP-Viren im Blut hatte, jährlich gegen FIP impfen (durch Tropfen in die Nase). Allerdings galt die Wirksamkeit der Impfung als umstritten. Tappsy, die Virenbelastete, wurde 17 Jahre alt und Sammy 16 Jahre.
 
Ein liebevoll geschriebener Bericht!
 
Liebe Grüße
Saira

 Graeculus schrieb daraufhin am 18.06.25 um 15:53:
Auch in Deinem Falle haben Katzen trotz FIP-Infektion überlebt! Wenn das die alte Tierärztin wüßte! 
Ich kenne den aktuellen Forschungsstand nicht, aber Saudade hat ja oben geschrieben, daß FIP auch heute noch ein Horror ist.
Dein Tierarzt war offenbar rücksichtsvoller ... oder nicht so sehr vom Forschungsdrang beseelt. Es war bzw. ist Tierquälerei, da immer wieder Blut abzunehmen.

 God (18.06.25, 16:08)
Warum hat Deine Generation, lieber Wolfgang, diese ganze Energie, die heute auf Tiertexte verwendet wird, nicht vorausschauend auf das Menschenwohl gerichtet?
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